Lot Nr. 59


Apollonio di Giovanni


Apollonio di Giovanni - Alte Meister

(Florenz um 1415/17–1465)
Die Schlacht von Pharsalos,
Tempera mit Gold auf Holz, Tafel eines Cassone, 40,5 x 157,2 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Eugène Piot (1812–1890), Paris;
dessen Auktion, Hotel Drouot, Paris, 21.–24. Mai 1890, Lot 553;
erworben von Émile Gavet (1830–1904), Paris;
Sammlung Edward Julius Berwind (1848–1936), Newport, Rhode Island, New York;
dessen Auktion, Parke-Bernet, New York, 9. November 1939, Lot 37;
erworben durch die Acquavella Galleries, New York; vEuropäische Privatsammlung;
im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 553 (als Florentiner Schule, erste Hälfte 15. Jahrhundert);
P. Schubring, Cassoni Truhen und Truhenbilder der italienischen Frührenaissance, Leipzig 1915, Kat. Nr. 113 (als Meister der Anghiari-Schlacht); 
R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 558, 597 (als Meister der Anghiari-Schlacht); 
Valuable Objects of Art of the Gothic, Renaissance, Eighteenth Century from the Collection Formerly by the Late Edward J. Berwind, New York, Parke-Bernet Galleries, 1939, Nr. 27 (als Nachahmer des Meisters der Anghiari-Schlacht);
E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991–1992, S. 35/36, Anm. 17 (als Apollonio di Giovanni)

Die vorliegende Tafel gehörte ursprünglich zu einer aufwendig bemalten Truhe, einem sogenannten Cassone, der ein beliebtes Dekorationsmöbel im Italien der Renaissance war. Truhen, die persönliches Hab und Gut aufnahmen, wurden oft paarweise hergestellt und mit Gemälden und Pastiglia-Ornamenten geschmückt. Als Gegenstand, der zumeist Teil der Mitgift einer Braut war, hatten Cassoni die Funktion, die gesellschaftliche Stellung, den Wohlstand und die Kultiviertheit der Familien der beiden Eheleute darzustellen. Diese Truhen waren zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert in Nord- und Mittelitalien, insbesondere in der Toskana, weit verbreitet. Sie wurden in der Regel von Spezialisten angefertigt, die neben cassoni auch andere verwandte Formen von Malereien für deschi da parto und spalliere schufen.

Apollonio di Giovanni, der Maler der vorliegenden Holztafel, war Mitte des Quattrocento wohl der in Florenz am besten dokumentierte und gefeiertste Vertreter dieser Kunstform. Er war ab den späten 1430er-Jahren bis in die 1460er-Jahre tätig. Urkunden belegen, dass er gemeinsam mit Marco del Buono einer erfolgreichen Werkstatt vorstand, die sich auf die Herstellung dieser bemalten Truhen spezialisiert hatte. Er war mit den zeitgenössischen humanistischen Geistesströmungen vertraut, was seine Vorliebe für bestimmte ikonografische Themen erklären mag (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21 und E. Callmann, Apollonio di Giovanni, Oxford 1974).

Die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Apollonio di Giovanni hat erstmals Ellen Callmann vorgeschlagen (siehe E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991/1992, S. 35/36, Anm. 17). Tatsächlich weisen mehrere stilistische Merkmale auf diesen Maler. Das vorliegende Werk hat große Ähnlichkeit mit anderen Apollonio di Giovanni zugeschriebenen Bildtafeln für cassoni, etwa mit der Schlacht zwischen Athenern und Persern (Xerses’ Einfall in Griechenland) im Allen Memorial Art Museum, Oberlin, Ohio, und mit zwei Tafeln mit Szenen aus der Aeneis in der Yale University Art Gallery, New Haven. Chronologisch kann das Werk der Mitte des 15. Jahrhunderts und damit dem Höhepunkt der Reifezeit des Künstlers zugewiesen werden.

Das Werk wurde einst von Paul Schubring (1915; siehe Literatur) als eine Arbeit des sogenannten Meisters der Anghiari-Schlacht besprochen, jedoch nicht abgebildet. Raimond van Marle (1928; siehe Literatur) ist der von Paul Schubring vorgenommenen Zuschreibung gefolgt und hat die Tafel ebenfalls diesem Meister zugeordnet.

Die vorliegende Tafel befand sich ursprünglich zusammen mit einem Gegenstück, das als Julius Caesar bei der Belagerung einer befestigten Stadt beschrieben wird, in der berühmten Sammlung von Eugène Piot in Paris (siehe Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 554); beide Bilder wurden 1890 von Émile Gavet erworben. Das vorliegende Werk mit der Schlacht von Pharsalos gelangte sodann in die Sammlung Bernwind und wurde 1939 verkauft (siehe Provenienz). Das Gegenstück, dessen Maße identisch sind, ist 2008 wieder auf dem Kunstmarkt aufgetaucht (Sotheby’s, New York, 24. Januar 2008, Lot 33).

Die Malereien, die derartige Truhen schmückten, stellten häufig historische Ereignisse – insbesondere in der Mythologie, in der klassischen Literatur und in mittelalterlichen Erzählungen beschriebene Schlachten – dar, aber auch Allegorien und religiöse Themen. Das Sujet des vorliegenden Paradebeispiels einer Cassone-Tafel ist der klassischen Literatur entnommen: Die hier dargestellte Schlacht von Pharsalos gehört den Schriften Plutarchs an und legt nahe, dass das Werk für eine gebildete Person von hohem gesellschaftlichem Rang bestimmt war, die in der Lage war, die Ikonografie der Darstellung auch zu lesen.

Die Schlacht von Pharsalos wurde im Jahr 48 v. Chr. zwischen Julius Caesar und Pompeius nahe des Flusses Enipeas in Thessalien in Griechenland ausgefochten. Caesars Sieg war entscheidend für die Beendigung des Bürgerkriegs und markierte seinen endgültigen Aufstieg zur Macht. In der Folge entwickelte sich Rom von der Republik zum Reich. Die hier dargestellte Szene zeigt einen weitläufigen Blick auf das Schlachtfeld mit einer befestigten Stadt und einem Kastell im Hintergrund und illustriert die Schlacht an sich sowie daran anschließende Episoden wie die Flucht und den Tod Pompeius’. Julius Caesars Legionen, die sich im Angriff auf die feindliche Armee befinden, sind durch eine Fahne mit dem Reichsadler zu erkennen. Sich penibel an Plutarchs Lebensgeschichte des Pompeius haltend, die auch von dessen Flucht mit seiner Gemahlin Cornelia über das Meer nach Ägypten berichtet, hat der Künstler rechts im Bild zwei Schiffe dargestellt. Auf dem einen ist zu sehen, wie Pompeius vom ägyptischen Feldherrn Achillas (beide in Goldschrift [Chrysographie] bezeichnet) auf Befehl von Pharao Ptolemaios XIII. getötet wird. Auf dem anderen Schiff wird Cornelia (ebenfalls in Goldschrift bezeichnet) Zeugin des Todes ihres Gemahls. Am äußeren rechten Rand der Tafel umringt eine bewaffnete Gruppe Julius Caesar (gleichfalls bezeichnet), dem als Zeichen der Ehrerbietung Pompeius’ Haupt auf einem Pokal dargebracht wird.

Für einen hochrangigen Auftraggeber der Truhe sprechen auch die meisterliche Ausführung durch Apollonio di Giovanni und die großzügige Verwendung von Blattgold zur Hervorhebung der Schmuckelemente auf Kleidern und Waffen: Es findet sich auf Gürteln, bestickten Säumen, Bekrönungen, Federschmuck, Heften, Pferdegeschirr und der Schale mit Pompeius’ Haupt. All das trägt zur höfischen Anmutung der Arbeit bei. Stilistisch zeichnet sich Apollonio di Giovannis Gemälde durch eine glatte, elegante und feine Malweise aus, die ihn zu einem führenden Interpreten der frühen Florentiner Renaissance, welche noch tief von den formalen Errungenschaften spätgotischer Malerei durchdrungen war, machte.

Apollonio di Giovanni hat mit dieser Tafel ein äußerst deskriptives Werk mit dekorativen Ornamenten und Mustern vorgelegt, das ein Interesse am spätgotischen Rittertum nicht leugnen kann. Dessen Welt gehörte Mitte des 15. Jahrhunderts bereits lange der Vergangenheit an und galt als blutrünstig und grausam. Dennoch wurde diese Ära bereits damals als märchenhafte Zeit romantisiert, wie sie beispielsweise auch im Schaffen Pisanellos dargestellt wird.

Kompositorisch scheint die Schlacht von Pharsalos von Paolo Uccellos Triptychon Die Schlacht von San Romano angeregt, die um 1438 entstanden ist (Uffizien, Florenz; Musée du Louvre, Paris; National Gallery, London). Apollonio di Giovanni scheint die aussagekräftigsten stilistischen und bildlichen Elemente aus diesem Triptychon wie die zu Boden gestürtzten Pferde und die Unzahl geschwungener Lanzen übernommen zu haben. Van Marle sieht wohl den Einfluss Paolo Uccellos auf den Meister des vorliegenden Bildes, doch wirft er ein, dass sich Apollonios Technik nicht auf Uccello stützt, sondern bereits einen Schritt voraus ist (siehe R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 562).

Wir danken Alessandro Tomei für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkung

Das Schaffen Apollonio di Giovannis wurde unter unterschiedlichen Namen katalogisiert, doch konnten ihm dank der Auffindung des Auftragsbuchs seiner Werkstatt im Jahr 1902 eine ganze Reihe von Cassoni sicher zugeschrieben werden.

Wolfgang Stechow konnte die Wappen auf dem Cassone in der Sammlung des Allen Art Museum, Oberlin, Ohio, den Familien Ruccellai und Vettori zuordnen. Da im 15. Jahrhundert zwischen diesen beiden Adelsfamilien nur eine Vermählung stattfand (1463 zwischen Caterina Ruccellai und Piero Francesco di Paolo Vettori), schloss Stechow, dass es sich bei dem in Apollonios Auftragsbuch (in dem die Auftraggeber, aber nicht die Sujets der Truhenbilder genannt sind) für diese beiden Familien vermerkten Cassone um jenen in Oberlin handelt. In der Folge ist es ihm gelungen, eine Reihe weiterer Cassoni Apollonio zuzuweisen, die sich zuvor hinter diversen Hilfsnamen wie „Meister der Dido“, „Meister des Vergil“ und „Meister der Javes-Cassoni“ verborgen hatten (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21).

Technische Untersuchung

In einer eingehenden Untersuchung des vorliegenden Gemäldes (mit Infrarotreflektografie, Falschfarben-IR und einer mittels Reflexionsspektroskopie durchgeführten Pigmentanalyse) zeigen sich eine Unterzeichnung in Form weniger Umrisslinien sowie einige kleine Veränderungen (festgestellt mittels IR).

Die im vorliegenden Gemälde angewendete Technik zeichnet sich durch den weitläufigen Einsatz von Blattgold und anderer Blattmetalle aus, die sorgfältig mit Inzisionen, Punktierungen und Lacklasuren verarbeitet wurden, ebenso durch Einschnitte entlang der Ränder zahlreicher Figuren. Eine derartige Verarbeitung von Blattmetallen war unter vielen Cassoni-Malern, darunter auch Paolo Uccello, gängige Praxis.

Unter den zum Einsatz gekommenen Pigmenten wurden in der Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie Indigo, Azurit, kupferbasiertes Grün, Zinnoberrot, Karminlack, Ockertöne und ein bleibasiertes Gelb (vermutlich Bleizinngelb) festgestellt.

Die angewendete Technik weist starke Ähnlichkeiten mit der Malweise Apollonio di Giovannis und seiner Werkstatt sowie anderer in der Toskana tätiger Meistern dieser Periode auf.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.

Provenienz:
Sammlung Eugène Piot (1812–1890), Paris;
dessen Auktion, Hotel Drouot, Paris, 21.–24. Mai 1890, Lot 553;
erworben von Émile Gavet (1830–1904), Paris;
Sammlung Edward Julius Berwind (1848–1936), Newport, Rhode Island, New York;
dessen Auktion, Parke-Bernet, New York, 9. November 1939, Lot 37;
erworben durch die Acquavella Galleries, New York; vEuropäische Privatsammlung;
im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 553 (als Florentiner Schule, erste Hälfte 15. Jahrhundert);
Valuable Objects of Art of the Gothic, Renaissance, Eighteenth Century from the Collection Formerly by the Late Edward J. Berwind, New York, Parke-Bernet Galleries, 1939, Nr. 27 (als Nachahmer des Meisters der Anghiari-Schlacht);
P. Schubring, Cassoni Truhen und Truhenbilder der italienischen Frührenaissance, Leipzig 1915, Kat. Nr. 113 (als Meister der Anghiari-Schlacht);
R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 558, 597 (als Meister der Anghiari-Schlacht);
E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991–1992, S. 35/36, Anm. 17 (als Apollonio di Giovanni)

Die vorliegende Tafel gehörte ursprünglich zu einer aufwendig bemalten Truhe, einem sogenannten Cassone, der ein beliebtes Dekorationsmöbel im Italien der Renaissance war. Truhen, die persönliches Hab und Gut aufnahmen, wurden oft paarweise hergestellt und mit Gemälden und Pastiglia-Ornamenten geschmückt. Als Gegenstand, der zumeist Teil der Mitgift einer Braut war, hatten Cassoni die Funktion, die gesellschaftliche Stellung, den Wohlstand und die Kultiviertheit der Familien der beiden Eheleute darzustellen. Diese Truhen waren zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert in Nord- und Mittelitalien, insbesondere in der Toskana, weit verbreitet. Sie wurden in der Regel von Spezialisten angefertigt, die neben cassoni auch andere verwandte Formen von Malereien für deschi da parto und spalliere schufen.

Apollonio di Giovanni, der Maler der vorliegenden Holztafel, war Mitte des Quattrocento wohl der in Florenz am besten dokumentierte und gefeiertste Vertreter dieser Kunstform. Er war ab den späten 1430er-Jahren bis in die 1460er-Jahre tätig. Urkunden belegen, dass er gemeinsam mit Marco del Buono einer erfolgreichen Werkstatt vorstand, die sich auf die Herstellung dieser bemalten Truhen spezialisiert hatte. Er war mit den zeitgenössischen humanistischen Geistesströmungen vertraut, was seine Vorliebe für bestimmte ikonografische Themen erklären mag (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21 und E. Callmann, Apollonio di Giovanni, Oxford 1974).

Die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Apollonio di Giovanni hat erstmals Ellen Callmann vorgeschlagen (siehe E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991/1992, S. 35/36, Anm. 17). Tatsächlich weisen mehrere stilistische Merkmale auf diesen Maler. Das vorliegende Werk hat große Ähnlichkeit mit anderen Apollonio di Giovanni zugeschriebenen Bildtafeln für cassoni, etwa mit der Schlacht zwischen Athenern und Persern (Xerses’ Einfall in Griechenland) im Allen Memorial Art Museum, Oberlin, Ohio, und mit zwei Tafeln mit Szenen aus der Aeneis in der Yale University Art Gallery, New Haven. Chronologisch kann das Werk der Mitte des 15. Jahrhunderts und damit dem Höhepunkt der Reifezeit des Künstlers zugewiesen werden.

Das Werk wurde einst von Paul Schubring (1915; siehe Literatur) als eine Arbeit des sogenannten Meisters der Anghiari-Schlacht besprochen, jedoch nicht abgebildet. Raimond van Marle (1928; siehe Literatur) ist der von Paul Schubring vorgenommenen Zuschreibung gefolgt und hat die Tafel ebenfalls diesem Meister zugeordnet.

Die vorliegende Tafel befand sich ursprünglich zusammen mit einem Gegenstück, das als Julius Caesar bei der Belagerung einer befestigten Stadt beschrieben wird, in der berühmten Sammlung von Eugène Piot in Paris (siehe Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 554); beide Bilder wurden 1890 von Émile Gavet erworben. Das vorliegende Werk mit der Schlacht von Pharsalos gelangte sodann in die Sammlung Bernwind und wurde 1939 verkauft (siehe Provenienz). Das Gegenstück, dessen Maße identisch sind, ist 2008 wieder auf dem Kunstmarkt aufgetaucht (Sotheby’s, New York, 24. Januar 2008, Lot 33).

Die Malereien, die derartige Truhen schmückten, stellten häufig historische Ereignisse – insbesondere in der Mythologie, in der klassischen Literatur und in mittelalterlichen Erzählungen beschriebene Schlachten – dar, aber auch Allegorien und religiöse Themen. Das Sujet des vorliegenden Paradebeispiels einer Cassone-Tafel ist der klassischen Literatur entnommen: Die hier dargestellte Schlacht von Pharsalos gehört den Schriften Plutarchs an und legt nahe, dass das Werk für eine gebildete Person von hohem gesellschaftlichem Rang bestimmt war, die in der Lage war, die Ikonografie der Darstellung auch zu lesen.

Die Schlacht von Pharsalos wurde im Jahr 48 v. Chr. zwischen Julius Caesar und Pompeius nahe des Flusses Enipeas in Thessalien in Griechenland ausgefochten. Caesars Sieg war entscheidend für die Beendigung des Bürgerkriegs und markierte seinen endgültigen Aufstieg zur Macht. In der Folge entwickelte sich Rom von der Republik zum Reich. Die hier dargestellte Szene zeigt einen weitläufigen Blick auf das Schlachtfeld mit einer befestigten Stadt und einem Kastell im Hintergrund und illustriert die Schlacht an sich sowie daran anschließende Episoden wie die Flucht und den Tod Pompeius’. Julius Caesars Legionen, die sich im Angriff auf die feindliche Armee befinden, sind durch eine Fahne mit dem Reichsadler zu erkennen. Sich penibel an Plutarchs Lebensgeschichte des Pompeius haltend, die auch von dessen Flucht mit seiner Gemahlin Cornelia über das Meer nach Ägypten berichtet, hat der Künstler rechts im Bild zwei Schiffe dargestellt. Auf dem einen ist zu sehen, wie Pompeius vom ägyptischen Feldherrn Achillas (beide in Goldschrift [Chrysographie] bezeichnet) auf Befehl von Pharao Ptolemaios XIII. getötet wird. Auf dem anderen Schiff wird Cornelia (ebenfalls in Goldschrift bezeichnet) Zeugin des Todes ihres Gemahls. Am äußeren rechten Rand der Tafel umringt eine bewaffnete Gruppe Julius Caesar (gleichfalls bezeichnet), dem als Zeichen der Ehrerbietung Pompeius’ Haupt auf einem Pokal dargebracht wird.

Für einen hochrangigen Auftraggeber der Truhe sprechen auch die meisterliche Ausführung durch Apollonio di Giovanni und die großzügige Verwendung von Blattgold zur Hervorhebung der Schmuckelemente auf Kleidern und Waffen: Es findet sich auf Gürteln, bestickten Säumen, Bekrönungen, Federschmuck, Heften, Pferdegeschirr und der Schale mit Pompeius’ Haupt. All das trägt zur höfischen Anmutung der Arbeit bei. Stilistisch zeichnet sich Apollonio di Giovannis Gemälde durch eine glatte, elegante und feine Malweise aus, die ihn zu einem führenden Interpreten der frühen Florentiner Renaissance, welche noch tief von den formalen Errungenschaften spätgotischer Malerei durchdrungen war, machte.

Apollonio di Giovanni hat mit dieser Tafel ein äußerst deskriptives Werk mit dekorativen Ornamenten und Mustern vorgelegt, das ein Interesse am spätgotischen Rittertum nicht leugnen kann. Dessen Welt gehörte Mitte des 15. Jahrhunderts bereits lange der Vergangenheit an und galt als blutrünstig und grausam. Dennoch wurde diese Ära bereits damals als märchenhafte Zeit romantisiert, wie sie beispielsweise auch im Schaffen Pisanellos dargestellt wird.

Kompositorisch scheint die Schlacht von Pharsalos von Paolo Uccellos Triptychon Die Schlacht von San Romano angeregt, die um 1438 entstanden ist (Uffizien, Florenz; Musée du Louvre, Paris; National Gallery, London). Apollonio di Giovanni scheint die aussagekräftigsten stilistischen und bildlichen Elemente aus diesem Triptychon wie die zu Boden gestürtzten Pferde und die Unzahl geschwungener Lanzen übernommen zu haben. Van Marle sieht wohl den Einfluss Paolo Uccellos auf den Meister des vorliegenden Bildes, doch wirft er ein, dass sich Apollonios Technik nicht auf Uccello stützt, sondern bereits einen Schritt voraus ist (siehe R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 562).

Wir danken Alessandro Tomei für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkung

Das Schaffen Apollonio di Giovannis wurde unter unterschiedlichen Namen katalogisiert, doch konnten ihm dank der Auffindung des Auftragsbuchs seiner Werkstatt im Jahr 1902 eine ganze Reihe von Cassoni sicher zugeschrieben werden.

Wolfgang Stechow konnte die Wappen auf dem Cassone in der Sammlung des Allen Art Museum, Oberlin, Ohio, den Familien Ruccellai und Vettori zuordnen. Da im 15. Jahrhundert zwischen diesen beiden Adelsfamilien nur eine Vermählung stattfand (1463 zwischen Caterina Ruccellai und Piero Francesco di Paolo Vettori), schloss Stechow, dass es sich bei dem in Apollonios Auftragsbuch (in dem die Auftraggeber, aber nicht die Sujets der Truhenbilder genannt sind) für diese beiden Familien vermerkten Cassone um jenen in Oberlin handelt. In der Folge ist es ihm gelungen, eine Reihe weiterer Cassoni Apollonio zuzuweisen, die sich zuvor hinter diversen Hilfsnamen wie „Meister der Dido“, „Meister des Vergil“ und „Meister der Javes-Cassoni“ verborgen hatten (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21).

Technische Untersuchung

In einer eingehenden Untersuchung des vorliegenden Gemäldes (mit Infrarotreflektografie, Falschfarben-IR und einer mittels Reflexionsspektroskopie durchgeführten Pigmentanalyse) zeigen sich eine Unterzeichnung in Form weniger Umrisslinien sowie einige kleine Veränderungen (festgestellt mittels IR).

Die im vorliegenden Gemälde angewendete Technik zeichnet sich durch den weitläufigen Einsatz von Blattgold und anderer Blattmetalle aus, die sorgfältig mit Inzisionen, Punktierungen und Lacklasuren verarbeitet wurden, ebenso durch Einschnitte entlang der Ränder zahlreicher Figuren. Eine derartige Verarbeitung von Blattmetallen war unter vielen Cassoni-Malern, darunter auch Paolo Uccello, gängige Praxis.

Unter den zum Einsatz gekommenen Pigmenten wurden in der Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie Indigo, Azurit, kupferbasiertes Grün, Zinnoberrot, Karminlack, Ockertöne und ein bleibasiertes Gelb (vermutlich Bleizinngelb) festgestellt.

Die angewendete Technik weist starke Ähnlichkeiten mit der Malweise Apollonio di Giovannis und seiner Werkstatt sowie anderer in der Toskana tätiger Meistern dieser Periode auf.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.

25.04.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 674.000,-
Schätzwert:
EUR 400.000,- bis EUR 600.000,-

Apollonio di Giovanni


(Florenz um 1415/17–1465)
Die Schlacht von Pharsalos,
Tempera mit Gold auf Holz, Tafel eines Cassone, 40,5 x 157,2 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Eugène Piot (1812–1890), Paris;
dessen Auktion, Hotel Drouot, Paris, 21.–24. Mai 1890, Lot 553;
erworben von Émile Gavet (1830–1904), Paris;
Sammlung Edward Julius Berwind (1848–1936), Newport, Rhode Island, New York;
dessen Auktion, Parke-Bernet, New York, 9. November 1939, Lot 37;
erworben durch die Acquavella Galleries, New York; vEuropäische Privatsammlung;
im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 553 (als Florentiner Schule, erste Hälfte 15. Jahrhundert);
P. Schubring, Cassoni Truhen und Truhenbilder der italienischen Frührenaissance, Leipzig 1915, Kat. Nr. 113 (als Meister der Anghiari-Schlacht); 
R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 558, 597 (als Meister der Anghiari-Schlacht); 
Valuable Objects of Art of the Gothic, Renaissance, Eighteenth Century from the Collection Formerly by the Late Edward J. Berwind, New York, Parke-Bernet Galleries, 1939, Nr. 27 (als Nachahmer des Meisters der Anghiari-Schlacht);
E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991–1992, S. 35/36, Anm. 17 (als Apollonio di Giovanni)

Die vorliegende Tafel gehörte ursprünglich zu einer aufwendig bemalten Truhe, einem sogenannten Cassone, der ein beliebtes Dekorationsmöbel im Italien der Renaissance war. Truhen, die persönliches Hab und Gut aufnahmen, wurden oft paarweise hergestellt und mit Gemälden und Pastiglia-Ornamenten geschmückt. Als Gegenstand, der zumeist Teil der Mitgift einer Braut war, hatten Cassoni die Funktion, die gesellschaftliche Stellung, den Wohlstand und die Kultiviertheit der Familien der beiden Eheleute darzustellen. Diese Truhen waren zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert in Nord- und Mittelitalien, insbesondere in der Toskana, weit verbreitet. Sie wurden in der Regel von Spezialisten angefertigt, die neben cassoni auch andere verwandte Formen von Malereien für deschi da parto und spalliere schufen.

Apollonio di Giovanni, der Maler der vorliegenden Holztafel, war Mitte des Quattrocento wohl der in Florenz am besten dokumentierte und gefeiertste Vertreter dieser Kunstform. Er war ab den späten 1430er-Jahren bis in die 1460er-Jahre tätig. Urkunden belegen, dass er gemeinsam mit Marco del Buono einer erfolgreichen Werkstatt vorstand, die sich auf die Herstellung dieser bemalten Truhen spezialisiert hatte. Er war mit den zeitgenössischen humanistischen Geistesströmungen vertraut, was seine Vorliebe für bestimmte ikonografische Themen erklären mag (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21 und E. Callmann, Apollonio di Giovanni, Oxford 1974).

Die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Apollonio di Giovanni hat erstmals Ellen Callmann vorgeschlagen (siehe E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991/1992, S. 35/36, Anm. 17). Tatsächlich weisen mehrere stilistische Merkmale auf diesen Maler. Das vorliegende Werk hat große Ähnlichkeit mit anderen Apollonio di Giovanni zugeschriebenen Bildtafeln für cassoni, etwa mit der Schlacht zwischen Athenern und Persern (Xerses’ Einfall in Griechenland) im Allen Memorial Art Museum, Oberlin, Ohio, und mit zwei Tafeln mit Szenen aus der Aeneis in der Yale University Art Gallery, New Haven. Chronologisch kann das Werk der Mitte des 15. Jahrhunderts und damit dem Höhepunkt der Reifezeit des Künstlers zugewiesen werden.

Das Werk wurde einst von Paul Schubring (1915; siehe Literatur) als eine Arbeit des sogenannten Meisters der Anghiari-Schlacht besprochen, jedoch nicht abgebildet. Raimond van Marle (1928; siehe Literatur) ist der von Paul Schubring vorgenommenen Zuschreibung gefolgt und hat die Tafel ebenfalls diesem Meister zugeordnet.

Die vorliegende Tafel befand sich ursprünglich zusammen mit einem Gegenstück, das als Julius Caesar bei der Belagerung einer befestigten Stadt beschrieben wird, in der berühmten Sammlung von Eugène Piot in Paris (siehe Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 554); beide Bilder wurden 1890 von Émile Gavet erworben. Das vorliegende Werk mit der Schlacht von Pharsalos gelangte sodann in die Sammlung Bernwind und wurde 1939 verkauft (siehe Provenienz). Das Gegenstück, dessen Maße identisch sind, ist 2008 wieder auf dem Kunstmarkt aufgetaucht (Sotheby’s, New York, 24. Januar 2008, Lot 33).

Die Malereien, die derartige Truhen schmückten, stellten häufig historische Ereignisse – insbesondere in der Mythologie, in der klassischen Literatur und in mittelalterlichen Erzählungen beschriebene Schlachten – dar, aber auch Allegorien und religiöse Themen. Das Sujet des vorliegenden Paradebeispiels einer Cassone-Tafel ist der klassischen Literatur entnommen: Die hier dargestellte Schlacht von Pharsalos gehört den Schriften Plutarchs an und legt nahe, dass das Werk für eine gebildete Person von hohem gesellschaftlichem Rang bestimmt war, die in der Lage war, die Ikonografie der Darstellung auch zu lesen.

Die Schlacht von Pharsalos wurde im Jahr 48 v. Chr. zwischen Julius Caesar und Pompeius nahe des Flusses Enipeas in Thessalien in Griechenland ausgefochten. Caesars Sieg war entscheidend für die Beendigung des Bürgerkriegs und markierte seinen endgültigen Aufstieg zur Macht. In der Folge entwickelte sich Rom von der Republik zum Reich. Die hier dargestellte Szene zeigt einen weitläufigen Blick auf das Schlachtfeld mit einer befestigten Stadt und einem Kastell im Hintergrund und illustriert die Schlacht an sich sowie daran anschließende Episoden wie die Flucht und den Tod Pompeius’. Julius Caesars Legionen, die sich im Angriff auf die feindliche Armee befinden, sind durch eine Fahne mit dem Reichsadler zu erkennen. Sich penibel an Plutarchs Lebensgeschichte des Pompeius haltend, die auch von dessen Flucht mit seiner Gemahlin Cornelia über das Meer nach Ägypten berichtet, hat der Künstler rechts im Bild zwei Schiffe dargestellt. Auf dem einen ist zu sehen, wie Pompeius vom ägyptischen Feldherrn Achillas (beide in Goldschrift [Chrysographie] bezeichnet) auf Befehl von Pharao Ptolemaios XIII. getötet wird. Auf dem anderen Schiff wird Cornelia (ebenfalls in Goldschrift bezeichnet) Zeugin des Todes ihres Gemahls. Am äußeren rechten Rand der Tafel umringt eine bewaffnete Gruppe Julius Caesar (gleichfalls bezeichnet), dem als Zeichen der Ehrerbietung Pompeius’ Haupt auf einem Pokal dargebracht wird.

Für einen hochrangigen Auftraggeber der Truhe sprechen auch die meisterliche Ausführung durch Apollonio di Giovanni und die großzügige Verwendung von Blattgold zur Hervorhebung der Schmuckelemente auf Kleidern und Waffen: Es findet sich auf Gürteln, bestickten Säumen, Bekrönungen, Federschmuck, Heften, Pferdegeschirr und der Schale mit Pompeius’ Haupt. All das trägt zur höfischen Anmutung der Arbeit bei. Stilistisch zeichnet sich Apollonio di Giovannis Gemälde durch eine glatte, elegante und feine Malweise aus, die ihn zu einem führenden Interpreten der frühen Florentiner Renaissance, welche noch tief von den formalen Errungenschaften spätgotischer Malerei durchdrungen war, machte.

Apollonio di Giovanni hat mit dieser Tafel ein äußerst deskriptives Werk mit dekorativen Ornamenten und Mustern vorgelegt, das ein Interesse am spätgotischen Rittertum nicht leugnen kann. Dessen Welt gehörte Mitte des 15. Jahrhunderts bereits lange der Vergangenheit an und galt als blutrünstig und grausam. Dennoch wurde diese Ära bereits damals als märchenhafte Zeit romantisiert, wie sie beispielsweise auch im Schaffen Pisanellos dargestellt wird.

Kompositorisch scheint die Schlacht von Pharsalos von Paolo Uccellos Triptychon Die Schlacht von San Romano angeregt, die um 1438 entstanden ist (Uffizien, Florenz; Musée du Louvre, Paris; National Gallery, London). Apollonio di Giovanni scheint die aussagekräftigsten stilistischen und bildlichen Elemente aus diesem Triptychon wie die zu Boden gestürtzten Pferde und die Unzahl geschwungener Lanzen übernommen zu haben. Van Marle sieht wohl den Einfluss Paolo Uccellos auf den Meister des vorliegenden Bildes, doch wirft er ein, dass sich Apollonios Technik nicht auf Uccello stützt, sondern bereits einen Schritt voraus ist (siehe R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 562).

Wir danken Alessandro Tomei für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkung

Das Schaffen Apollonio di Giovannis wurde unter unterschiedlichen Namen katalogisiert, doch konnten ihm dank der Auffindung des Auftragsbuchs seiner Werkstatt im Jahr 1902 eine ganze Reihe von Cassoni sicher zugeschrieben werden.

Wolfgang Stechow konnte die Wappen auf dem Cassone in der Sammlung des Allen Art Museum, Oberlin, Ohio, den Familien Ruccellai und Vettori zuordnen. Da im 15. Jahrhundert zwischen diesen beiden Adelsfamilien nur eine Vermählung stattfand (1463 zwischen Caterina Ruccellai und Piero Francesco di Paolo Vettori), schloss Stechow, dass es sich bei dem in Apollonios Auftragsbuch (in dem die Auftraggeber, aber nicht die Sujets der Truhenbilder genannt sind) für diese beiden Familien vermerkten Cassone um jenen in Oberlin handelt. In der Folge ist es ihm gelungen, eine Reihe weiterer Cassoni Apollonio zuzuweisen, die sich zuvor hinter diversen Hilfsnamen wie „Meister der Dido“, „Meister des Vergil“ und „Meister der Javes-Cassoni“ verborgen hatten (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21).

Technische Untersuchung

In einer eingehenden Untersuchung des vorliegenden Gemäldes (mit Infrarotreflektografie, Falschfarben-IR und einer mittels Reflexionsspektroskopie durchgeführten Pigmentanalyse) zeigen sich eine Unterzeichnung in Form weniger Umrisslinien sowie einige kleine Veränderungen (festgestellt mittels IR).

Die im vorliegenden Gemälde angewendete Technik zeichnet sich durch den weitläufigen Einsatz von Blattgold und anderer Blattmetalle aus, die sorgfältig mit Inzisionen, Punktierungen und Lacklasuren verarbeitet wurden, ebenso durch Einschnitte entlang der Ränder zahlreicher Figuren. Eine derartige Verarbeitung von Blattmetallen war unter vielen Cassoni-Malern, darunter auch Paolo Uccello, gängige Praxis.

Unter den zum Einsatz gekommenen Pigmenten wurden in der Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie Indigo, Azurit, kupferbasiertes Grün, Zinnoberrot, Karminlack, Ockertöne und ein bleibasiertes Gelb (vermutlich Bleizinngelb) festgestellt.

Die angewendete Technik weist starke Ähnlichkeiten mit der Malweise Apollonio di Giovannis und seiner Werkstatt sowie anderer in der Toskana tätiger Meistern dieser Periode auf.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.

Provenienz:
Sammlung Eugène Piot (1812–1890), Paris;
dessen Auktion, Hotel Drouot, Paris, 21.–24. Mai 1890, Lot 553;
erworben von Émile Gavet (1830–1904), Paris;
Sammlung Edward Julius Berwind (1848–1936), Newport, Rhode Island, New York;
dessen Auktion, Parke-Bernet, New York, 9. November 1939, Lot 37;
erworben durch die Acquavella Galleries, New York; vEuropäische Privatsammlung;
im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Literatur:
Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 553 (als Florentiner Schule, erste Hälfte 15. Jahrhundert);
Valuable Objects of Art of the Gothic, Renaissance, Eighteenth Century from the Collection Formerly by the Late Edward J. Berwind, New York, Parke-Bernet Galleries, 1939, Nr. 27 (als Nachahmer des Meisters der Anghiari-Schlacht);
P. Schubring, Cassoni Truhen und Truhenbilder der italienischen Frührenaissance, Leipzig 1915, Kat. Nr. 113 (als Meister der Anghiari-Schlacht);
R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 558, 597 (als Meister der Anghiari-Schlacht);
E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991–1992, S. 35/36, Anm. 17 (als Apollonio di Giovanni)

Die vorliegende Tafel gehörte ursprünglich zu einer aufwendig bemalten Truhe, einem sogenannten Cassone, der ein beliebtes Dekorationsmöbel im Italien der Renaissance war. Truhen, die persönliches Hab und Gut aufnahmen, wurden oft paarweise hergestellt und mit Gemälden und Pastiglia-Ornamenten geschmückt. Als Gegenstand, der zumeist Teil der Mitgift einer Braut war, hatten Cassoni die Funktion, die gesellschaftliche Stellung, den Wohlstand und die Kultiviertheit der Familien der beiden Eheleute darzustellen. Diese Truhen waren zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert in Nord- und Mittelitalien, insbesondere in der Toskana, weit verbreitet. Sie wurden in der Regel von Spezialisten angefertigt, die neben cassoni auch andere verwandte Formen von Malereien für deschi da parto und spalliere schufen.

Apollonio di Giovanni, der Maler der vorliegenden Holztafel, war Mitte des Quattrocento wohl der in Florenz am besten dokumentierte und gefeiertste Vertreter dieser Kunstform. Er war ab den späten 1430er-Jahren bis in die 1460er-Jahre tätig. Urkunden belegen, dass er gemeinsam mit Marco del Buono einer erfolgreichen Werkstatt vorstand, die sich auf die Herstellung dieser bemalten Truhen spezialisiert hatte. Er war mit den zeitgenössischen humanistischen Geistesströmungen vertraut, was seine Vorliebe für bestimmte ikonografische Themen erklären mag (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21 und E. Callmann, Apollonio di Giovanni, Oxford 1974).

Die Zuschreibung des vorliegenden Werks an Apollonio di Giovanni hat erstmals Ellen Callmann vorgeschlagen (siehe E. Callmann, Roman Virtue and Renaissance Marriage, in: The Register of the Spencer Museum of Art, Bd. VI, Nr. 8/9, 1991/1992, S. 35/36, Anm. 17). Tatsächlich weisen mehrere stilistische Merkmale auf diesen Maler. Das vorliegende Werk hat große Ähnlichkeit mit anderen Apollonio di Giovanni zugeschriebenen Bildtafeln für cassoni, etwa mit der Schlacht zwischen Athenern und Persern (Xerses’ Einfall in Griechenland) im Allen Memorial Art Museum, Oberlin, Ohio, und mit zwei Tafeln mit Szenen aus der Aeneis in der Yale University Art Gallery, New Haven. Chronologisch kann das Werk der Mitte des 15. Jahrhunderts und damit dem Höhepunkt der Reifezeit des Künstlers zugewiesen werden.

Das Werk wurde einst von Paul Schubring (1915; siehe Literatur) als eine Arbeit des sogenannten Meisters der Anghiari-Schlacht besprochen, jedoch nicht abgebildet. Raimond van Marle (1928; siehe Literatur) ist der von Paul Schubring vorgenommenen Zuschreibung gefolgt und hat die Tafel ebenfalls diesem Meister zugeordnet.

Die vorliegende Tafel befand sich ursprünglich zusammen mit einem Gegenstück, das als Julius Caesar bei der Belagerung einer befestigten Stadt beschrieben wird, in der berühmten Sammlung von Eugène Piot in Paris (siehe Catalogue des objects d’art de la Renaissance. Tableaux composant la collection du feu M. Eugène Piot, Hôtel Drouot, 21.–24. Mai 1890, Lot 554); beide Bilder wurden 1890 von Émile Gavet erworben. Das vorliegende Werk mit der Schlacht von Pharsalos gelangte sodann in die Sammlung Bernwind und wurde 1939 verkauft (siehe Provenienz). Das Gegenstück, dessen Maße identisch sind, ist 2008 wieder auf dem Kunstmarkt aufgetaucht (Sotheby’s, New York, 24. Januar 2008, Lot 33).

Die Malereien, die derartige Truhen schmückten, stellten häufig historische Ereignisse – insbesondere in der Mythologie, in der klassischen Literatur und in mittelalterlichen Erzählungen beschriebene Schlachten – dar, aber auch Allegorien und religiöse Themen. Das Sujet des vorliegenden Paradebeispiels einer Cassone-Tafel ist der klassischen Literatur entnommen: Die hier dargestellte Schlacht von Pharsalos gehört den Schriften Plutarchs an und legt nahe, dass das Werk für eine gebildete Person von hohem gesellschaftlichem Rang bestimmt war, die in der Lage war, die Ikonografie der Darstellung auch zu lesen.

Die Schlacht von Pharsalos wurde im Jahr 48 v. Chr. zwischen Julius Caesar und Pompeius nahe des Flusses Enipeas in Thessalien in Griechenland ausgefochten. Caesars Sieg war entscheidend für die Beendigung des Bürgerkriegs und markierte seinen endgültigen Aufstieg zur Macht. In der Folge entwickelte sich Rom von der Republik zum Reich. Die hier dargestellte Szene zeigt einen weitläufigen Blick auf das Schlachtfeld mit einer befestigten Stadt und einem Kastell im Hintergrund und illustriert die Schlacht an sich sowie daran anschließende Episoden wie die Flucht und den Tod Pompeius’. Julius Caesars Legionen, die sich im Angriff auf die feindliche Armee befinden, sind durch eine Fahne mit dem Reichsadler zu erkennen. Sich penibel an Plutarchs Lebensgeschichte des Pompeius haltend, die auch von dessen Flucht mit seiner Gemahlin Cornelia über das Meer nach Ägypten berichtet, hat der Künstler rechts im Bild zwei Schiffe dargestellt. Auf dem einen ist zu sehen, wie Pompeius vom ägyptischen Feldherrn Achillas (beide in Goldschrift [Chrysographie] bezeichnet) auf Befehl von Pharao Ptolemaios XIII. getötet wird. Auf dem anderen Schiff wird Cornelia (ebenfalls in Goldschrift bezeichnet) Zeugin des Todes ihres Gemahls. Am äußeren rechten Rand der Tafel umringt eine bewaffnete Gruppe Julius Caesar (gleichfalls bezeichnet), dem als Zeichen der Ehrerbietung Pompeius’ Haupt auf einem Pokal dargebracht wird.

Für einen hochrangigen Auftraggeber der Truhe sprechen auch die meisterliche Ausführung durch Apollonio di Giovanni und die großzügige Verwendung von Blattgold zur Hervorhebung der Schmuckelemente auf Kleidern und Waffen: Es findet sich auf Gürteln, bestickten Säumen, Bekrönungen, Federschmuck, Heften, Pferdegeschirr und der Schale mit Pompeius’ Haupt. All das trägt zur höfischen Anmutung der Arbeit bei. Stilistisch zeichnet sich Apollonio di Giovannis Gemälde durch eine glatte, elegante und feine Malweise aus, die ihn zu einem führenden Interpreten der frühen Florentiner Renaissance, welche noch tief von den formalen Errungenschaften spätgotischer Malerei durchdrungen war, machte.

Apollonio di Giovanni hat mit dieser Tafel ein äußerst deskriptives Werk mit dekorativen Ornamenten und Mustern vorgelegt, das ein Interesse am spätgotischen Rittertum nicht leugnen kann. Dessen Welt gehörte Mitte des 15. Jahrhunderts bereits lange der Vergangenheit an und galt als blutrünstig und grausam. Dennoch wurde diese Ära bereits damals als märchenhafte Zeit romantisiert, wie sie beispielsweise auch im Schaffen Pisanellos dargestellt wird.

Kompositorisch scheint die Schlacht von Pharsalos von Paolo Uccellos Triptychon Die Schlacht von San Romano angeregt, die um 1438 entstanden ist (Uffizien, Florenz; Musée du Louvre, Paris; National Gallery, London). Apollonio di Giovanni scheint die aussagekräftigsten stilistischen und bildlichen Elemente aus diesem Triptychon wie die zu Boden gestürtzten Pferde und die Unzahl geschwungener Lanzen übernommen zu haben. Van Marle sieht wohl den Einfluss Paolo Uccellos auf den Meister des vorliegenden Bildes, doch wirft er ein, dass sich Apollonios Technik nicht auf Uccello stützt, sondern bereits einen Schritt voraus ist (siehe R. Van Marle, The Development of the Italian School of Painting, Den Haag 1928, S. 562).

Wir danken Alessandro Tomei für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Anmerkung

Das Schaffen Apollonio di Giovannis wurde unter unterschiedlichen Namen katalogisiert, doch konnten ihm dank der Auffindung des Auftragsbuchs seiner Werkstatt im Jahr 1902 eine ganze Reihe von Cassoni sicher zugeschrieben werden.

Wolfgang Stechow konnte die Wappen auf dem Cassone in der Sammlung des Allen Art Museum, Oberlin, Ohio, den Familien Ruccellai und Vettori zuordnen. Da im 15. Jahrhundert zwischen diesen beiden Adelsfamilien nur eine Vermählung stattfand (1463 zwischen Caterina Ruccellai und Piero Francesco di Paolo Vettori), schloss Stechow, dass es sich bei dem in Apollonios Auftragsbuch (in dem die Auftraggeber, aber nicht die Sujets der Truhenbilder genannt sind) für diese beiden Familien vermerkten Cassone um jenen in Oberlin handelt. In der Folge ist es ihm gelungen, eine Reihe weiterer Cassoni Apollonio zuzuweisen, die sich zuvor hinter diversen Hilfsnamen wie „Meister der Dido“, „Meister des Vergil“ und „Meister der Javes-Cassoni“ verborgen hatten (siehe W. Stechow, Marco del Buono and Apollonio di Giovanni, Cassone Painters in: Bulletin of the Allen Memorial Art Museum, Oberlin College, Bd. I, Juni 1944, S. 5–21).

Technische Untersuchung

In einer eingehenden Untersuchung des vorliegenden Gemäldes (mit Infrarotreflektografie, Falschfarben-IR und einer mittels Reflexionsspektroskopie durchgeführten Pigmentanalyse) zeigen sich eine Unterzeichnung in Form weniger Umrisslinien sowie einige kleine Veränderungen (festgestellt mittels IR).

Die im vorliegenden Gemälde angewendete Technik zeichnet sich durch den weitläufigen Einsatz von Blattgold und anderer Blattmetalle aus, die sorgfältig mit Inzisionen, Punktierungen und Lacklasuren verarbeitet wurden, ebenso durch Einschnitte entlang der Ränder zahlreicher Figuren. Eine derartige Verarbeitung von Blattmetallen war unter vielen Cassoni-Malern, darunter auch Paolo Uccello, gängige Praxis.

Unter den zum Einsatz gekommenen Pigmenten wurden in der Untersuchung mittels Reflexionsspektroskopie Indigo, Azurit, kupferbasiertes Grün, Zinnoberrot, Karminlack, Ockertöne und ein bleibasiertes Gelb (vermutlich Bleizinngelb) festgestellt.

Die angewendete Technik weist starke Ähnlichkeiten mit der Malweise Apollonio di Giovannis und seiner Werkstatt sowie anderer in der Toskana tätiger Meistern dieser Periode auf.

Wir danken Gianluca Poldi für die Durchführung der technischen Untersuchung.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 25.04.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.04. - 25.04.2017


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