(Venedig 1519–1594)
Halbfiguriges Porträt eines bärtigen Mannes,
Öl auf Leinwand, 79 x 59,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Bologna

Der im vorliegenden Gemälde als Halbfigur und im Dreiviertelprofil porträtierte junge Mann blickt aus dem Bild heraus. Es sieht aus, als wollte er einen stummen Dialog mit dem Betrachter in Gang setzen. Er hat dunkles Haar und trägt einen Bart und ein schwarzes Gewand, von dem sich der weiße Kragen wirkungsvoll abhebt. Roberto Longhi (schriftliche Mitteilung von 1958, liegt als Fotokopie vor) hat bereits auf die Schlichtheit und Nüchternheit der Komposition hingewiesen und auch die „Offenheit“ betont, mit der der Dargestellte aus dem grauen Hintergrund hervortritt.

Dieses Werk von hoher Qualität datiert aus Tintorettos Frühzeit, in der sein Schaffen in dunklen Tönen gehaltene Porträts ohne dekorative Details umfasste und die Aufmerksamkeit des Künstlers ganz der Erforschung der Gesichter der Dargestellten galt. Hier etwa konzentrierte er sich auf das rosige Inkarnat und den durchdringenden Blick. Als er diese Werken ausführte, hatte der junge Tintoretto sicherlich Tizians zahlreiche Porträts vor Augen, obgleich er deren distanzierte Haltung und Würde zugunsten einer eindringlicheren psychologischen Erkundung zurücknahm. Auch manieristische Vorbilder lassen sich vermuten, etwa die eleganten Beispiele Francesco Salviatis. Bei einem im Online-Archiv der Sammlung Nemes in Budapest enthaltenen Porträt Tintorettos könnte es sich um denselben Dargestellten handeln wie im vorliegenden Porträt, doch ist er dort bereits älter.

Diese von Zwanglosigkeit und heiterer Gelassenheit kündende Periode im Porträtschaffen Tintorettos entwickelte sich weiter, indem er das Hauptaugenmerk innerhalb einer künstlerischen Interpretation der Anliegen und Ängste der zeitgenössischen venezianischen Gesellschaft immer mehr auf den inneren Charakter der Dargestellten legte.

Zusatzabbildung:
Infrarot-Reflektogramm, Detail