Lot Nr. 11 -


Giovanni Francesco Bezzi, gen. Nosadella


Giovanni Francesco Bezzi, gen. Nosadella - Alte Meister

(?1500–1571)
Madonna mit Kind, Jakobus dem Jüngeren und Antonius Abbas,
Öl auf Papier, auf Leinwandstreifen montiert und auf Holz aufgezogen,
60,6 x 42,6 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s London, 8. April 1981, Los 42

Ausstellungen:
New York, The Metropolitan Museum of Art, The Age of Correggio and the Carracci. Emilian Painting of the Sixteenth and Seventeenth Centuries, 26. März – 24. Mai 1987, Nr. 51, S. 148/149, mit Abb.;
Princeton, Princeton University Art Museum, The Making of a Masterpiece: Nosadella’s Annunciation, 20. Februar – 16. Mai 2010

Literatur:
E. Sambo, Tibaldi e Nosadella, in: Paragone 32/379, September 1981, S. 18/19, Abb. 26;
V. Romani, Problemi di Michelangiolismo Padano: Tibaldi e Nosadella, Padua 1998, S. 19/20, 89, Abb. 2

Nur wenig ist über das Leben des Bologneser Manieristen Giovanni Francesco Bezzi, gen. Nosadella, bekannt. Laut Malvasia war er ein Freskenmaler und Schüler Pellegrino Tibaldis. Malvasia schreibt auch, dass Nosadellas Arbeiten sich durch eine „gute Farbigkeit auszeichnen wie die seines Meisters und von großer Belesenheit zeugen. Und wenn sie auch nicht so vollkommen und durchkomponiert sein mögen, so sind sie womöglich eindrucksvoller, einzigartiger und kraftvoller“ (siehe C. C. Malvasia, Felsina Pittrice – Vite de pittori Bolognesi, hrsg. von G. Zanotti, Bologna 1841, I, S. 160/161). Der vermutlich um 1510 geborene Nosadella trat 1549 in die Quattro Arti ein und wurde in seinem Todesjahr 1571 Mitglied der bombasari sowie der Malergilde. Der Künstler scheint viel gereist zu sein und sich in Rom aufgehalten zu haben. Zu den wenigen dokumentierten Werken Nosadellas zählen die Madonna mit Kind und Heiligen für das Oratorium von Santa Maria della Vita in Bologna und eine Beschneidung aus dem Jahr 1571 für Santa Maria Maggiore in Bologna (fertiggestellt von Prospero Fontana). Beide Werke befinden sich noch in situ (siehe V. Fortunati Pietrantonio, Pittura Bolognese del ‘500, Bologna 1986, Bd. II, S. 464/465).

Nosadellas und Tibaldis Werke wurden häufig miteinander verwechselt; Jürgen Winckelmann hat viel dazu beigetragen, Nosadellas eigenständige und höchst originäre Künstlerpersönlichkeit herauszuarbeiten. Nosadellas Stil scheint sich um 1560 von einem schweren, skulpturalen Modus, der Tibaldis Michelangelismus geschuldet war, in Richtung eines feineren und gemäßigteren klassizierenden Idioms entwickelt zu haben, das den Einfluss Raffaels verrät. Nosadellas spätere Gemälde zeigen seine Vertrautheit mit der Vasari’schen maniera, lassen dabei aber die für ihn charakteristische stärkere Betonung linearer und dekorativer Qualitäten und eine komplexere Anordnung der Faltenwürfe erkennen.

Nosadellas Werke sind selten: Keines seiner Fresken, die er zumeist für das Bologneser Patriziat ausführte, hat sich erhalten; von seinen Gemälden sind nicht einmal 15 eigenhändige Werke bekannt. Mehrere davon befinden sich heute in amerikanischen Museen, darunter eine Verkündigung (Princeton University Art Gallery), eine Darbringung im Tempel (Allen Memorial Art Museum, Oberlin), und eine Heilige Familie mit Heiligen (J. Paul Getty Museum).

Das vorliegende Gemälde ist eine jüngere Hinzufügung zu Nosadellas Werkkorpus und stilistisch vergleichbar mit seiner gesicherten Madonna mit Kind und Heiligen in Santa Maria della Vita, Bologna, die um 1560 datiert werden kann. Romani hat darauf hingewiesen, dass die Haltung Jakobus’ des Jüngeren in beiden Werken nahezu identisch ist. Beide Bilder verraten auch ein ähnliches Interesse an naturalistischen Details, das sich im vorliegenden Bild in dem mühsam die Stufen zum Thron erklimmenden Schwein oder der bescheidenen Kleidung der Heiligen äußert. Es wurde darauf hingewiesen, dass dieser neue Naturalismus raffaelesken Ursprungs bzw. durch die „Neorenaissance“ angeregt war, was in beiden Werken durch die pyramidale Komposition, ein weiches, gleichmäßiges Licht und das Sfumato sowie im einfachen, sparsamen Schmuck des Throns zum Ausdruck kommt. Die Haltung des Jesuskindes im vorliegenden Bild scheint von Raffaels Madonna di Foligno (Rom, Vatikanische Museen) übernommen, während die paarweise angeordneten Engel in den oberen Ecken von Polidoro da Caravaggios Fresken in San Silvestro al Quirinale in Rom inspiriert sind. Nosadellas raffaeleske, von der Neorenaissance durchdrungene Phase folgte Tibaldis Entwicklung, der sich seinerseits vom michelangelesken Manierismus ab- und gegen Ende des vorangegangenen Jahrzehnts einer verfeinerteren klassizierenden Bildsprache zugewandt hatte.

Die weit gediehene Ausführung des vorliegenden Bildes ist für ein im 16. Jahrhundert in Öl auf Papier gemaltes Werk ungewöhnlich und legt nahe, dass es für einen privaten Sammler entstanden ist. Das Ferkel, das die unterste Stufe zum Thron der Jungfrau hochklettert, ist ein traditionelles Symbol für den hl. Antonius Abbas. Schweine gehörten zu den Tieren, die im Mittelalter von den Antonitern gezüchtet wurden. Das Fett wurde als Heilmittel gegen die auch als „Antoniusfeuer“ bekannte Pest verwendet. Der links dargestellte Jakobus der Jüngere hält eine Walkerstange in Händen, eine Gerätschaft, mit der im Mittelalter Tuch bearbeitet wurde und mit der Jakobus der Legenda Aurea zufolge als Märtyrer erschlagen wurde.

Technische Analyse

Die Infrarotreflektografie zeigt bedeutende Veränderungen in den Gesten einiger Figuren: Ursprünglich war das Haupt des Jakobus gebeugt und blickte zu Boden anstatt auf das Jesuskind, dessen Gesicht wiederum ganz dem Antonius Abbas zugewandt war. Dessen rechter Arm befand sich weiter unten und berührte womöglich den Stab des Jakobus. Der Kopf des Antonius wurde vermutlich zweimal verändert; zuerst blickte er auf den anderen Heiligen, dann auf das Kind (oder umgekehrt).

Die Veränderungen wurden vermutlich durchgeführt, als die Maloberfläche noch nicht ganz getrocknet war. Der Bildträger Papier wurde mit dünnen Steifen von Leinwand an den Rändern verstärkt und auf eine Holztafel aufgezogen. Möglicherweise wurde dies bereits zu einem frühen Zeitpunkt vom Künstler selbst durchgeführt.

Die Pigmente sind typisch für die Zeit und beinhalten Azurit für den Himmel, Kobaltblau für den Mantel der Madonna und Zinnober für die Rot- und Rosatöne und das Inkarnat sowie Bleiweiß, bleibasierte Gelbtöne, Ocker und Grünspan.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.

18.10.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 95.584,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 80.000,-

Giovanni Francesco Bezzi, gen. Nosadella


(?1500–1571)
Madonna mit Kind, Jakobus dem Jüngeren und Antonius Abbas,
Öl auf Papier, auf Leinwandstreifen montiert und auf Holz aufgezogen,
60,6 x 42,6 cm, gerahmt

Provenienz:
Auktion, Sotheby’s London, 8. April 1981, Los 42

Ausstellungen:
New York, The Metropolitan Museum of Art, The Age of Correggio and the Carracci. Emilian Painting of the Sixteenth and Seventeenth Centuries, 26. März – 24. Mai 1987, Nr. 51, S. 148/149, mit Abb.;
Princeton, Princeton University Art Museum, The Making of a Masterpiece: Nosadella’s Annunciation, 20. Februar – 16. Mai 2010

Literatur:
E. Sambo, Tibaldi e Nosadella, in: Paragone 32/379, September 1981, S. 18/19, Abb. 26;
V. Romani, Problemi di Michelangiolismo Padano: Tibaldi e Nosadella, Padua 1998, S. 19/20, 89, Abb. 2

Nur wenig ist über das Leben des Bologneser Manieristen Giovanni Francesco Bezzi, gen. Nosadella, bekannt. Laut Malvasia war er ein Freskenmaler und Schüler Pellegrino Tibaldis. Malvasia schreibt auch, dass Nosadellas Arbeiten sich durch eine „gute Farbigkeit auszeichnen wie die seines Meisters und von großer Belesenheit zeugen. Und wenn sie auch nicht so vollkommen und durchkomponiert sein mögen, so sind sie womöglich eindrucksvoller, einzigartiger und kraftvoller“ (siehe C. C. Malvasia, Felsina Pittrice – Vite de pittori Bolognesi, hrsg. von G. Zanotti, Bologna 1841, I, S. 160/161). Der vermutlich um 1510 geborene Nosadella trat 1549 in die Quattro Arti ein und wurde in seinem Todesjahr 1571 Mitglied der bombasari sowie der Malergilde. Der Künstler scheint viel gereist zu sein und sich in Rom aufgehalten zu haben. Zu den wenigen dokumentierten Werken Nosadellas zählen die Madonna mit Kind und Heiligen für das Oratorium von Santa Maria della Vita in Bologna und eine Beschneidung aus dem Jahr 1571 für Santa Maria Maggiore in Bologna (fertiggestellt von Prospero Fontana). Beide Werke befinden sich noch in situ (siehe V. Fortunati Pietrantonio, Pittura Bolognese del ‘500, Bologna 1986, Bd. II, S. 464/465).

Nosadellas und Tibaldis Werke wurden häufig miteinander verwechselt; Jürgen Winckelmann hat viel dazu beigetragen, Nosadellas eigenständige und höchst originäre Künstlerpersönlichkeit herauszuarbeiten. Nosadellas Stil scheint sich um 1560 von einem schweren, skulpturalen Modus, der Tibaldis Michelangelismus geschuldet war, in Richtung eines feineren und gemäßigteren klassizierenden Idioms entwickelt zu haben, das den Einfluss Raffaels verrät. Nosadellas spätere Gemälde zeigen seine Vertrautheit mit der Vasari’schen maniera, lassen dabei aber die für ihn charakteristische stärkere Betonung linearer und dekorativer Qualitäten und eine komplexere Anordnung der Faltenwürfe erkennen.

Nosadellas Werke sind selten: Keines seiner Fresken, die er zumeist für das Bologneser Patriziat ausführte, hat sich erhalten; von seinen Gemälden sind nicht einmal 15 eigenhändige Werke bekannt. Mehrere davon befinden sich heute in amerikanischen Museen, darunter eine Verkündigung (Princeton University Art Gallery), eine Darbringung im Tempel (Allen Memorial Art Museum, Oberlin), und eine Heilige Familie mit Heiligen (J. Paul Getty Museum).

Das vorliegende Gemälde ist eine jüngere Hinzufügung zu Nosadellas Werkkorpus und stilistisch vergleichbar mit seiner gesicherten Madonna mit Kind und Heiligen in Santa Maria della Vita, Bologna, die um 1560 datiert werden kann. Romani hat darauf hingewiesen, dass die Haltung Jakobus’ des Jüngeren in beiden Werken nahezu identisch ist. Beide Bilder verraten auch ein ähnliches Interesse an naturalistischen Details, das sich im vorliegenden Bild in dem mühsam die Stufen zum Thron erklimmenden Schwein oder der bescheidenen Kleidung der Heiligen äußert. Es wurde darauf hingewiesen, dass dieser neue Naturalismus raffaelesken Ursprungs bzw. durch die „Neorenaissance“ angeregt war, was in beiden Werken durch die pyramidale Komposition, ein weiches, gleichmäßiges Licht und das Sfumato sowie im einfachen, sparsamen Schmuck des Throns zum Ausdruck kommt. Die Haltung des Jesuskindes im vorliegenden Bild scheint von Raffaels Madonna di Foligno (Rom, Vatikanische Museen) übernommen, während die paarweise angeordneten Engel in den oberen Ecken von Polidoro da Caravaggios Fresken in San Silvestro al Quirinale in Rom inspiriert sind. Nosadellas raffaeleske, von der Neorenaissance durchdrungene Phase folgte Tibaldis Entwicklung, der sich seinerseits vom michelangelesken Manierismus ab- und gegen Ende des vorangegangenen Jahrzehnts einer verfeinerteren klassizierenden Bildsprache zugewandt hatte.

Die weit gediehene Ausführung des vorliegenden Bildes ist für ein im 16. Jahrhundert in Öl auf Papier gemaltes Werk ungewöhnlich und legt nahe, dass es für einen privaten Sammler entstanden ist. Das Ferkel, das die unterste Stufe zum Thron der Jungfrau hochklettert, ist ein traditionelles Symbol für den hl. Antonius Abbas. Schweine gehörten zu den Tieren, die im Mittelalter von den Antonitern gezüchtet wurden. Das Fett wurde als Heilmittel gegen die auch als „Antoniusfeuer“ bekannte Pest verwendet. Der links dargestellte Jakobus der Jüngere hält eine Walkerstange in Händen, eine Gerätschaft, mit der im Mittelalter Tuch bearbeitet wurde und mit der Jakobus der Legenda Aurea zufolge als Märtyrer erschlagen wurde.

Technische Analyse

Die Infrarotreflektografie zeigt bedeutende Veränderungen in den Gesten einiger Figuren: Ursprünglich war das Haupt des Jakobus gebeugt und blickte zu Boden anstatt auf das Jesuskind, dessen Gesicht wiederum ganz dem Antonius Abbas zugewandt war. Dessen rechter Arm befand sich weiter unten und berührte womöglich den Stab des Jakobus. Der Kopf des Antonius wurde vermutlich zweimal verändert; zuerst blickte er auf den anderen Heiligen, dann auf das Kind (oder umgekehrt).

Die Veränderungen wurden vermutlich durchgeführt, als die Maloberfläche noch nicht ganz getrocknet war. Der Bildträger Papier wurde mit dünnen Steifen von Leinwand an den Rändern verstärkt und auf eine Holztafel aufgezogen. Möglicherweise wurde dies bereits zu einem frühen Zeitpunkt vom Künstler selbst durchgeführt.

Die Pigmente sind typisch für die Zeit und beinhalten Azurit für den Himmel, Kobaltblau für den Mantel der Madonna und Zinnober für die Rot- und Rosatöne und das Inkarnat sowie Bleiweiß, bleibasierte Gelbtöne, Ocker und Grünspan.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 18.10.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 08.10. - 18.10.2016


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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