Lot Nr. 1142


Francesco Hayez


Francesco Hayez - Gemälde des 19. Jahrhunderts

(Venedig 1791–1881 Mailand)
Valenza Gradenigo vor den Inquisitoren, um 1845, Öl auf Leinwand, 104 x 139,5 cm, gerahmt, (Rei)

Provenienz:
Sammlung der Grafen von Lützow (laut Katalog Christie’s Amsterdam);
Privatbesitz Deutschland.

Vergleiche:
A. R. Perger, Die Kunstschätze Wiens in Stahlstich, Hrsg. von der Österreichischen Lloyd in Triest 1854, S. 247, S. 261–265;
Elenco ms, s. d., Quadri storici ed allegorici, Carotti 1890, Bd. I, S. 278; Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo, Federico della Motta Editore, Mailand 1994, S. 293, Nr. 281 (mit falscher Provenienz).

Verzeichnet in:
Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo ragionato, Federico della Motta Editore, Milano 1994, S. 225, Nr. 176; S. 293, Nr. 280.

Gutachten von Prof. Fernando Mazzocca, Februar 2017, vorhanden.

Wir danken Prof. Fernando Mazzocca für die wissenschaftliche Unterstützung.

Dieses bisher unbekannte Gemälde ist angesichts seiner hohen Qualität, seiner illustren Provenienz und seines historischen Interesses eine wichtige Ergänzung des Oeuvres des Francesco Hayez. Die vorliegende, bis heute unauffindbare Version zeigt ein venezianisches Thema, das dem Herzen des Künstlers sehr nahe stand. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er diese Materie insgesamt viermal in verschiedenen Formaten, Techniken und Kompositionen aufgegriffen hat. Die erste Version wurde für die Sammlung des Buchhalters Antonio Patrizio, Verwalter und Freund der Familie von Alessandro Manzoni und dessen zweite Frau Teresa Stampa angefertigt. Das Gemälde (Öl auf Holz, 40 x 59 cm) war auf der jährlichen Ausstellung der Akademie von Brera im Jahre 1832 unter dem Titel Valenza Gradenigo vor ihrem Vater dem Inquisitor (Valenza Gradenigo al cospetto dell’inquisitore suo padre) ausgestellt und gelangte dann irgendwann in die Sammlung von Manzonis Stiefsohn Stefano Stampa. Später ging es in die Sammlung der Akademie von Brera und wurde in der Villa Carlotta, Tremezzo, aufbewahrt, wo es auch heute noch ausgestellt ist. (1)
Die zweite Version wurde ebenfalls in Brera ausgestellt und zwar im Jahre 1835, nachdem sie von dem berühmten Schriftsteller Andrea Maffei, der ein Freund und ikonographischer Berater des Malers war, als Geschenk für seine Frau Clara beauftragt worden war. Diese kultivierte Adlige, die eine Freundin Verdis, sowie auch von vielen anderen Künstlern und Intellektuellen war, hängte das Gemälde in bester Position in ihren berühmten und beliebten Mailänder Salon. Dieses Gemälde (Öl auf Leinwand, 96 x 115,5 cm) wurde von der Cariplo-Stiftung (Fondazione Cariplo) erworben und ist derzeit in der Gallerie d’Italia in Mailand zu sehen.(2)
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen diesen ersten beiden Gemälden, so sind schon die angewandte Technik und die Dimensionen verschieden. Hayez wechselte von Holz auf Leinwand und verdoppelte praktisch die Größe des Gemäldes. Die Komposition besteht bei beiden Gemälden aus vier Figuren, aber während in der ersten Version der Vater und die beiden anderen Inquisitoren im Hintergrund sind und eine ohnmächtige Valenza Gradenigo, die von einer anderen Figur gestützt wird, im Vordergrund steht, so ist im zweiten Bild die Gestalt des Vaters in herausragender Stellung im Vordergrund und im Zentrum der Szene platziert, was dem Gemälde eine zusätzliche Lebhaftigkeit und Dramatik verleiht. Der Vater wird so zum Drehpunkt des Gemäldes, während die beiden anderen Inquisitoren – ebenfalls in roten Roben gehüllt – hinter ihm sitzen. Die Protagonistin und ihr Retter erscheinen stattdessen rechts, so dass sie von dem Lichtstrahl getroffen werden, der wie ein Scheinwerfer durch das offene Fenster dringt, das teilweise von einem Karminvorhang bedeckt ist.
Die vorliegende Version, welche die dritte sein dürfte und eine weitere, entweder zeitgenössische oder etwas spätere Version, die im Jahr 2004 bei Christie’s erschien (Öl auf Leinwand, 95,3 x 125,1 cm) sind wieder anders als ihre Vorgänger.(3) Beide sind Öl auf Leinwand und etwas größer als die Maffei-Version und stellen, vor allem durch das Einfügen von zwei weiteren Figuren, eine komplexere Szene dar.
Der Vater steht nicht mehr im Vordergrund, bleibt aber doch weiterhin im Zentrum der Komposition, während die beiden anderen Inquisitoren nun im Vordergrund auf der linken Seite sitzen. Die Gruppe mit der unbewussten ohnmächtigen Valenza Gradenigo und ihrem Retter, jetzt nicht mehr ein alter sondern ein junger Mann, steht im Vordergrund rechts. In diesen komplexeren Kompositionen erscheinen nun zwei weitere Charaktere: ein junger Page hinter den beiden Inquisitoren und ein älterer Schreiber, der über einen Schreibtisch im Hintergrund gebeugt ist. Licht durchflutet den Raum nun durch verbleite dreibogige gotische Fenster mit Butzenscheiben, welche die Umgebung venezianischer anmuten lassen.
Die Abweichungen zwischen den beiden letzteren Versionen sind im Vergleich zu den großen Unterschieden zwischen den ersten beiden eher gering. Sie liegen nunmehr in den Details, ganz so als ob der Künstler an dieser Stelle die endgültige und ihn zufriedenstellende Lösung gefunden hatte. Der wichtigste Unterschied ist die Beifügung eines karminroten Tuches, das in unserer Version eine kleine Holzbank in der linken Ecke bedeckt. Die perforierten Bögen des gotischen Drillingsfensters sind in der späteren Fassung an einem hohen Punkt abgeschnitten, aber in der vorliegenden Version komplett sichtbar. Der Künstler erweiterte außerdem den Raum zwischen den beiden sitzenden Inquisitoren und der linken Seite des Gemäldes. Der Vorhang, der in der späteren Version gelb ist, hat hier eine dunklere Farbe und erinnert so an einen Trauerschleier der dieser Szene eine größere emotionale Intensität verleiht.
Die Kleider der Figuren ähneln einander in Farbe und Stil in beiden Fassungen, obwohl sie anders gemalt wurden, wenn auch mit der gleichen meisterhaften Hand. In der späteren Version ist der Rosenkranz, der von Valenzas Gürtel hängt, von besonderer Bedeutung. Im gegenwärtigen Werk fehlt dieser. Dies mögen keine deutlichen Unterschiede sein, aber sie sind dennoch wesentlich genug, um den beiden gleichermaßen gelungenen Gemälden jeweils eine andere Farbwirkung und Originalität zu verleihen.
Das Sujet, das hier viermal wiederholt wurde, muss dem Maler besonders zugesagt haben, der laut der zeitgenössischen Presse zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Version „von dem französischen Roman Foscarini ou le patricien de Venise inspiriert war; als Gegenstand Hayez' unermüdlichen Pinsels, wurde er das Thema eines kleinen aber ausdrucksstarken Gemäldes.“ (4) Die dramatische Geschichte der venezianischen Adligen Valenza Gradenigo, die aus Liebe zu dem in der venezianischen Republik unpopulären Antonio Foscarini vor der Staatsinquisition erscheinen muss, ist also eine fiktive Ergänzung der historischen Darstellung des Lebens Foscarinis. In der romanhaften Fiktion ist ihr Vater, der ihrer weiblichen Leidenschaft unflexibel und verurteilend gegenübersteht, unter den Richtern der Staatsinquisition der Republik Venedig. Der venezianische Senator Foscarini wurde im Jahre 1662 wegen Verdacht auf Verrat hingerichtet und wurde zum heroischen Protagonisten einer nach ihm benannten Tragödie von Giovanni Battista Niccolini, die 1827 in Florenz erschien. Das ist aber vermutlich nicht die Quelle, sondern nur eine der Anregungen zu diesem Gemälde, und einem weiteren, das Foscarini zeigt wie er sich weigert, die blonde Valenza Gradenigo zu heiraten (Foscarini che ricusa di sposare Valenza Gradenigo il giorno delle nozze perché la trova bionda di capelli). Dieses Werk wurde im Jahre 1833 in der Brera ausgestellt. (5)
Die Version die im Jahr 2004 bei Christie’s verkauft wurde, war im Auktionskatalog fälschlicherweise als Teil der Sammlung Lützow aufgeführt. Es war zuvor 1919–1920 im Dorotheum in Wien verkauft worden und ging damit in die Sammlung Franz Kromer über. In Wirklichkeit wurde dieses Werk von Hayez in seinem eigenen Inventar aufgeführt, das von einem nicht genannten „Wiener Geschäftsmann“ („negoziante di Vienna“) erworben wurde.(6) Es wurde von Domenico Gandini als Stich reproduziert und war in dessen Album aus dem Jahr 1845 von einer positiven Kritik des Cesare Cantù begleitet.(7) Im Jahre 1851 wurde es ausgestellt und wieder einmal reproduziert.(8) Die Arbeit wurde 1913 von Theodor von Frimmel nochmals erwähnt, laut dessen es der Familie von Beroldingen gehörte. (9)
Tatsächlich ist es das vorliegende Gemälde, das 2011 bei Christie’s in Amsterdam mit der falschen Zuschreibung „Deutsche Schule des 19. Jahrhunderts“ verkauft wurde, welches als Stück aus der berühmten Sammlung Lützow identifiziert werden kann. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass ein Gemälde von Adolf Senff, das ebenfalls zu dieser Sammlung gehörte und 2011 verkauft wurde, den gleichen Rahmen hat wie das vorliegende Werk.
Rudolf von Lützow (Salzburg 1780 – Monza 1858) (10) war der Sohn des Generals Johann Gottfried und hatte eine brillante diplomatische Karriere, zuerst als Internuncio in Konstantinopel und dann als österreichischer Gesandter beim Heiligen Stuhl in Rom, wo er seinen Onkel, Staatskanzler Fürst Metternich, repräsentierte. Er trat außerdem als anspruchsvoller Kunstkenner und Sammler in die Fußstapfen seines Großvaters. Neben dem aktuellen Gemälde erwarb er auch ein weiteres Werk von Hayez, Der Tod von Giselda, 1844, das eine Episode aus dem Gedicht Die Langobarden im ersten Kreuzzug von Tommaso Grossi darstellt. (11) Unter den anderen Werken in der Sammlung befindet sich auch ein wichtiges Gemälde von Filippo Agricola, das eine Episode aus dem griechischen Unabhängigkeitskrieg zeigt (Episodio della guerra d’Indipendenza in Grecia, Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna),(12) sowie eine bisher verschollene erste Version der großartigen Flora von Pietro Tenerani. (13)
Sowohl sein Interesse an der Skulptur als auch der Respekt, den er in Rom genossen haben muss, wurden schon 1831 durch die Widmung eines Bandes, das die Werke von Bertel Thorvaldsen zeigte, bestätigt. (14) Ein weiterer Beweis für seine Liebe zur Kunst war sein Projekt vom Jahr 1837, mit einer Ausstellung in Rom den Geburtstag des österreichischen Kaisers zu feiern.
Das vorliegende Gemälde spiegelt die weit verbreitete internationale Mode für venezianische Themen wider, die auch in der Literatur und auf der Bühne, vor allem in Melodramen, präsent war. Es muss eines der bedeutendsten Werke der Sammlung Lützow gewesen und für das emotionale Engagement und das hervorragende technische Können, mit dem die Szene dargestellt wird, besonders geschätzt worden sein. Der entscheidende Faktor für die dramatischen Effekte und die spannungsgeladene Atmosphäre ist die Qualität der Maltechnik, die hier auf einer reichen Farbpalette basiert. Sie war von den venezianischen alten Meistern des 16. Jahrhunderts, insbesondere von Veronese, inspiriert und zeigt sich im Licht, das im Hintergrund des Gemäldes durch das verbleite dreibogige gotische Fenster mit Butzenscheiben eindringt. Der Lichtstrahl beleuchtet die Protagonistin und hat eine große dramatische Wirkung, indem er die reinen Farben ihres weißen Gewandes und ihr bleiches Gesicht hervorhebt. Die verschiedenen chromatischen Schattierungen wurden dem Gemälde durch die zahlreiche Lasuren verliehen, mit denen Hayez seine Werke fertigstellte. Wie auch in diesem Gemälde, gab dies seinen Bildern eine magische Note.

Mailand, 11. Februar 2017
Prof. Fernando Mazzocca

(1) F. Mazzocca, Objektbeschreibung in Pinacoteca di Brera. Dipinti dell’Ottocento e del Novecento. Collezioni dell’Accademia e della Pinacoteca, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Electa, 1993, Bd. I, S. 333–335 Nr. 373; F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, Mailand, Federico Motta Editore, 1994, S. 225 Nr. 176.
(2) F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, a. a. O., S. 243 Nr. 208; E. Lissoni, in Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Cariplo e di Intesa Sanpaolo, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Skira, 2011, S. 183–184 Nr. II.17.
(3) Christie’s London. 19th Century European Art including Spanish Paintings. 18. November 2004, S. 64 Nr. 46. Dieses Werk wurde unlängst vom Verfasser ausgestellt und publiziert in: L’Impressionismo di Zandomeneghi, Katalog zur Ausstellung im Palazzo Zabarella, Padua, hrsg. von F. Dini und F. Mazzocca, Venedig, Marsilio, 2016, S. 225.
(4) Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1832, Mailand 1832, S. 74–75.
(5) Das Werk, welches als verschollen galt und durch einen Stich belegt ist (Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1833, Mailand 1833, S. 70–72), ist in jüngster Zeit in einer Privatsammlung wieder aufgetaucht.
(6) Das Werk wird im Elenco (Verzeichnis) der Mailänder Biblioteca Nazionale Braidense unter dem Titel „Quadri storici ed allegorici, n. 78“ (Historische und allegorische Gemälde, Nr. 78) angeführt. Erwähnt wird es darüber hinaus von G. Carotti in seinem Nachwort zu F. Hayez, Le mie memorie, Mailand, Tipografia Bernardoni e Rebeschini, 1890, S. 278.
(7) Album. Esposizione di Belle Arti in Milano, Mailand 1845, S. 19–26.
(8) In Kunstschätze Wien, Triest 1851, S. 5, 11.
(9) T. von Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, Wien, G. Müller, 1913, S. 104–105.
(10) C. von Würzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 16 Bände / Theil Kaiserlich-Königliche Hof und Staatsdruckerei, Wien 1867, S. 148–150.
(11) Dieses kleinformatige Gemälde wurde 1970 bei der Galleria Manzoni, Mailand, versteigert.
(12) Garibaldi. Arte e Storia. Arte, Katalog der Ausstellung im Museo Nazionale del Palazzo di Venezia, Rom, hrsg. von S. Pinto, Florenz, Centro Di, 1982, S. 81–82.
(13) S. Grandesso, Pietro Tenerani (1789 – 1869), Cinisello Balsamo (Mailand), Silvana Editoriale, 2003, S. 136.
(14) Intera collezione di tutte le opere inventate e scolpite dal cav. Alberto Torvaldsen. Incisa a contorni con illustrazioni del chiarissimo abate Missirini. Dedicata a sua Eccellenza Rodolfo conte di Lützow, nella tipografia di Pietro Aurelj, Rom, 1831.

Provenienz:
Sammlung der Grafen von Lützow (laut Katalog Christie’s Amsterdam);
Privatbesitz Deutschland.

Verzeichnet in:
A. R. Perger, Die Kunstschätze Wiens in Stahlstich, Hrsg. von der Österreichischen Lloyd in Triest 1854, S. 247, S. 261–265;
Elenco ms, s. d., Quadri storici ed allegorici, Carotti 1890, Bd. I, S. 278; Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo, Federico della Motta Editore, Mailand 1994, S. 293, Nr. 281 (mit falscher Provenienz).

Vergleiche: Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo ragionato, Federico della Motta Editore, Milano 1994, S. 225, Nr. 176; S. 243, Nr. 280.

Gutachten von Prof. Fernando Mazzocca, Februar 2017, vorhanden.

Wir danken Prof. Fernando Mazzocca für die wissenschaftliche Unterstützung.

Dieses bisher unbekannte Gemälde ist angesichts seiner hohen Qualität, seiner illustren Provenienz und seines historischen Interesses eine wichtige Ergänzung des Oeuvres des Francesco Hayez. Die vorliegende, bis heute unauffindbare Version zeigt ein venezianisches Thema, das dem Herzen des Künstlers sehr nahe stand. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er diese Materie insgesamt viermal in verschiedenen Formaten, Techniken und Kompositionen aufgegriffen hat. Die erste Version wurde für die Sammlung des Buchhalters Antonio Patrizio, Verwalter und Freund der Familie von Alessandro Manzoni und dessen zweite Frau Teresa Stampa angefertigt. Das Gemälde (Öl auf Holz, 40 x 59 cm) war auf der jährlichen Ausstellung der Akademie von Brera im Jahre 1832 unter dem Titel Valenza Gradenigo vor ihrem Vater dem Inquisitor (Valenza Gradenigo al cospetto dell’inquisitore suo padre) ausgestellt und gelangte dann irgendwann in die Sammlung von Manzonis Stiefsohn Stefano Stampa. Später ging es in die Sammlung der Akademie von Brera und wurde in der Villa Carlotta, Tremezzo, aufbewahrt, wo es auch heute noch ausgestellt ist. (1)
Die zweite Version wurde ebenfalls in Brera ausgestellt und zwar im Jahre 1835, nachdem sie von dem berühmten Schriftsteller Andrea Maffei, der ein Freund und ikonographischer Berater des Malers war, als Geschenk für seine Frau Clara beauftragt worden war. Diese kultivierte Adlige, die eine Freundin Verdis, sowie auch von vielen anderen Künstlern und Intellektuellen war, hängte das Gemälde in bester Position in ihren berühmten und beliebten Mailänder Salon. Dieses Gemälde (Öl auf Leinwand, 96 x 115,5 cm) wurde von der Cariplo-Stiftung (Fondazione Cariplo) erworben und ist derzeit in der Gallerie d’Italia in Mailand zu sehen.(2)
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen diesen ersten beiden Gemälden, so sind schon die angewandte Technik und die Dimensionen verschieden. Hayez wechselte von Holz auf Leinwand und verdoppelte praktisch die Größe des Gemäldes. Die Komposition besteht bei beiden Gemälden aus vier Figuren, aber während in der ersten Version der Vater und die beiden anderen Inquisitoren im Hintergrund sind und eine unbewusste Valenza Gradenigo, die von einer anderen Figur gestützt wird, im Vordergrund steht, so ist im zweiten Bild die Gestalt des Vaters in herausragender Stellung im Vordergrund und im Zentrum der Szene platziert, was dem Gemälde eine zusätzliche Lebhaftigkeit und Dramatik verleiht. Der Vater wird so zum Drehpunkt des Gemäldes, während die beiden anderen Inquisitoren – ebenfalls in roten Roben gehüllt – hinter ihm sitzen. Die Protagonistin und ihr Retter erscheinen stattdessen rechts, so dass sie von dem Lichtstrahl getroffen werden, der wie ein Scheinwerfer durch das offene Fenster dringt, das teilweise von einem Karminvorhang bedeckt ist.
Die vorliegende Version, welche die dritte sein dürfte und eine weitere, entweder zeitgenössische oder etwas spätere Version, die im Jahr 2004 bei Christie’s erschien (Öl auf Leinwand, 95,3 x 125,1 cm) sind wieder anders als ihre Vorgänger. (3) Beide sind Öl auf Leinwand und etwas größer als die Maffei-Version und stellen, vor allem durch das Einfügen von zwei weiteren Figuren, eine komplexere Szene dar.
Der Vater steht nicht mehr im Vordergrund, bleibt aber doch weiterhin im Zentrum der Komposition, während die beiden anderen Inquisitoren nun im Vordergrund auf der linken Seite sitzen. Die Gruppe mit der unbewussten Valenza Gradenigo und ihrem Retter, jetzt nicht mehr ein alter sondern ein junger Mann, steht im Vordergrund rechts. In diesen komplexeren Kompositionen erscheinen nun zwei weitere Charaktere: ein junger Page hinter den beiden Inquisitoren und ein älterer Schreiber, der über einen Schreibtisch im Hintergrund gebeugt ist. Licht durchflutet den Raum nun durch verbleite gotische Drillingsfenster, welche die Umgebung venezianischer anmuten lassen.
Die Abweichungen zwischen den beiden letzteren Versionen sind im Vergleich zu den großen Unterschieden zwischen den ersten beiden eher gering. Sie liegen nunmehr in den Details, ganz so als ob der Künstler an dieser Stelle die endgültige und ihn zufriedenstellende Lösung gefunden hatte. Der wichtigste Unterschied ist die Beifügung eines karminroten Tuches, das in unserer Version eine kleine Holzbank in der linken Ecke bedeckt. Die perforierten Bögen des gotischen Drillingsfensters sind in der späteren Fassung an einem hohen Punkt abgeschnitten, aber in der vorliegenden Version komplett sichtbar. Der Künstler erweiterte außerdem den Raum zwischen den beiden sitzenden Inquisitoren und der linken Seite des Gemäldes. Der Vorhang, der in der späteren Version gelb ist, hat hier eine dunklere Farbe und erinnert so an einen Trauerschleier der dieser Szene eine größere emotionale Intensität verleiht.
Die Kleider der Figuren ähneln einander in Farbe und Stil in beiden Fassungen, obwohl sie anders gemalt wurden, wenn auch mit der gleichen meisterhaften Hand. In der späteren Version ist der Rosenkranz, der von Valenzas Gürtel hängt, von besonderer Bedeutung. Im gegenwärtigen Werk fehlt dieser. Dies mögen keine deutlichen Unterschiede sein, aber sie sind dennoch wesentlich genug, um den beiden gleichermaßen gelungenen Gemälden jeweils eine andere Tonalität und Originalität zu verleihen.
Das Sujet, das hier viermal wiederholt wurde, muss dem Maler besonders zugesagt haben, der laut der zeitgenössischen Presse zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Version „von dem französischen Roman Foscarini ou le patricién de Venise inspiriert war; als Gegenstand Hayez' unermüdlichen Pinsels, wurde er das Thema eines kleinen aber ausdrucksstarken Gemäldes.“ (4) Die dramatische Geschichte der venezianischen Adligen Valenza Gradenigo, die aus Liebe zu dem in der venezianischen Republik unpopulären Antonio Foscarini vor der Staatsinquisition erscheinen muss, ist also eine fiktive Ergänzung der historischen Darstellung des Lebens Foscarinis. In der romanhaften Fiktion ist ihr Vater, der ihrer weiblichen Leidenschaft unflexibel und verurteilend gegenübersteht, unter den Richtern des Inquisitoriums.
Der venezianische Senator Foscarini wurde im Jahre 1662 wegen Verdacht auf Verrat hingerichtet und wurde zum heroischen Protagonisten einer nach ihm benannten Tragödie von Giovanni Battista Niccolini, die 1827 in Florenz erschien. Das ist aber vermutlich nicht die Quelle, sondern nur eine der Inspirationen hinter diesem Gemälde, und einem weiteren, das Foscarini zeigt wie er sich weigert, die blonde Valenza Gradenigo zu heiraten (Foscarini che ricusa di sposare Valenza Gradenigo il giorno delle nozze perché la trova bionda di capelli). Dieses Werk wurde im Jahre 1833 in Brera ausgestellt. (5)
Die Version die im Jahr 2004 bei Christie’s verkauft wurde, war im Auktionskatalog fälschlicherweise als Teil der Sammlung Lützow aufgeführt. Es war zuvor 1919–1920 im Dorotheum in Wien verkauft worden und ging damit in die Sammlung Franz Kromer über. In Wirklichkeit wurde dieses Werk von Hayez in seinem eigenen Inventar aufgeführt, das von einem nicht genannten „Wiener Geschäftsmann“ („negoziante di Vienna“) erworben wurde.(6) Es wurde von Domenico Gandini als Stich reproduziert und war in dessen Album aus dem Jahr 1845 von einer positiven Kritik des Cesare Cantù begleitet.(7) Im Jahre 1851 wurde es ausgestellt und wieder einmal reproduziert.(8) Die Arbeit wurde 1913 von Theodor von Frimmel nochmals erwähnt, laut dessen es der Familie von Beroldingen gehörte. (9)
In der Tat ist es das vorliegende Gemälde, das 2013 bei Christie’s in Amsterdam mit der falschen Zuschreibung „Deutsche Schule des 19. Jahrhunderts“ verkauft wurde, welches als Stück aus der berühmten Sammlung Lützow identifiziert werden kann. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass ein Gemälde von Adolf Senff, das zu eben dieser Sammlung gehörte und 2011 verkauft wurde, den gleichen Rahmen hat wie das vorliegende Werk.
Rudolf von Lützow (Salzburg 1780 – Monza 1858) (10) war der Sohn des Generals Johann Gottfried und hatte eine brillante diplomatische Karriere, zuerst als Internuncio in Konstantinopel und dann als österreichischer Gesandter beim Heiligen Stuhl in Rom, wo er seinen Onkel, Staatskanzler Fürst Metternich, repräsentierte. Er folgte außerdem als anspruchsvoller Kunstkenner und Sammler in die Fußstapfen seines Großvaters. Neben dem aktuellen Gemälde erwarb er auch ein weiteres Werk von Hayez, Der Tod von Giselda, 1844, das eine Episode aus dem Gedicht Die Langobarden im ersten Kreuzzug von Tommaso Grossi darstellt. (11) Unter den anderen Werken in der Sammlung befindet sich auch ein wichtiges Gemälde von Filippo Agricola, das eine Episode aus dem griechischen Unabhängigkeitskrieg zeigt (Episodio della guerra d’Indipendenza in Grecia, Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna),(12) sowie eine bisher verschollene erste Version der großartigen Flora von Pietro Tenerani. (13)
Sowohl sein Interesse an der Skulptur als auch der Respekt, den er in Rom genossen haben muss, wurden schon 1831 durch die Widmung eines Bandes, das die Werke von Bertel Thorvaldsen zeigte, bestätigt. (14) Ein weiterer Beweis für seine Liebe zur Kunst war sein Projekt vom Jahr 1837, mit einer Ausstellung in Rom den Geburtstag des österreichischen Kaisers zu feiern.
Das vorliegende Gemälde spiegelt die weit verbreitete internationale Mode für venezianische Themen wider, die auch in der Literatur und auf der Bühne, vor allem in Melodramen, präsent war. Es muss eines der bedeutendsten Werke der Sammlung Lützow gewesen und für das emotionale Engagement und das hervorragende technische Können, mit dem die Szene dargestellt wird, besonders geschätzt worden sein. Der entscheidende Faktor für die dramatischen Effekte und die angespannte Atmosphäre ist die Qualität der Maltechnik, die hier auf der Farbvielfalt basiert. Sie war von den venezianischen alten Meistern des 16. Jahrhunderts, insbesondere von Veronese, inspiriert und zeigt sich im Licht, das im Hintergrund des Gemäldes durch das verbleite gotische Drillingsfenster eindringt. Der Lichtstrahl beleuchtet die Protagonistin und hat eine große dramatische Wirkung, indem er die reinen Farben ihrer weißen Roben und ihr bleiches Gesicht hervorhebt. Die verschiedenen chromatischen Schattierungen und tonalen Effekte wurden dem Gemälde durch die vielen Glasuren verliehen, mit denen Hayez seine Werke fertigstellte. Wie auch in diesem Gemälde, gab dies seinen Bildern eine magische Note.

Mailand, 11. Februar 2017
Prof. Fernando Mazzocca

(1) F. Mazzocca, Objektbeschreibung in Pinacoteca di Brera. Dipinti dell’Ottocento e del Novecento. Collezioni dell’Accademia e della Pinacoteca, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Electa, 1993, Bd. I, S. 333–335 Nr. 373; F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, Mailand, Federico Motta Editore, 1994, S. 225 Nr. 176.
(2) F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, a. a. O., S. 243 Nr. 208; E. Lissoni, in Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Cariplo e di Intesa Sanpaolo, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Skira, 2011, S. 183–184 Nr. II.17.
(3) Christie’s London. 19th Century European Art including Spanish Paintings. 18. November 2004, S. 64 Nr. 46. Dieses Werk wurde unlängst vom Verfasser ausgestellt und publiziert in: L’Impressionismo di Zandomeneghi, Katalog zur Ausstellung im Palazzo Zabarella, Padua, hrsg. von F. Dini und F. Mazzocca, Venedig, Marsilio, 2016, S. 225.
(4) Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1832, Mailand 1832, S. 74–75.
(5) Das Werk, welches als verschollen galt und durch einen Stich belegt ist (Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1833, Mailand 1833, S. 70–72), ist in jüngster Zeit in einer Privatsammlung wieder aufgetaucht.
(6) Das Werk wird im Elenco (Verzeichnis) der Mailänder Biblioteca Nazionale Braidense unter dem Titel „Quadri storici ed allegorici, n. 78“ (Historische und allegorische Gemälde, Nr. 78) angeführt. Erwähnt wird es darüber hinaus von G. Carotti in seinem Nachwort zu F. Hayez, Le mie memorie, Mailand, Tipografia Bernardoni e Rebeschini, 1890, S. 278.
(7) Album. Esposizione di Belle Arti in Milano, Mailand 1845, S. 19–26.
(8) In Kunstschätze Wien, Triest 1851, S. 5, 11.
(9) T. von Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, Wien, G. Müller, 1913, S. 104–105.
(10) C. von Würzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 16 Bände / Theil Kaiserlich-Königliche Hof und Staatsdruckerei, Wien 1867, S. 148–150.
(11) Dieses kleinformatige Gemälde wurde 1970 bei der Galleria Manzoni, Mailand, versteigert.
(12) Garibaldi. Arte e Storia. Arte, Katalog der Ausstellung im Museo Nazionale del Palazzo di Venezia, Rom, hrsg. von S. Pinto, Florenz, Centro Di, 1982, S. 81–82.
(13) S. Grandesso, Pietro Tenerani (1789 – 1869), Cinisello Balsamo (Mailand), Silvana Editoriale, 2003, S. 136.
(14) Intera collezione di tutte le opere inventate e scolpite dal cav. Alberto Torvaldsen. Incisa a contorni con illustrazioni del chiarissimo abate Missirini. Dedicata a sua Eccellenza Rodolfo conte di Lützow, nella tipografia di Pietro Aurelj, Rom, 1831.

Expertin: Mag. Dimitra Reimüller Mag. Dimitra Reimüller
+43-1-515 60-355

19c.paintings@dorotheum.at

27.04.2017 - 18:00

Schätzwert:
EUR 90.000,- bis EUR 120.000,-

Francesco Hayez


(Venedig 1791–1881 Mailand)
Valenza Gradenigo vor den Inquisitoren, um 1845, Öl auf Leinwand, 104 x 139,5 cm, gerahmt, (Rei)

Provenienz:
Sammlung der Grafen von Lützow (laut Katalog Christie’s Amsterdam);
Privatbesitz Deutschland.

Vergleiche:
A. R. Perger, Die Kunstschätze Wiens in Stahlstich, Hrsg. von der Österreichischen Lloyd in Triest 1854, S. 247, S. 261–265;
Elenco ms, s. d., Quadri storici ed allegorici, Carotti 1890, Bd. I, S. 278; Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo, Federico della Motta Editore, Mailand 1994, S. 293, Nr. 281 (mit falscher Provenienz).

Verzeichnet in:
Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo ragionato, Federico della Motta Editore, Milano 1994, S. 225, Nr. 176; S. 293, Nr. 280.

Gutachten von Prof. Fernando Mazzocca, Februar 2017, vorhanden.

Wir danken Prof. Fernando Mazzocca für die wissenschaftliche Unterstützung.

Dieses bisher unbekannte Gemälde ist angesichts seiner hohen Qualität, seiner illustren Provenienz und seines historischen Interesses eine wichtige Ergänzung des Oeuvres des Francesco Hayez. Die vorliegende, bis heute unauffindbare Version zeigt ein venezianisches Thema, das dem Herzen des Künstlers sehr nahe stand. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er diese Materie insgesamt viermal in verschiedenen Formaten, Techniken und Kompositionen aufgegriffen hat. Die erste Version wurde für die Sammlung des Buchhalters Antonio Patrizio, Verwalter und Freund der Familie von Alessandro Manzoni und dessen zweite Frau Teresa Stampa angefertigt. Das Gemälde (Öl auf Holz, 40 x 59 cm) war auf der jährlichen Ausstellung der Akademie von Brera im Jahre 1832 unter dem Titel Valenza Gradenigo vor ihrem Vater dem Inquisitor (Valenza Gradenigo al cospetto dell’inquisitore suo padre) ausgestellt und gelangte dann irgendwann in die Sammlung von Manzonis Stiefsohn Stefano Stampa. Später ging es in die Sammlung der Akademie von Brera und wurde in der Villa Carlotta, Tremezzo, aufbewahrt, wo es auch heute noch ausgestellt ist. (1)
Die zweite Version wurde ebenfalls in Brera ausgestellt und zwar im Jahre 1835, nachdem sie von dem berühmten Schriftsteller Andrea Maffei, der ein Freund und ikonographischer Berater des Malers war, als Geschenk für seine Frau Clara beauftragt worden war. Diese kultivierte Adlige, die eine Freundin Verdis, sowie auch von vielen anderen Künstlern und Intellektuellen war, hängte das Gemälde in bester Position in ihren berühmten und beliebten Mailänder Salon. Dieses Gemälde (Öl auf Leinwand, 96 x 115,5 cm) wurde von der Cariplo-Stiftung (Fondazione Cariplo) erworben und ist derzeit in der Gallerie d’Italia in Mailand zu sehen.(2)
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen diesen ersten beiden Gemälden, so sind schon die angewandte Technik und die Dimensionen verschieden. Hayez wechselte von Holz auf Leinwand und verdoppelte praktisch die Größe des Gemäldes. Die Komposition besteht bei beiden Gemälden aus vier Figuren, aber während in der ersten Version der Vater und die beiden anderen Inquisitoren im Hintergrund sind und eine ohnmächtige Valenza Gradenigo, die von einer anderen Figur gestützt wird, im Vordergrund steht, so ist im zweiten Bild die Gestalt des Vaters in herausragender Stellung im Vordergrund und im Zentrum der Szene platziert, was dem Gemälde eine zusätzliche Lebhaftigkeit und Dramatik verleiht. Der Vater wird so zum Drehpunkt des Gemäldes, während die beiden anderen Inquisitoren – ebenfalls in roten Roben gehüllt – hinter ihm sitzen. Die Protagonistin und ihr Retter erscheinen stattdessen rechts, so dass sie von dem Lichtstrahl getroffen werden, der wie ein Scheinwerfer durch das offene Fenster dringt, das teilweise von einem Karminvorhang bedeckt ist.
Die vorliegende Version, welche die dritte sein dürfte und eine weitere, entweder zeitgenössische oder etwas spätere Version, die im Jahr 2004 bei Christie’s erschien (Öl auf Leinwand, 95,3 x 125,1 cm) sind wieder anders als ihre Vorgänger.(3) Beide sind Öl auf Leinwand und etwas größer als die Maffei-Version und stellen, vor allem durch das Einfügen von zwei weiteren Figuren, eine komplexere Szene dar.
Der Vater steht nicht mehr im Vordergrund, bleibt aber doch weiterhin im Zentrum der Komposition, während die beiden anderen Inquisitoren nun im Vordergrund auf der linken Seite sitzen. Die Gruppe mit der unbewussten ohnmächtigen Valenza Gradenigo und ihrem Retter, jetzt nicht mehr ein alter sondern ein junger Mann, steht im Vordergrund rechts. In diesen komplexeren Kompositionen erscheinen nun zwei weitere Charaktere: ein junger Page hinter den beiden Inquisitoren und ein älterer Schreiber, der über einen Schreibtisch im Hintergrund gebeugt ist. Licht durchflutet den Raum nun durch verbleite dreibogige gotische Fenster mit Butzenscheiben, welche die Umgebung venezianischer anmuten lassen.
Die Abweichungen zwischen den beiden letzteren Versionen sind im Vergleich zu den großen Unterschieden zwischen den ersten beiden eher gering. Sie liegen nunmehr in den Details, ganz so als ob der Künstler an dieser Stelle die endgültige und ihn zufriedenstellende Lösung gefunden hatte. Der wichtigste Unterschied ist die Beifügung eines karminroten Tuches, das in unserer Version eine kleine Holzbank in der linken Ecke bedeckt. Die perforierten Bögen des gotischen Drillingsfensters sind in der späteren Fassung an einem hohen Punkt abgeschnitten, aber in der vorliegenden Version komplett sichtbar. Der Künstler erweiterte außerdem den Raum zwischen den beiden sitzenden Inquisitoren und der linken Seite des Gemäldes. Der Vorhang, der in der späteren Version gelb ist, hat hier eine dunklere Farbe und erinnert so an einen Trauerschleier der dieser Szene eine größere emotionale Intensität verleiht.
Die Kleider der Figuren ähneln einander in Farbe und Stil in beiden Fassungen, obwohl sie anders gemalt wurden, wenn auch mit der gleichen meisterhaften Hand. In der späteren Version ist der Rosenkranz, der von Valenzas Gürtel hängt, von besonderer Bedeutung. Im gegenwärtigen Werk fehlt dieser. Dies mögen keine deutlichen Unterschiede sein, aber sie sind dennoch wesentlich genug, um den beiden gleichermaßen gelungenen Gemälden jeweils eine andere Farbwirkung und Originalität zu verleihen.
Das Sujet, das hier viermal wiederholt wurde, muss dem Maler besonders zugesagt haben, der laut der zeitgenössischen Presse zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Version „von dem französischen Roman Foscarini ou le patricien de Venise inspiriert war; als Gegenstand Hayez' unermüdlichen Pinsels, wurde er das Thema eines kleinen aber ausdrucksstarken Gemäldes.“ (4) Die dramatische Geschichte der venezianischen Adligen Valenza Gradenigo, die aus Liebe zu dem in der venezianischen Republik unpopulären Antonio Foscarini vor der Staatsinquisition erscheinen muss, ist also eine fiktive Ergänzung der historischen Darstellung des Lebens Foscarinis. In der romanhaften Fiktion ist ihr Vater, der ihrer weiblichen Leidenschaft unflexibel und verurteilend gegenübersteht, unter den Richtern der Staatsinquisition der Republik Venedig. Der venezianische Senator Foscarini wurde im Jahre 1662 wegen Verdacht auf Verrat hingerichtet und wurde zum heroischen Protagonisten einer nach ihm benannten Tragödie von Giovanni Battista Niccolini, die 1827 in Florenz erschien. Das ist aber vermutlich nicht die Quelle, sondern nur eine der Anregungen zu diesem Gemälde, und einem weiteren, das Foscarini zeigt wie er sich weigert, die blonde Valenza Gradenigo zu heiraten (Foscarini che ricusa di sposare Valenza Gradenigo il giorno delle nozze perché la trova bionda di capelli). Dieses Werk wurde im Jahre 1833 in der Brera ausgestellt. (5)
Die Version die im Jahr 2004 bei Christie’s verkauft wurde, war im Auktionskatalog fälschlicherweise als Teil der Sammlung Lützow aufgeführt. Es war zuvor 1919–1920 im Dorotheum in Wien verkauft worden und ging damit in die Sammlung Franz Kromer über. In Wirklichkeit wurde dieses Werk von Hayez in seinem eigenen Inventar aufgeführt, das von einem nicht genannten „Wiener Geschäftsmann“ („negoziante di Vienna“) erworben wurde.(6) Es wurde von Domenico Gandini als Stich reproduziert und war in dessen Album aus dem Jahr 1845 von einer positiven Kritik des Cesare Cantù begleitet.(7) Im Jahre 1851 wurde es ausgestellt und wieder einmal reproduziert.(8) Die Arbeit wurde 1913 von Theodor von Frimmel nochmals erwähnt, laut dessen es der Familie von Beroldingen gehörte. (9)
Tatsächlich ist es das vorliegende Gemälde, das 2011 bei Christie’s in Amsterdam mit der falschen Zuschreibung „Deutsche Schule des 19. Jahrhunderts“ verkauft wurde, welches als Stück aus der berühmten Sammlung Lützow identifiziert werden kann. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass ein Gemälde von Adolf Senff, das ebenfalls zu dieser Sammlung gehörte und 2011 verkauft wurde, den gleichen Rahmen hat wie das vorliegende Werk.
Rudolf von Lützow (Salzburg 1780 – Monza 1858) (10) war der Sohn des Generals Johann Gottfried und hatte eine brillante diplomatische Karriere, zuerst als Internuncio in Konstantinopel und dann als österreichischer Gesandter beim Heiligen Stuhl in Rom, wo er seinen Onkel, Staatskanzler Fürst Metternich, repräsentierte. Er trat außerdem als anspruchsvoller Kunstkenner und Sammler in die Fußstapfen seines Großvaters. Neben dem aktuellen Gemälde erwarb er auch ein weiteres Werk von Hayez, Der Tod von Giselda, 1844, das eine Episode aus dem Gedicht Die Langobarden im ersten Kreuzzug von Tommaso Grossi darstellt. (11) Unter den anderen Werken in der Sammlung befindet sich auch ein wichtiges Gemälde von Filippo Agricola, das eine Episode aus dem griechischen Unabhängigkeitskrieg zeigt (Episodio della guerra d’Indipendenza in Grecia, Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna),(12) sowie eine bisher verschollene erste Version der großartigen Flora von Pietro Tenerani. (13)
Sowohl sein Interesse an der Skulptur als auch der Respekt, den er in Rom genossen haben muss, wurden schon 1831 durch die Widmung eines Bandes, das die Werke von Bertel Thorvaldsen zeigte, bestätigt. (14) Ein weiterer Beweis für seine Liebe zur Kunst war sein Projekt vom Jahr 1837, mit einer Ausstellung in Rom den Geburtstag des österreichischen Kaisers zu feiern.
Das vorliegende Gemälde spiegelt die weit verbreitete internationale Mode für venezianische Themen wider, die auch in der Literatur und auf der Bühne, vor allem in Melodramen, präsent war. Es muss eines der bedeutendsten Werke der Sammlung Lützow gewesen und für das emotionale Engagement und das hervorragende technische Können, mit dem die Szene dargestellt wird, besonders geschätzt worden sein. Der entscheidende Faktor für die dramatischen Effekte und die spannungsgeladene Atmosphäre ist die Qualität der Maltechnik, die hier auf einer reichen Farbpalette basiert. Sie war von den venezianischen alten Meistern des 16. Jahrhunderts, insbesondere von Veronese, inspiriert und zeigt sich im Licht, das im Hintergrund des Gemäldes durch das verbleite dreibogige gotische Fenster mit Butzenscheiben eindringt. Der Lichtstrahl beleuchtet die Protagonistin und hat eine große dramatische Wirkung, indem er die reinen Farben ihres weißen Gewandes und ihr bleiches Gesicht hervorhebt. Die verschiedenen chromatischen Schattierungen wurden dem Gemälde durch die zahlreiche Lasuren verliehen, mit denen Hayez seine Werke fertigstellte. Wie auch in diesem Gemälde, gab dies seinen Bildern eine magische Note.

Mailand, 11. Februar 2017
Prof. Fernando Mazzocca

(1) F. Mazzocca, Objektbeschreibung in Pinacoteca di Brera. Dipinti dell’Ottocento e del Novecento. Collezioni dell’Accademia e della Pinacoteca, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Electa, 1993, Bd. I, S. 333–335 Nr. 373; F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, Mailand, Federico Motta Editore, 1994, S. 225 Nr. 176.
(2) F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, a. a. O., S. 243 Nr. 208; E. Lissoni, in Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Cariplo e di Intesa Sanpaolo, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Skira, 2011, S. 183–184 Nr. II.17.
(3) Christie’s London. 19th Century European Art including Spanish Paintings. 18. November 2004, S. 64 Nr. 46. Dieses Werk wurde unlängst vom Verfasser ausgestellt und publiziert in: L’Impressionismo di Zandomeneghi, Katalog zur Ausstellung im Palazzo Zabarella, Padua, hrsg. von F. Dini und F. Mazzocca, Venedig, Marsilio, 2016, S. 225.
(4) Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1832, Mailand 1832, S. 74–75.
(5) Das Werk, welches als verschollen galt und durch einen Stich belegt ist (Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1833, Mailand 1833, S. 70–72), ist in jüngster Zeit in einer Privatsammlung wieder aufgetaucht.
(6) Das Werk wird im Elenco (Verzeichnis) der Mailänder Biblioteca Nazionale Braidense unter dem Titel „Quadri storici ed allegorici, n. 78“ (Historische und allegorische Gemälde, Nr. 78) angeführt. Erwähnt wird es darüber hinaus von G. Carotti in seinem Nachwort zu F. Hayez, Le mie memorie, Mailand, Tipografia Bernardoni e Rebeschini, 1890, S. 278.
(7) Album. Esposizione di Belle Arti in Milano, Mailand 1845, S. 19–26.
(8) In Kunstschätze Wien, Triest 1851, S. 5, 11.
(9) T. von Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, Wien, G. Müller, 1913, S. 104–105.
(10) C. von Würzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 16 Bände / Theil Kaiserlich-Königliche Hof und Staatsdruckerei, Wien 1867, S. 148–150.
(11) Dieses kleinformatige Gemälde wurde 1970 bei der Galleria Manzoni, Mailand, versteigert.
(12) Garibaldi. Arte e Storia. Arte, Katalog der Ausstellung im Museo Nazionale del Palazzo di Venezia, Rom, hrsg. von S. Pinto, Florenz, Centro Di, 1982, S. 81–82.
(13) S. Grandesso, Pietro Tenerani (1789 – 1869), Cinisello Balsamo (Mailand), Silvana Editoriale, 2003, S. 136.
(14) Intera collezione di tutte le opere inventate e scolpite dal cav. Alberto Torvaldsen. Incisa a contorni con illustrazioni del chiarissimo abate Missirini. Dedicata a sua Eccellenza Rodolfo conte di Lützow, nella tipografia di Pietro Aurelj, Rom, 1831.

Provenienz:
Sammlung der Grafen von Lützow (laut Katalog Christie’s Amsterdam);
Privatbesitz Deutschland.

Verzeichnet in:
A. R. Perger, Die Kunstschätze Wiens in Stahlstich, Hrsg. von der Österreichischen Lloyd in Triest 1854, S. 247, S. 261–265;
Elenco ms, s. d., Quadri storici ed allegorici, Carotti 1890, Bd. I, S. 278; Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo, Federico della Motta Editore, Mailand 1994, S. 293, Nr. 281 (mit falscher Provenienz).

Vergleiche: Fernando Mazzocca, Francesco Hayez, catalogo ragionato, Federico della Motta Editore, Milano 1994, S. 225, Nr. 176; S. 243, Nr. 280.

Gutachten von Prof. Fernando Mazzocca, Februar 2017, vorhanden.

Wir danken Prof. Fernando Mazzocca für die wissenschaftliche Unterstützung.

Dieses bisher unbekannte Gemälde ist angesichts seiner hohen Qualität, seiner illustren Provenienz und seines historischen Interesses eine wichtige Ergänzung des Oeuvres des Francesco Hayez. Die vorliegende, bis heute unauffindbare Version zeigt ein venezianisches Thema, das dem Herzen des Künstlers sehr nahe stand. Das ist vielleicht auch der Grund, warum er diese Materie insgesamt viermal in verschiedenen Formaten, Techniken und Kompositionen aufgegriffen hat. Die erste Version wurde für die Sammlung des Buchhalters Antonio Patrizio, Verwalter und Freund der Familie von Alessandro Manzoni und dessen zweite Frau Teresa Stampa angefertigt. Das Gemälde (Öl auf Holz, 40 x 59 cm) war auf der jährlichen Ausstellung der Akademie von Brera im Jahre 1832 unter dem Titel Valenza Gradenigo vor ihrem Vater dem Inquisitor (Valenza Gradenigo al cospetto dell’inquisitore suo padre) ausgestellt und gelangte dann irgendwann in die Sammlung von Manzonis Stiefsohn Stefano Stampa. Später ging es in die Sammlung der Akademie von Brera und wurde in der Villa Carlotta, Tremezzo, aufbewahrt, wo es auch heute noch ausgestellt ist. (1)
Die zweite Version wurde ebenfalls in Brera ausgestellt und zwar im Jahre 1835, nachdem sie von dem berühmten Schriftsteller Andrea Maffei, der ein Freund und ikonographischer Berater des Malers war, als Geschenk für seine Frau Clara beauftragt worden war. Diese kultivierte Adlige, die eine Freundin Verdis, sowie auch von vielen anderen Künstlern und Intellektuellen war, hängte das Gemälde in bester Position in ihren berühmten und beliebten Mailänder Salon. Dieses Gemälde (Öl auf Leinwand, 96 x 115,5 cm) wurde von der Cariplo-Stiftung (Fondazione Cariplo) erworben und ist derzeit in der Gallerie d’Italia in Mailand zu sehen.(2)
Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen diesen ersten beiden Gemälden, so sind schon die angewandte Technik und die Dimensionen verschieden. Hayez wechselte von Holz auf Leinwand und verdoppelte praktisch die Größe des Gemäldes. Die Komposition besteht bei beiden Gemälden aus vier Figuren, aber während in der ersten Version der Vater und die beiden anderen Inquisitoren im Hintergrund sind und eine unbewusste Valenza Gradenigo, die von einer anderen Figur gestützt wird, im Vordergrund steht, so ist im zweiten Bild die Gestalt des Vaters in herausragender Stellung im Vordergrund und im Zentrum der Szene platziert, was dem Gemälde eine zusätzliche Lebhaftigkeit und Dramatik verleiht. Der Vater wird so zum Drehpunkt des Gemäldes, während die beiden anderen Inquisitoren – ebenfalls in roten Roben gehüllt – hinter ihm sitzen. Die Protagonistin und ihr Retter erscheinen stattdessen rechts, so dass sie von dem Lichtstrahl getroffen werden, der wie ein Scheinwerfer durch das offene Fenster dringt, das teilweise von einem Karminvorhang bedeckt ist.
Die vorliegende Version, welche die dritte sein dürfte und eine weitere, entweder zeitgenössische oder etwas spätere Version, die im Jahr 2004 bei Christie’s erschien (Öl auf Leinwand, 95,3 x 125,1 cm) sind wieder anders als ihre Vorgänger. (3) Beide sind Öl auf Leinwand und etwas größer als die Maffei-Version und stellen, vor allem durch das Einfügen von zwei weiteren Figuren, eine komplexere Szene dar.
Der Vater steht nicht mehr im Vordergrund, bleibt aber doch weiterhin im Zentrum der Komposition, während die beiden anderen Inquisitoren nun im Vordergrund auf der linken Seite sitzen. Die Gruppe mit der unbewussten Valenza Gradenigo und ihrem Retter, jetzt nicht mehr ein alter sondern ein junger Mann, steht im Vordergrund rechts. In diesen komplexeren Kompositionen erscheinen nun zwei weitere Charaktere: ein junger Page hinter den beiden Inquisitoren und ein älterer Schreiber, der über einen Schreibtisch im Hintergrund gebeugt ist. Licht durchflutet den Raum nun durch verbleite gotische Drillingsfenster, welche die Umgebung venezianischer anmuten lassen.
Die Abweichungen zwischen den beiden letzteren Versionen sind im Vergleich zu den großen Unterschieden zwischen den ersten beiden eher gering. Sie liegen nunmehr in den Details, ganz so als ob der Künstler an dieser Stelle die endgültige und ihn zufriedenstellende Lösung gefunden hatte. Der wichtigste Unterschied ist die Beifügung eines karminroten Tuches, das in unserer Version eine kleine Holzbank in der linken Ecke bedeckt. Die perforierten Bögen des gotischen Drillingsfensters sind in der späteren Fassung an einem hohen Punkt abgeschnitten, aber in der vorliegenden Version komplett sichtbar. Der Künstler erweiterte außerdem den Raum zwischen den beiden sitzenden Inquisitoren und der linken Seite des Gemäldes. Der Vorhang, der in der späteren Version gelb ist, hat hier eine dunklere Farbe und erinnert so an einen Trauerschleier der dieser Szene eine größere emotionale Intensität verleiht.
Die Kleider der Figuren ähneln einander in Farbe und Stil in beiden Fassungen, obwohl sie anders gemalt wurden, wenn auch mit der gleichen meisterhaften Hand. In der späteren Version ist der Rosenkranz, der von Valenzas Gürtel hängt, von besonderer Bedeutung. Im gegenwärtigen Werk fehlt dieser. Dies mögen keine deutlichen Unterschiede sein, aber sie sind dennoch wesentlich genug, um den beiden gleichermaßen gelungenen Gemälden jeweils eine andere Tonalität und Originalität zu verleihen.
Das Sujet, das hier viermal wiederholt wurde, muss dem Maler besonders zugesagt haben, der laut der zeitgenössischen Presse zum Zeitpunkt der Entstehung der ersten Version „von dem französischen Roman Foscarini ou le patricién de Venise inspiriert war; als Gegenstand Hayez' unermüdlichen Pinsels, wurde er das Thema eines kleinen aber ausdrucksstarken Gemäldes.“ (4) Die dramatische Geschichte der venezianischen Adligen Valenza Gradenigo, die aus Liebe zu dem in der venezianischen Republik unpopulären Antonio Foscarini vor der Staatsinquisition erscheinen muss, ist also eine fiktive Ergänzung der historischen Darstellung des Lebens Foscarinis. In der romanhaften Fiktion ist ihr Vater, der ihrer weiblichen Leidenschaft unflexibel und verurteilend gegenübersteht, unter den Richtern des Inquisitoriums.
Der venezianische Senator Foscarini wurde im Jahre 1662 wegen Verdacht auf Verrat hingerichtet und wurde zum heroischen Protagonisten einer nach ihm benannten Tragödie von Giovanni Battista Niccolini, die 1827 in Florenz erschien. Das ist aber vermutlich nicht die Quelle, sondern nur eine der Inspirationen hinter diesem Gemälde, und einem weiteren, das Foscarini zeigt wie er sich weigert, die blonde Valenza Gradenigo zu heiraten (Foscarini che ricusa di sposare Valenza Gradenigo il giorno delle nozze perché la trova bionda di capelli). Dieses Werk wurde im Jahre 1833 in Brera ausgestellt. (5)
Die Version die im Jahr 2004 bei Christie’s verkauft wurde, war im Auktionskatalog fälschlicherweise als Teil der Sammlung Lützow aufgeführt. Es war zuvor 1919–1920 im Dorotheum in Wien verkauft worden und ging damit in die Sammlung Franz Kromer über. In Wirklichkeit wurde dieses Werk von Hayez in seinem eigenen Inventar aufgeführt, das von einem nicht genannten „Wiener Geschäftsmann“ („negoziante di Vienna“) erworben wurde.(6) Es wurde von Domenico Gandini als Stich reproduziert und war in dessen Album aus dem Jahr 1845 von einer positiven Kritik des Cesare Cantù begleitet.(7) Im Jahre 1851 wurde es ausgestellt und wieder einmal reproduziert.(8) Die Arbeit wurde 1913 von Theodor von Frimmel nochmals erwähnt, laut dessen es der Familie von Beroldingen gehörte. (9)
In der Tat ist es das vorliegende Gemälde, das 2013 bei Christie’s in Amsterdam mit der falschen Zuschreibung „Deutsche Schule des 19. Jahrhunderts“ verkauft wurde, welches als Stück aus der berühmten Sammlung Lützow identifiziert werden kann. Dies wird auch durch die Tatsache bestätigt, dass ein Gemälde von Adolf Senff, das zu eben dieser Sammlung gehörte und 2011 verkauft wurde, den gleichen Rahmen hat wie das vorliegende Werk.
Rudolf von Lützow (Salzburg 1780 – Monza 1858) (10) war der Sohn des Generals Johann Gottfried und hatte eine brillante diplomatische Karriere, zuerst als Internuncio in Konstantinopel und dann als österreichischer Gesandter beim Heiligen Stuhl in Rom, wo er seinen Onkel, Staatskanzler Fürst Metternich, repräsentierte. Er folgte außerdem als anspruchsvoller Kunstkenner und Sammler in die Fußstapfen seines Großvaters. Neben dem aktuellen Gemälde erwarb er auch ein weiteres Werk von Hayez, Der Tod von Giselda, 1844, das eine Episode aus dem Gedicht Die Langobarden im ersten Kreuzzug von Tommaso Grossi darstellt. (11) Unter den anderen Werken in der Sammlung befindet sich auch ein wichtiges Gemälde von Filippo Agricola, das eine Episode aus dem griechischen Unabhängigkeitskrieg zeigt (Episodio della guerra d’Indipendenza in Grecia, Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna),(12) sowie eine bisher verschollene erste Version der großartigen Flora von Pietro Tenerani. (13)
Sowohl sein Interesse an der Skulptur als auch der Respekt, den er in Rom genossen haben muss, wurden schon 1831 durch die Widmung eines Bandes, das die Werke von Bertel Thorvaldsen zeigte, bestätigt. (14) Ein weiterer Beweis für seine Liebe zur Kunst war sein Projekt vom Jahr 1837, mit einer Ausstellung in Rom den Geburtstag des österreichischen Kaisers zu feiern.
Das vorliegende Gemälde spiegelt die weit verbreitete internationale Mode für venezianische Themen wider, die auch in der Literatur und auf der Bühne, vor allem in Melodramen, präsent war. Es muss eines der bedeutendsten Werke der Sammlung Lützow gewesen und für das emotionale Engagement und das hervorragende technische Können, mit dem die Szene dargestellt wird, besonders geschätzt worden sein. Der entscheidende Faktor für die dramatischen Effekte und die angespannte Atmosphäre ist die Qualität der Maltechnik, die hier auf der Farbvielfalt basiert. Sie war von den venezianischen alten Meistern des 16. Jahrhunderts, insbesondere von Veronese, inspiriert und zeigt sich im Licht, das im Hintergrund des Gemäldes durch das verbleite gotische Drillingsfenster eindringt. Der Lichtstrahl beleuchtet die Protagonistin und hat eine große dramatische Wirkung, indem er die reinen Farben ihrer weißen Roben und ihr bleiches Gesicht hervorhebt. Die verschiedenen chromatischen Schattierungen und tonalen Effekte wurden dem Gemälde durch die vielen Glasuren verliehen, mit denen Hayez seine Werke fertigstellte. Wie auch in diesem Gemälde, gab dies seinen Bildern eine magische Note.

Mailand, 11. Februar 2017
Prof. Fernando Mazzocca

(1) F. Mazzocca, Objektbeschreibung in Pinacoteca di Brera. Dipinti dell’Ottocento e del Novecento. Collezioni dell’Accademia e della Pinacoteca, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Electa, 1993, Bd. I, S. 333–335 Nr. 373; F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, Mailand, Federico Motta Editore, 1994, S. 225 Nr. 176.
(2) F. Mazzocca, Francesco Hayez. Catalogo ragionato, a. a. O., S. 243 Nr. 208; E. Lissoni, in Da Canova a Boccioni. Le collezioni della Fondazione Cariplo e di Intesa Sanpaolo, hrsg. von F. Mazzocca, Mailand, Skira, 2011, S. 183–184 Nr. II.17.
(3) Christie’s London. 19th Century European Art including Spanish Paintings. 18. November 2004, S. 64 Nr. 46. Dieses Werk wurde unlängst vom Verfasser ausgestellt und publiziert in: L’Impressionismo di Zandomeneghi, Katalog zur Ausstellung im Palazzo Zabarella, Padua, hrsg. von F. Dini und F. Mazzocca, Venedig, Marsilio, 2016, S. 225.
(4) Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1832, Mailand 1832, S. 74–75.
(5) Das Werk, welches als verschollen galt und durch einen Stich belegt ist (Le glorie dell’arti belle esposte nel Palazzo di Brera l’anno 1833, Mailand 1833, S. 70–72), ist in jüngster Zeit in einer Privatsammlung wieder aufgetaucht.
(6) Das Werk wird im Elenco (Verzeichnis) der Mailänder Biblioteca Nazionale Braidense unter dem Titel „Quadri storici ed allegorici, n. 78“ (Historische und allegorische Gemälde, Nr. 78) angeführt. Erwähnt wird es darüber hinaus von G. Carotti in seinem Nachwort zu F. Hayez, Le mie memorie, Mailand, Tipografia Bernardoni e Rebeschini, 1890, S. 278.
(7) Album. Esposizione di Belle Arti in Milano, Mailand 1845, S. 19–26.
(8) In Kunstschätze Wien, Triest 1851, S. 5, 11.
(9) T. von Frimmel, Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, Wien, G. Müller, 1913, S. 104–105.
(10) C. von Würzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, 16 Bände / Theil Kaiserlich-Königliche Hof und Staatsdruckerei, Wien 1867, S. 148–150.
(11) Dieses kleinformatige Gemälde wurde 1970 bei der Galleria Manzoni, Mailand, versteigert.
(12) Garibaldi. Arte e Storia. Arte, Katalog der Ausstellung im Museo Nazionale del Palazzo di Venezia, Rom, hrsg. von S. Pinto, Florenz, Centro Di, 1982, S. 81–82.
(13) S. Grandesso, Pietro Tenerani (1789 – 1869), Cinisello Balsamo (Mailand), Silvana Editoriale, 2003, S. 136.
(14) Intera collezione di tutte le opere inventate e scolpite dal cav. Alberto Torvaldsen. Incisa a contorni con illustrazioni del chiarissimo abate Missirini. Dedicata a sua Eccellenza Rodolfo conte di Lützow, nella tipografia di Pietro Aurelj, Rom, 1831.

Expertin: Mag. Dimitra Reimüller Mag. Dimitra Reimüller
+43-1-515 60-355

19c.paintings@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Gemälde des 19. Jahrhunderts
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 27.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 27.04.2017

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