Lot Nr. 73 -


Peter Paul Rubens Werkstatt


Peter Paul Rubens Werkstatt - Alte Meister

(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Der Herkulesknabe im Kampf mit der Schlange,
Öl auf Leinwand, 122,6 x 92,1 cm, gerahmt

Peter Paul Rubens war ein kenntnisreicher Sammler und Liebhaber antiker Plastik. Ein wohl erst nach seinem Tod zusammengestelltes Sammelwerk seiner 1600- 1630 verfassten Studien zu antiken Skulpturen und seiner Empfehlungen zur Anwendung antiker Modelle in der Kunst, das „Taschenbuch“ hat sich in zwei Transkriptionen erhalten, dem so genannten Johnson Manuskript und dem Ganay Manuskript (MS Johnson, London, Courtauld Institute Galleries, Princes Gate Collection, MS de Ganay, ehemals Paris, Marquis J. L. de Ganay). Das Original verbrannte 1720 in der Sammlung des Ebenisten André Boulle bei einem Feuer im Louvre. Das „Taschenbuch“ beinhaltet die von Rubens verfasste Sammlung De Figuris Humanis, in der sich der Künstler mit den unterschiedleichen Formen antiker Plastik und ihrer Darstellung des menschlichen Körpers auseinandersetzte. Es ist das einzige Zeugnis dieser intensiven Auseinandersetzung des großen Flamen mit der Bildniskunst der Antike. Im Kapitel „De Pueris“, das sich mit der Darstellung von Kindern in der Antike und der Vorbildfunktion antiker Skulptur für den zeitgenössischen Künstler befasst, schrieb Rubens:

„Ex statuarum exemplaribus semper optima eligenda, et pro Al exemplaribus cuiuscunque aetatis imitanda sunt veluti infantiae, cuius elegantissimum exemplar suntgenii pueriles circa Nili et Tiberis statuas in hortis Vaticanis. Teretes in sese, atquerotundi, gestibus lacivis [sic], humi reptantes, et magnos patris artus, veluti montes scandentes. Quibus similes sunt illi qui ad Tiberis statuam, ibidem a lupa lactantur. Tum aetas paulo grandior, sed tamen adhuc infantulis [s/cj exhibita est ab antiquis, in cupidine dormiente super strata pelle leonis, cum face ad laevam. Eo maior est in puero juxta Ledam, ubi cum cygno colluctatur, et in Hercule serpentes o[p]primente in cunis“ (siehe MS Johnson, London, Courtauld Institute Galleries, Princes Gate Collection, fol. lOOr sowie im MS de Ganay, ehemals Paris, Marquis de Ganay, fol. 47r. Cf. MS Johnson, fol. 32r).

Frei übersetzt schrieb er: „Verwendet man (Antike) Statuen als Vorbild, so sollte man stets die besten als Modelle der unterschiedlichen Lebensalter heranziehen- das Kleinkinderalter, zum Beispiel, zu dem das wohl beste Beispiel die Putti an den Statuen vom Nil und Tiber in den Vatikanischen Gärten darstellt. Zufrieden in ihrer saften Rundheit sind sie verspielt in den Gesten, über den Boden krabbelnd und über die Beine ihres Vaters kletternd, als wären diese Berge. Ähnlich sind die Putti bei der Statue des Tibers, die von der Wölfin gesäugt werden. Als Nächstes wird ein etwas fortgeschrittenes Alter, immer noch das des Kleinkindes, von den Alten an einem Cupido auf einen Löwenfell gezeigt, eine Fackel in der Hand. Wieder etwas älter werden der Junge bei der Leda, mit dem Schwan kämpfend, sowie der Herkules gezeigt, der die Schlangen in seiner Wiege erwürgt.“

Für das Verständnis des vorliegenden Gemäldes ist es von Bedeutung, auf welche Plastik Rubens im letzten Satz verwies. Anders als bei vielen anderen von ihm empfohlenen Skulpturen ist für den Herkules in „De Pueris“ kein Standort angegeben. Es kommen verschiedene antike Plastiken in Frage, wobei Marjon van der Meulen in ihrem Band des Corpus Rubenianum zu dem Schluss kam, der wahrscheinlichste Kandidat sei eine sich in den Uffizien befindliche kleine Skulptur.

Das antike Original des jungen, mit der Schlange kämpfenden Herkules sah Rubens demnach wohl in Florenz, wo er sich im Oktober 1600 und im März 1603 aufhielt. Kleinere Statuen der Sammlung Cosimos I. wurden damals in der Tiburtina ausgestellt. (Vgl. M. van der Meulen, Rubens Copies after the Antique, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard Bd. 23, London, 1995, S. 67, Fn. 109, 110, Appendix 9, S. 250- 253), darunter auch ein kleiner Herkules, der mit einer Schlange kämpft. (O.Brendel, Der Schlangenwürgende Herakliskos, in: Jahrbuch des kaiserlich deutschen Archaologischen Instituts, XLVII, 1932, S. 218-227; Mansuelli, Cat. Uffizi, 1, no. 63, fig. 60; M. Cristofani, Per una storia del collezionismo archeologico nella Toscana granducale, in: Le arti del principato mediceo, Florenz 1980, S. 28, n. 43, fig. 10; Lexicon Mythologiae, IV, 1, S. 829, no. 1624, Abb.).

Als Beleg dafür, dass sich Rubens in seinen „De Pueris“ auf den Florentiner Typus bezogen hat, dient ein Gemälde auf dem Belgischen Kunstmarkt, das Marjon van der Meulen in ihrem Corpus Rubenianum Band als „zugeschrieben an Peter Paul Rubens“ publizierte, und das wie auch das vorliegende Gemälde, eine recht genaue Wiedergabe des Medici-Herkules ist (Brüssel, Auktion Palais des Beaux Arts, 14. Juni 1955, Los 129, 18.–19. März 1958, Los 532): „The Hercules statue possibly served as model for a painting auctioned in Brussels in the Palais es Beaux Arts in 1955 and 1958 (M. Van der Meulen, 1995, S. 67). Weiter schreibt sie: „A painting attributed to Rubens auctioned in Brussels, Palais des Beaux-Arts, in 1955 shows a quite exact copy of the Florentine type of the infant Hercules“ (M. Van der Meulen, 1995, S. 253, Abb. 25 und 26).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine weitere, variierende Fassung, die den Herkules aus der Tiburtina recht genau wiedergibt. Es belegt, dass sich Rubens in seinem kunsttheoretischen Traktat auf das Florentiner Vorbild bezog, und dass er dieses seinen Schülern zum Vorbild empfahl. Es kommen daher sowohl Rubens Werkstattmitarbeiter und Schüler, wie auch Rubens selbst als Künstler für das vorliegende Gemälde in Frage.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

19.04.2016 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 35.503,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Peter Paul Rubens Werkstatt


(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Der Herkulesknabe im Kampf mit der Schlange,
Öl auf Leinwand, 122,6 x 92,1 cm, gerahmt

Peter Paul Rubens war ein kenntnisreicher Sammler und Liebhaber antiker Plastik. Ein wohl erst nach seinem Tod zusammengestelltes Sammelwerk seiner 1600- 1630 verfassten Studien zu antiken Skulpturen und seiner Empfehlungen zur Anwendung antiker Modelle in der Kunst, das „Taschenbuch“ hat sich in zwei Transkriptionen erhalten, dem so genannten Johnson Manuskript und dem Ganay Manuskript (MS Johnson, London, Courtauld Institute Galleries, Princes Gate Collection, MS de Ganay, ehemals Paris, Marquis J. L. de Ganay). Das Original verbrannte 1720 in der Sammlung des Ebenisten André Boulle bei einem Feuer im Louvre. Das „Taschenbuch“ beinhaltet die von Rubens verfasste Sammlung De Figuris Humanis, in der sich der Künstler mit den unterschiedleichen Formen antiker Plastik und ihrer Darstellung des menschlichen Körpers auseinandersetzte. Es ist das einzige Zeugnis dieser intensiven Auseinandersetzung des großen Flamen mit der Bildniskunst der Antike. Im Kapitel „De Pueris“, das sich mit der Darstellung von Kindern in der Antike und der Vorbildfunktion antiker Skulptur für den zeitgenössischen Künstler befasst, schrieb Rubens:

„Ex statuarum exemplaribus semper optima eligenda, et pro Al exemplaribus cuiuscunque aetatis imitanda sunt veluti infantiae, cuius elegantissimum exemplar suntgenii pueriles circa Nili et Tiberis statuas in hortis Vaticanis. Teretes in sese, atquerotundi, gestibus lacivis [sic], humi reptantes, et magnos patris artus, veluti montes scandentes. Quibus similes sunt illi qui ad Tiberis statuam, ibidem a lupa lactantur. Tum aetas paulo grandior, sed tamen adhuc infantulis [s/cj exhibita est ab antiquis, in cupidine dormiente super strata pelle leonis, cum face ad laevam. Eo maior est in puero juxta Ledam, ubi cum cygno colluctatur, et in Hercule serpentes o[p]primente in cunis“ (siehe MS Johnson, London, Courtauld Institute Galleries, Princes Gate Collection, fol. lOOr sowie im MS de Ganay, ehemals Paris, Marquis de Ganay, fol. 47r. Cf. MS Johnson, fol. 32r).

Frei übersetzt schrieb er: „Verwendet man (Antike) Statuen als Vorbild, so sollte man stets die besten als Modelle der unterschiedlichen Lebensalter heranziehen- das Kleinkinderalter, zum Beispiel, zu dem das wohl beste Beispiel die Putti an den Statuen vom Nil und Tiber in den Vatikanischen Gärten darstellt. Zufrieden in ihrer saften Rundheit sind sie verspielt in den Gesten, über den Boden krabbelnd und über die Beine ihres Vaters kletternd, als wären diese Berge. Ähnlich sind die Putti bei der Statue des Tibers, die von der Wölfin gesäugt werden. Als Nächstes wird ein etwas fortgeschrittenes Alter, immer noch das des Kleinkindes, von den Alten an einem Cupido auf einen Löwenfell gezeigt, eine Fackel in der Hand. Wieder etwas älter werden der Junge bei der Leda, mit dem Schwan kämpfend, sowie der Herkules gezeigt, der die Schlangen in seiner Wiege erwürgt.“

Für das Verständnis des vorliegenden Gemäldes ist es von Bedeutung, auf welche Plastik Rubens im letzten Satz verwies. Anders als bei vielen anderen von ihm empfohlenen Skulpturen ist für den Herkules in „De Pueris“ kein Standort angegeben. Es kommen verschiedene antike Plastiken in Frage, wobei Marjon van der Meulen in ihrem Band des Corpus Rubenianum zu dem Schluss kam, der wahrscheinlichste Kandidat sei eine sich in den Uffizien befindliche kleine Skulptur.

Das antike Original des jungen, mit der Schlange kämpfenden Herkules sah Rubens demnach wohl in Florenz, wo er sich im Oktober 1600 und im März 1603 aufhielt. Kleinere Statuen der Sammlung Cosimos I. wurden damals in der Tiburtina ausgestellt. (Vgl. M. van der Meulen, Rubens Copies after the Antique, Corpus Rubenianum Ludwig Burchard Bd. 23, London, 1995, S. 67, Fn. 109, 110, Appendix 9, S. 250- 253), darunter auch ein kleiner Herkules, der mit einer Schlange kämpft. (O.Brendel, Der Schlangenwürgende Herakliskos, in: Jahrbuch des kaiserlich deutschen Archaologischen Instituts, XLVII, 1932, S. 218-227; Mansuelli, Cat. Uffizi, 1, no. 63, fig. 60; M. Cristofani, Per una storia del collezionismo archeologico nella Toscana granducale, in: Le arti del principato mediceo, Florenz 1980, S. 28, n. 43, fig. 10; Lexicon Mythologiae, IV, 1, S. 829, no. 1624, Abb.).

Als Beleg dafür, dass sich Rubens in seinen „De Pueris“ auf den Florentiner Typus bezogen hat, dient ein Gemälde auf dem Belgischen Kunstmarkt, das Marjon van der Meulen in ihrem Corpus Rubenianum Band als „zugeschrieben an Peter Paul Rubens“ publizierte, und das wie auch das vorliegende Gemälde, eine recht genaue Wiedergabe des Medici-Herkules ist (Brüssel, Auktion Palais des Beaux Arts, 14. Juni 1955, Los 129, 18.–19. März 1958, Los 532): „The Hercules statue possibly served as model for a painting auctioned in Brussels in the Palais es Beaux Arts in 1955 and 1958 (M. Van der Meulen, 1995, S. 67). Weiter schreibt sie: „A painting attributed to Rubens auctioned in Brussels, Palais des Beaux-Arts, in 1955 shows a quite exact copy of the Florentine type of the infant Hercules“ (M. Van der Meulen, 1995, S. 253, Abb. 25 und 26).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine weitere, variierende Fassung, die den Herkules aus der Tiburtina recht genau wiedergibt. Es belegt, dass sich Rubens in seinem kunsttheoretischen Traktat auf das Florentiner Vorbild bezog, und dass er dieses seinen Schülern zum Vorbild empfahl. Es kommen daher sowohl Rubens Werkstattmitarbeiter und Schüler, wie auch Rubens selbst als Künstler für das vorliegende Gemälde in Frage.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 19.04.2016 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 09.04. - 19.04.2016


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