Lot Nr. 134 +


Sehr seltenes buddhistisches Reliquiar in Form einer Pagode, sharitô


Sehr seltenes buddhistisches Reliquiar in Form einer Pagode, sharitô - Asiatische Kunst

Japan, Edo-Periode, datiert 1698
Feuervergoldete Bronze; Sockel mit Holzkern. Aus vielen Teilen zusammengefügt und in vier Hauptbestandteile zerlegbar. Die zur Aufnahme der Buddha-Reliquie bestimmte Miniaturpagode erhebt sich mittig über einem quadratischen, zweistufigen Sockel auf vier geschwungenen Füßen. Von der unteren zur oberen Stufe bzw. Terrasse führen vier Treppen, die wie die obere Terrasse mit Geländer versehen sind. Das Untergeschoss von quadratischen Grundriss hat vier Flügeltüren, die alle zu öffnen sind. Seine oberen Ecken sind gerundet. Das niedrige, trommelförmige Obergeschoss besitzt ebenfalls vier Flügeltüren und ein Geländer. Darüber erhebt sich eine dreistufige Konsolenkonstruktion, die aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt ist und ein pyramidenförmiges Dach mit hochgezogenen Traufenden trägt. Die hölzerne Dachkonstruktion des tatsächlichen Bauwerks wird damit aufwendig imitiert; das brünierte Dach ahmt in Form und Farbe ein reales Ziegeldach nach. Auf seiner Spitze ist ein Mast (sôrin) mit neun Ehrenschirmen angebracht, bekrönt von einem überflammten Juwel. Zwei von urspr. vier Windglöckchen (fûtaku) hängen noch von der Mastspitze herab, vier weitere zieren die Dachecken. Fast alle Flächen des Reliquiars sind mit verschiedenen kleinteiligen ziselierten Mustern geschmückt. Neben den Treppenaufgängen zur oberen Terrasse befinden sich acht geschweifte Kartuschen mit Löwen in Relief. Auf dem Boden des Untergeschosses ist auf einem achteckigen, flachen Podest mit acht kleinen Löchern in den Ecken folgende Inschrift graviert: „Genroku jûichi sai tsuchinoe tora rokugatsu hi sharitô shi Miyajima Hanjirô Fujiwara Seiji kore o saku Rakuyô jû“. (Gefertigt vom Meister der Pagodenreliquiare, Miyajima Hanjirô Fujiwara Seiji aus Rakuyô (Kyôto), im 11. Jahr der Genroku-Ära mit den zyklischen Zeichen tsuchinoe tora (1698), an einem Tag im 6. Monat).
Der verloren gegangene innere Reliquienbehälter mit der Reliquie muss sich einst im Untergeschoss befunden haben und war wohl in den acht Löchern befestigt gewesen. Er mag aus Glas, Bergkristall oder Metall gewesen sein, wie erhaltene ältere Stücke nahelegen.
Alters- und Gebrauchsspuren; wenige, unbedeutende Fehlstellen. H: 81,5 cm, Sockelfläche: 37 cm². (BA)

Reliquien (jap. shari) beziehen sich im buddhistischen Kontext meistens auf die sterblichen Überreste des historischen Buddha Shakyamuni. Gleich nach dessen Tod im 5. oder 4. Jh. v. Chr. wurden seine Asche und Knochenreste verteilt an acht indische Fürsten, die sie in dafür errichteten stûpa, halbkugelförmigen Gedächtnismonumenten, beisetzen ließen. Dies war der Beginn der eng mit dem Buddhismus verbundenen Reliquienverehrung, die sich zusammen mit der buddhistischen Lehre über Zentralasien und China nach Japan ausbreitete und dort zum 1. Mal 585 n.Chr. erwähnt ist.
Die turmartige Pagode übernahm in Ostasien die Funktion des stûpa. Meist versenkte man Behälter mit Reliquien im Basisstein ihres Mittelpfeilers, wodurch sie zum kultischen Zentrum eines Tempels wurde. Seit der Heian-Periode (794-1185 n. Chr.) wurden Reliquienbehälter in Pagodenform (sharitô) auch in den Haupthallen der Tempel zur Schau gestellt und ihre Anbetung durch Gläubige gestattet. Die meisten der heute noch erhaltenen sharitô stammen aus der späten Heian- und der Kamakura-Periode (1185-1333). Neben sehr abstrahierten Formen gibt es mehr oder weniger originalgetreue Modelle realer architektonischer Holzpagoden, zumeist aus vergoldeter Bronze wie z.B. das Pagodenreliquiar auf einer Schildkröte (Nationalschatz) im Tôshôdaiji in Nara, aus dem 12. Jh., 92 cm hoch, welches dem vorliegenden Reliquiar sehr ähnelt, was Obergeschoss, Dach, Dachkonstruktion und Mast angeht, dessen Untergeschoss jedoch, wie bei den meisten sharitô diesen Typs zylinderförmig ist und in diesem Fall durchbrochen gearbeitet ist und ohne Türen und Terrassen (siehe Busshari to hôju. Shaka o shitau kokoro/Ultimate Sancturaries: The Aesthetics of Buddhist Relic Worship, (Ausstellungskatalog), Nara Kokuritsu Hakubutsukan/Nara National Museum 2001, Kat. Nr. 35 und weitere Beispiele aus dem 12. und 13. Jh., zum Teil auch mit terrassenförmigem Sockel aber ohne detaillierte Dachkonstruktion, a.a.O. Kat. Nr. 47, 48, 52 und 53.
Sehr wenige dieser „Modelle“ scheinen aus der Edo-Zeit erhalten zu sein. Dazu zählt eine Kopie des Tôshôdaiji-Reliquiars, datiert 1842, im Hasedera (s. a.a.O., Kat. Nr. 38) sowie ein Pagodenreliquiar aus dem Okadera (Präfektur Nara), welches in das 16./17. Jh. datiert wird, nur 34,5 cm hoch ist, ohne Obergeschoss und detaillierte Dachkonstruktion und dessen Pagode auf einem Lotos über dem gestuften Sockel steht (s. Okadera no rekishi to bijutsu/The History and Art of Okadera, (Ausstellungskatalog), Nara National Museum 2002, Kat. Nr. 26.

Provenienz
Aus einer Schweizer Privatsammlung, erworben 1998 im Schweizer Kunsthandel

Expertin: M.A. Angelika Borchert M.A. Angelika Borchert
+43-1-515 60-641

angelika.borchert@dorotheum.at

02.12.2015 - 16:00

Schätzwert:
EUR 95.000,- bis EUR 150.000,-

Sehr seltenes buddhistisches Reliquiar in Form einer Pagode, sharitô


Japan, Edo-Periode, datiert 1698
Feuervergoldete Bronze; Sockel mit Holzkern. Aus vielen Teilen zusammengefügt und in vier Hauptbestandteile zerlegbar. Die zur Aufnahme der Buddha-Reliquie bestimmte Miniaturpagode erhebt sich mittig über einem quadratischen, zweistufigen Sockel auf vier geschwungenen Füßen. Von der unteren zur oberen Stufe bzw. Terrasse führen vier Treppen, die wie die obere Terrasse mit Geländer versehen sind. Das Untergeschoss von quadratischen Grundriss hat vier Flügeltüren, die alle zu öffnen sind. Seine oberen Ecken sind gerundet. Das niedrige, trommelförmige Obergeschoss besitzt ebenfalls vier Flügeltüren und ein Geländer. Darüber erhebt sich eine dreistufige Konsolenkonstruktion, die aus vielen Einzelteilen zusammengesetzt ist und ein pyramidenförmiges Dach mit hochgezogenen Traufenden trägt. Die hölzerne Dachkonstruktion des tatsächlichen Bauwerks wird damit aufwendig imitiert; das brünierte Dach ahmt in Form und Farbe ein reales Ziegeldach nach. Auf seiner Spitze ist ein Mast (sôrin) mit neun Ehrenschirmen angebracht, bekrönt von einem überflammten Juwel. Zwei von urspr. vier Windglöckchen (fûtaku) hängen noch von der Mastspitze herab, vier weitere zieren die Dachecken. Fast alle Flächen des Reliquiars sind mit verschiedenen kleinteiligen ziselierten Mustern geschmückt. Neben den Treppenaufgängen zur oberen Terrasse befinden sich acht geschweifte Kartuschen mit Löwen in Relief. Auf dem Boden des Untergeschosses ist auf einem achteckigen, flachen Podest mit acht kleinen Löchern in den Ecken folgende Inschrift graviert: „Genroku jûichi sai tsuchinoe tora rokugatsu hi sharitô shi Miyajima Hanjirô Fujiwara Seiji kore o saku Rakuyô jû“. (Gefertigt vom Meister der Pagodenreliquiare, Miyajima Hanjirô Fujiwara Seiji aus Rakuyô (Kyôto), im 11. Jahr der Genroku-Ära mit den zyklischen Zeichen tsuchinoe tora (1698), an einem Tag im 6. Monat).
Der verloren gegangene innere Reliquienbehälter mit der Reliquie muss sich einst im Untergeschoss befunden haben und war wohl in den acht Löchern befestigt gewesen. Er mag aus Glas, Bergkristall oder Metall gewesen sein, wie erhaltene ältere Stücke nahelegen.
Alters- und Gebrauchsspuren; wenige, unbedeutende Fehlstellen. H: 81,5 cm, Sockelfläche: 37 cm². (BA)

Reliquien (jap. shari) beziehen sich im buddhistischen Kontext meistens auf die sterblichen Überreste des historischen Buddha Shakyamuni. Gleich nach dessen Tod im 5. oder 4. Jh. v. Chr. wurden seine Asche und Knochenreste verteilt an acht indische Fürsten, die sie in dafür errichteten stûpa, halbkugelförmigen Gedächtnismonumenten, beisetzen ließen. Dies war der Beginn der eng mit dem Buddhismus verbundenen Reliquienverehrung, die sich zusammen mit der buddhistischen Lehre über Zentralasien und China nach Japan ausbreitete und dort zum 1. Mal 585 n.Chr. erwähnt ist.
Die turmartige Pagode übernahm in Ostasien die Funktion des stûpa. Meist versenkte man Behälter mit Reliquien im Basisstein ihres Mittelpfeilers, wodurch sie zum kultischen Zentrum eines Tempels wurde. Seit der Heian-Periode (794-1185 n. Chr.) wurden Reliquienbehälter in Pagodenform (sharitô) auch in den Haupthallen der Tempel zur Schau gestellt und ihre Anbetung durch Gläubige gestattet. Die meisten der heute noch erhaltenen sharitô stammen aus der späten Heian- und der Kamakura-Periode (1185-1333). Neben sehr abstrahierten Formen gibt es mehr oder weniger originalgetreue Modelle realer architektonischer Holzpagoden, zumeist aus vergoldeter Bronze wie z.B. das Pagodenreliquiar auf einer Schildkröte (Nationalschatz) im Tôshôdaiji in Nara, aus dem 12. Jh., 92 cm hoch, welches dem vorliegenden Reliquiar sehr ähnelt, was Obergeschoss, Dach, Dachkonstruktion und Mast angeht, dessen Untergeschoss jedoch, wie bei den meisten sharitô diesen Typs zylinderförmig ist und in diesem Fall durchbrochen gearbeitet ist und ohne Türen und Terrassen (siehe Busshari to hôju. Shaka o shitau kokoro/Ultimate Sancturaries: The Aesthetics of Buddhist Relic Worship, (Ausstellungskatalog), Nara Kokuritsu Hakubutsukan/Nara National Museum 2001, Kat. Nr. 35 und weitere Beispiele aus dem 12. und 13. Jh., zum Teil auch mit terrassenförmigem Sockel aber ohne detaillierte Dachkonstruktion, a.a.O. Kat. Nr. 47, 48, 52 und 53.
Sehr wenige dieser „Modelle“ scheinen aus der Edo-Zeit erhalten zu sein. Dazu zählt eine Kopie des Tôshôdaiji-Reliquiars, datiert 1842, im Hasedera (s. a.a.O., Kat. Nr. 38) sowie ein Pagodenreliquiar aus dem Okadera (Präfektur Nara), welches in das 16./17. Jh. datiert wird, nur 34,5 cm hoch ist, ohne Obergeschoss und detaillierte Dachkonstruktion und dessen Pagode auf einem Lotos über dem gestuften Sockel steht (s. Okadera no rekishi to bijutsu/The History and Art of Okadera, (Ausstellungskatalog), Nara National Museum 2002, Kat. Nr. 26.

Provenienz
Aus einer Schweizer Privatsammlung, erworben 1998 im Schweizer Kunsthandel

Expertin: M.A. Angelika Borchert M.A. Angelika Borchert
+43-1-515 60-641

angelika.borchert@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Asiatische Kunst
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 02.12.2015 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 27.11. - 02.12.2015

Warum bei myDOROTHEUM registrieren?

Die kostenlose Registrierung bei myDOROTHEUM ermöglicht Ihnen die komplette Nutzung folgender Funktionen:

Katalog Benachrichtigungen sobald ein neuer Auktionskatalog online ist.
Auktionstermin Erinnerung zwei Tage vor Auktionsbeginn.
Mitbieten Bieten Sie auf Ihre Lieblingsstücke und ersteigern Sie neue Meisterwerke!
Suchservice Sie suchen nach einem bestimmten Künstler oder einer bestimmten Marke? Speichern Sie Ihre Suche ab und werden Sie automatisch informiert, sobald diese in einer Auktion angeboten werden!