Tagebuch
des August Uhlenhut, meist Wien und Goisern, 1911 - 1946, 25 Bde., ca. 3500 S., Tinte und Bleistift, tw. Unterstreichungen mit Rotstift, nicht uniform gebunden, meist broschiert, Gebrauch- und Lagersppuren, 8vo.
Eine kursorische Durchsicht der Bände erlaubt folgende Kurzcharakteristik des Tagebuchschreibers: Uhlenhut dürfte um 1900 in Wien geboren sein, rückte im Oktober in die Offiziersschule in Bruck a. L. ein, wo er schwer erkrankte (vgl. militärische Krankengeschichte, Bd. 1, 124 - 146). Wohl aufgrund dieser (kardiologischen) Erkrankung wurde Uhlennhut mit 39 Jahren frühpensioniert. Als Interessen des verheirateten Tagebuchschreibers können in erster Linie Musik und Literatur genannt werden. Wiederholt finden sich im Laufe der Jahre Eintragungen über sein Cellospiel. Das Tagebuch enthält anfänglich kaum Reflexionen über politische Ereignisse. So verliert Uhlenhut über den Ausbruch der beiden Weltkriege, Ausrufung der Republik und den Ausschluss 1938 kaum ein Wort. In erster Linie enthält das Diarium Aufzeichnungen über alltägliche Ereignisse. Politisch ist Uhlenhut im nationalsozialistischen Lager zu verorten. Ab 1940 mehren sich Hinweise dass sich der Schreiber durch Arisierungen ("Rekognoscierungen") Vorteile zu verschaffen wusste (Vgl. 3.6. 1940 - 3. 7. 1940). Besonderes Interesse darf wohl der letzte Band (3. 12. 1943 - 7. 2. 1946) beanspruchen. Dieser Band (Goisern) illustriert authentisch die letzte Phase des Krieges und das Kriegsende aus nationalsozialistischer Sicht: "10 Wellen amerik. Bomber flogen über das Goiserer Tal. - Aus dem Süden vom Dachstein her (...) Nachricht vom Attentat auf den Führer!!! welches Gott sei Dank mißlang - Abends Cello geübt (21. 7. 1944) Heute Nachricht vom Tode Adolf Hitlers (im Kampf für Deutschland in Berlin gefallen) (2. 5. 1945) Ein schwarzer Tag für Goisern! Deutschlands trauriges Ende bevorstehend (...) im Ort anstellen um Fleisch! Fast 5 Stunden. Tag und Nacht fahren Kolonnen von militär. Trainwagen (5. 5. 1945). Alles beflaggt weiß. Auch wir müssen es tun, um die Nachbarschaft nicht zu gefährden. Alles geht zum Schauplatze des schrecklichen Kriegsgeschehens im Ort, beim Stammbach hinaus zur Pötschen, wo Militär und Wagen schwer getroffen vom Bordwaffenbeschuß herumliegt. 7 Pferdeleichname liegen dort, aus deren Leibern sich die Bevölkerung das Fleisch schneidet (…) Admiral Dönitz, Nachfolger Hitlers, erläßt den letzten Aufruf an das deutsche Volk. – Die Partei hat mit der Unterzeichnung des „Waffenstillstandes“ und der bedingungslosen Kapitulation zu bestehen aufgehört. Nun folgt das eigentliche Drama als Schlußakt am völligen Zusammenbruch jeder wehrhaften Verteidigung der Reichseinheit. – Die Auflösung und Schande über ein völlig unfähiges Volk sich im Weltgeschehen zu behaupten“ (6. 5. 1945).
Expert: Mag. Andreas Löbbecke
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+43-1-515 60-389
books@dorotheum.at
19.12.2022 - 13:34
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des August Uhlenhut, meist Wien und Goisern, 1911 - 1946, 25 Bde., ca. 3500 S., Tinte und Bleistift, tw. Unterstreichungen mit Rotstift, nicht uniform gebunden, meist broschiert, Gebrauch- und Lagersppuren, 8vo.
Eine kursorische Durchsicht der Bände erlaubt folgende Kurzcharakteristik des Tagebuchschreibers: Uhlenhut dürfte um 1900 in Wien geboren sein, rückte im Oktober in die Offiziersschule in Bruck a. L. ein, wo er schwer erkrankte (vgl. militärische Krankengeschichte, Bd. 1, 124 - 146). Wohl aufgrund dieser (kardiologischen) Erkrankung wurde Uhlennhut mit 39 Jahren frühpensioniert. Als Interessen des verheirateten Tagebuchschreibers können in erster Linie Musik und Literatur genannt werden. Wiederholt finden sich im Laufe der Jahre Eintragungen über sein Cellospiel. Das Tagebuch enthält anfänglich kaum Reflexionen über politische Ereignisse. So verliert Uhlenhut über den Ausbruch der beiden Weltkriege, Ausrufung der Republik und den Ausschluss 1938 kaum ein Wort. In erster Linie enthält das Diarium Aufzeichnungen über alltägliche Ereignisse. Politisch ist Uhlenhut im nationalsozialistischen Lager zu verorten. Ab 1940 mehren sich Hinweise dass sich der Schreiber durch Arisierungen ("Rekognoscierungen") Vorteile zu verschaffen wusste (Vgl. 3.6. 1940 - 3. 7. 1940). Besonderes Interesse darf wohl der letzte Band (3. 12. 1943 - 7. 2. 1946) beanspruchen. Dieser Band (Goisern) illustriert authentisch die letzte Phase des Krieges und das Kriegsende aus nationalsozialistischer Sicht: "10 Wellen amerik. Bomber flogen über das Goiserer Tal. - Aus dem Süden vom Dachstein her (...) Nachricht vom Attentat auf den Führer!!! welches Gott sei Dank mißlang - Abends Cello geübt (21. 7. 1944) Heute Nachricht vom Tode Adolf Hitlers (im Kampf für Deutschland in Berlin gefallen) (2. 5. 1945) Ein schwarzer Tag für Goisern! Deutschlands trauriges Ende bevorstehend (...) im Ort anstellen um Fleisch! Fast 5 Stunden. Tag und Nacht fahren Kolonnen von militär. Trainwagen (5. 5. 1945). Alles beflaggt weiß. Auch wir müssen es tun, um die Nachbarschaft nicht zu gefährden. Alles geht zum Schauplatze des schrecklichen Kriegsgeschehens im Ort, beim Stammbach hinaus zur Pötschen, wo Militär und Wagen schwer getroffen vom Bordwaffenbeschuß herumliegt. 7 Pferdeleichname liegen dort, aus deren Leibern sich die Bevölkerung das Fleisch schneidet (…) Admiral Dönitz, Nachfolger Hitlers, erläßt den letzten Aufruf an das deutsche Volk. – Die Partei hat mit der Unterzeichnung des „Waffenstillstandes“ und der bedingungslosen Kapitulation zu bestehen aufgehört. Nun folgt das eigentliche Drama als Schlußakt am völligen Zusammenbruch jeder wehrhaften Verteidigung der Reichseinheit. – Die Auflösung und Schande über ein völlig unfähiges Volk sich im Weltgeschehen zu behaupten“ (6. 5. 1945).
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Aukce: | Autografy, rukopisy, dokumenty |
Typ aukce: | Online aukce |
Datum: | 19.12.2022 - 13:34 |
Místo konání aukce: | Wien | Palais Dorotheum |
Prohlídka: | 14.12. - 17.12.2022 |