Lot Nr. 89


Liber horarum (Stundenbuch, Livre d'heures),


Liber horarum (Stundenbuch, Livre d'heures), - Autographen

Paris Ende 15. Jh. Großteils lateinische Handschrift auf Pergament, I +142 + I* Blätter (offensichtlich ohne Blattverluste), ca. 16,3 x 11 cm, Schriftspiegel: ca. 9 x 5,5/6 cm, 16 Zeilen. Sorgefältige Textualis. Ledereinband des 18./19. Jhs. über Pappdeckeln; zarte Goldprägungen; mittig ovaler (nicht mehr erkannbarer) Wappenstempel.

10 Miniaturen und 7 historisierte Initialen jeweils mit Randbordüren: fol 13r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Johannes Ev. auf Patmos) mit Bordüre (Beginn des Johannes-Ev.), 18v: kleine Miniatur mit Pietà und Schriftbordüre (Gebet: Obsecro te), fol. 22v: kleine Miniatur mit weiblicher Beterin (vgl. fol. 135r) und Maria und Christuskind in Engelsgloriole vor weiter Landschaft (Gebet: O intemerata), fol. 25r: die ganze Seite füllende Miniatur (13,5 x 9,8 cm: Verkündigung an Maria) mit reichem Architekturrahmen (Marienstunden), fol. 35r: Initiale mit Büsten von Maria und Elisabeth (Visitatio) (Laudes), fol. 45r: Initiale mit Büsten von Maria, Christuskind und weiblicher (?) Heiligen, in der Bordüre zoomorphe Motive (Prim), fol. 50r: Initiale mit Büsten zweier Hirten (Terz), fol. 54r: Initiale mit Büsten Mariens, dem Christuskind und der drei hl. Könige (Sext), fol. 57r: Initiale mit Büsten (Darbringgungen), in der Bordüre zoomorphe Motive (Non), fol. 60v: Initiale mit Büsten (Flucht nach Ägypten), in der Bordüre Löwe und Vogel (Vesper), fol. 66 v: Initiale mit Büsten (Marienkrönung), in der Bordüre Kentaur und Vogel (Komplet), fol. 71r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (König David in weiter Landschaft betend), Bordüre teilweise Goldgrund und mit Kentaur (Bußpsalmen), fol. 87r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Kreuzigung mit Maria und Johannes links und dem Hauptmann zu Pferd rechts) mit Bordüre (Kreuzstunden), 90r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Pfingsten: Maria kniet betend von Aposteln umgeben; Hl-Geist -Taube und Feuerzungen), Bordüre mit herzförmigen Medaillons vor Goldgrund (Hl. Geist-Stunden), fol. 93r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Tod reitet auf Untier aus der Hölle über die liegenden Figuren von Papst und König; weite Landschaft), Bordüre in Form eines goldenen, floral besetzten Gürtels (Totenvigil), fol. 135r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (thronende Madonna mit Kind, von musizierenden Engeln umgeben; vorne Ehepaar mit Sohn kniend [die Dame vgl. fol. 22v]) Bordüre teilweise mit Goldgrund (Quinze joies de Notre Dame [französisch]), fol. 140r: kleine Miniatur (Dreifaltigkeit) mit Bordüre (Sept requêtes à Notre-Seigneur [französisch]). – Durchgehend ein- und zweizeilige Goldinitialen vor farbigem Grund, Aststücke als Zeilenfüller.

Das Stundenbuch kann auf Grund des vollständig besetzten französischen Kalenders (foll. 1r–12v: z. B.: Denis [Dionysius] 9. Okt. und Marcel [Marcellus] 3. Nov. jeweils als Fest – vgl. calendoscope.irht.cnrs.fr) und der Responsorien des Totenoffiziums (Bestimmung nach Knut Ottosen: 72/14/32–57/24/68–28/46/38) nach Paris verortet werden. Der Stil ist von den typischen Merkmalen der Pariser (und nordfranzösischen) gewerbsmäßigen Produktion von Stundenbüchern geprägt: Goldhöhungen auf den Gewändern, weißliche, oft plane Gesichtsscheiben, tiefe Landschaftsgründe, überaus typische Bordüren. Bemerkenswert die Goldbrokatstoffe (fol. 13r, 25r, 71r). Der Figurenstil zeigt die breite Nachfolge des Maîte François. Einige Details deuten schon die kommende Renaissance an und lassen eine Datierung an das Ende des 15. Jahrhunderts vermuten. Die Vorstufe bilden Stundenbücher wie jenes, das im November 2012 bei Ketterer in München angeboten. Noch größere Ähnlichkeiten bestehen zu einem, freilich ebenfalls älteren Stundenbuch (um 1475), das bei Piasa in Paris 11.06.2013 (lot 57) versteigert wurde. Neben den typischen kegelförmig textilen Baldachinen ist auch auf das nah verwandte florale Repertoire der Bordüren verwiesen. Auch zeitlich dem angebotenen Stundenbuch etwa entsprechend ist ein Stundenbuch in der Bibliothèque municipale von Versailles, Ms. 139, das zuletzt um 1480/90 datiert wurde (https://crm.revues.org/12244). Bemerkenswert ist die ikonographische Übereinstimmung der Pfingstszene. Erst eine genaue Studie wird klären können, ob unser Stundenbuch vielleicht derselben Hand zugeordnet werden kann, der der Codex in Versailles zugeschrieben wurde, dem Maître de Robert Gauguin, einem Schüler des Maître de Jacques de Besançon, des Werkstattnachfolgers des Maître François, von dem dieser spezifische Pariser Stil seinen Ausgang genommen hatte. Provenienz: Im 18. Jahrhundert in Aschaffenburg (Eintrag fol. 1r: Hugonis Adolphi Betgebuch vicarii et __ rimissarii Aschaffenburg) Erhaltung: Vor allem im Bereich des weißlichen Inkarnats der Gesichter produktions- (und nicht erhaltungs-)bedingte Beeinträchtigungen (z. B. fol. 13r, 25r, 140r); fol. 1 unten mit Ausbesserung (außerhalb des Schriftspiegels). Dr. Martin Roland, M.A.S. – Wien, im Oktober 2015

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
+43-1-515 60-389

books@dorotheum.at

22.06.2016 - 14:00

Erzielter Preis: **
EUR 15.000,-
Rufpreis:
EUR 12.000,-

Liber horarum (Stundenbuch, Livre d'heures),


Paris Ende 15. Jh. Großteils lateinische Handschrift auf Pergament, I +142 + I* Blätter (offensichtlich ohne Blattverluste), ca. 16,3 x 11 cm, Schriftspiegel: ca. 9 x 5,5/6 cm, 16 Zeilen. Sorgefältige Textualis. Ledereinband des 18./19. Jhs. über Pappdeckeln; zarte Goldprägungen; mittig ovaler (nicht mehr erkannbarer) Wappenstempel.

10 Miniaturen und 7 historisierte Initialen jeweils mit Randbordüren: fol 13r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Johannes Ev. auf Patmos) mit Bordüre (Beginn des Johannes-Ev.), 18v: kleine Miniatur mit Pietà und Schriftbordüre (Gebet: Obsecro te), fol. 22v: kleine Miniatur mit weiblicher Beterin (vgl. fol. 135r) und Maria und Christuskind in Engelsgloriole vor weiter Landschaft (Gebet: O intemerata), fol. 25r: die ganze Seite füllende Miniatur (13,5 x 9,8 cm: Verkündigung an Maria) mit reichem Architekturrahmen (Marienstunden), fol. 35r: Initiale mit Büsten von Maria und Elisabeth (Visitatio) (Laudes), fol. 45r: Initiale mit Büsten von Maria, Christuskind und weiblicher (?) Heiligen, in der Bordüre zoomorphe Motive (Prim), fol. 50r: Initiale mit Büsten zweier Hirten (Terz), fol. 54r: Initiale mit Büsten Mariens, dem Christuskind und der drei hl. Könige (Sext), fol. 57r: Initiale mit Büsten (Darbringgungen), in der Bordüre zoomorphe Motive (Non), fol. 60v: Initiale mit Büsten (Flucht nach Ägypten), in der Bordüre Löwe und Vogel (Vesper), fol. 66 v: Initiale mit Büsten (Marienkrönung), in der Bordüre Kentaur und Vogel (Komplet), fol. 71r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (König David in weiter Landschaft betend), Bordüre teilweise Goldgrund und mit Kentaur (Bußpsalmen), fol. 87r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Kreuzigung mit Maria und Johannes links und dem Hauptmann zu Pferd rechts) mit Bordüre (Kreuzstunden), 90r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Pfingsten: Maria kniet betend von Aposteln umgeben; Hl-Geist -Taube und Feuerzungen), Bordüre mit herzförmigen Medaillons vor Goldgrund (Hl. Geist-Stunden), fol. 93r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (Tod reitet auf Untier aus der Hölle über die liegenden Figuren von Papst und König; weite Landschaft), Bordüre in Form eines goldenen, floral besetzten Gürtels (Totenvigil), fol. 135r: Zierseite mit oben halbrund abgeschlossener Miniatur (thronende Madonna mit Kind, von musizierenden Engeln umgeben; vorne Ehepaar mit Sohn kniend [die Dame vgl. fol. 22v]) Bordüre teilweise mit Goldgrund (Quinze joies de Notre Dame [französisch]), fol. 140r: kleine Miniatur (Dreifaltigkeit) mit Bordüre (Sept requêtes à Notre-Seigneur [französisch]). – Durchgehend ein- und zweizeilige Goldinitialen vor farbigem Grund, Aststücke als Zeilenfüller.

Das Stundenbuch kann auf Grund des vollständig besetzten französischen Kalenders (foll. 1r–12v: z. B.: Denis [Dionysius] 9. Okt. und Marcel [Marcellus] 3. Nov. jeweils als Fest – vgl. calendoscope.irht.cnrs.fr) und der Responsorien des Totenoffiziums (Bestimmung nach Knut Ottosen: 72/14/32–57/24/68–28/46/38) nach Paris verortet werden. Der Stil ist von den typischen Merkmalen der Pariser (und nordfranzösischen) gewerbsmäßigen Produktion von Stundenbüchern geprägt: Goldhöhungen auf den Gewändern, weißliche, oft plane Gesichtsscheiben, tiefe Landschaftsgründe, überaus typische Bordüren. Bemerkenswert die Goldbrokatstoffe (fol. 13r, 25r, 71r). Der Figurenstil zeigt die breite Nachfolge des Maîte François. Einige Details deuten schon die kommende Renaissance an und lassen eine Datierung an das Ende des 15. Jahrhunderts vermuten. Die Vorstufe bilden Stundenbücher wie jenes, das im November 2012 bei Ketterer in München angeboten. Noch größere Ähnlichkeiten bestehen zu einem, freilich ebenfalls älteren Stundenbuch (um 1475), das bei Piasa in Paris 11.06.2013 (lot 57) versteigert wurde. Neben den typischen kegelförmig textilen Baldachinen ist auch auf das nah verwandte florale Repertoire der Bordüren verwiesen. Auch zeitlich dem angebotenen Stundenbuch etwa entsprechend ist ein Stundenbuch in der Bibliothèque municipale von Versailles, Ms. 139, das zuletzt um 1480/90 datiert wurde (https://crm.revues.org/12244). Bemerkenswert ist die ikonographische Übereinstimmung der Pfingstszene. Erst eine genaue Studie wird klären können, ob unser Stundenbuch vielleicht derselben Hand zugeordnet werden kann, der der Codex in Versailles zugeschrieben wurde, dem Maître de Robert Gauguin, einem Schüler des Maître de Jacques de Besançon, des Werkstattnachfolgers des Maître François, von dem dieser spezifische Pariser Stil seinen Ausgang genommen hatte. Provenienz: Im 18. Jahrhundert in Aschaffenburg (Eintrag fol. 1r: Hugonis Adolphi Betgebuch vicarii et __ rimissarii Aschaffenburg) Erhaltung: Vor allem im Bereich des weißlichen Inkarnats der Gesichter produktions- (und nicht erhaltungs-)bedingte Beeinträchtigungen (z. B. fol. 13r, 25r, 140r); fol. 1 unten mit Ausbesserung (außerhalb des Schriftspiegels). Dr. Martin Roland, M.A.S. – Wien, im Oktober 2015

Experte: Mag. Andreas Löbbecke Mag. Andreas Löbbecke
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
stamps@dorotheum.at

+43 1 515 60 323
Auktion: Autographen
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 22.06.2016 - 14:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 15.06. - 22.06.2016


** Kaufpreis exkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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