Madonna mit Kind,
Öl auf Goldgrund auf Holz, 55 x 45 cm, gerahmt

Provenienz:

Sammlung Prof. Franz Streber (1806–1864), Bad Tölz/München;
Privatsammlung, Deutschland (seit den frühen 1950er Jahren)

Laut einer alten Fotografie im Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München galt das vorliegende Gemälde früher als ein um 1490 entstandenes Werk der Münchener Schule. Später wurde es dem Salzburger Maler Marx Reichlich (um 1460–1520), einem Schüler Michael Pachers, zugeschrieben. Auch wenn diese Zuschreibung wohl nicht stichhaltig ist, sprechen gewisse stilistische Übereinstimmungen mit Pacher und seinen Nachfolgern für eine Entstehung des Bildes in Tirol. Ludwig Meyer fand heraus, dass die Komposition und das Gewand der Madonna auf das berühmte Madonnenbild in der Kirche Santa Maria del Popolo in Rom zurückgehen könnte. Dieses, eine byzantinische Arbeit des 12. Jahrhunderts, wurde 1478 von Papst Sixtus IV. als Werk des Evangelisten Lukas bezeichnet. In den darauf folgenden Jahren malten süddeutsche Künstler wie Jan Polack, Albrecht Altdorfer und Hans Holbein d. Ä. Madonnenbilder, die wie das vorliegende Gemälde auf das römische Vorbild zurückgehen.

Professor Franz Streber besaß eine Sammlung gotischer Tafelbilder, die er größtenteils in Auktionen von Bildern aus Staatsbesitz, so 1852 in Schleissheim, erworben hatte.

Das hier vorliegende Gemälde ist von hoher künstlerischer Qualität und gleichzeitig ein interessantes Beispiel für die damalige europaweite Verbreitung populärer Bildmotive. Fromme Christen dieser Zeit, die das angeblich von der Hand des Evangelisten Lukas stammende Madonnenbild in Rom aufgrund zu hoher Entfernung nicht sehen konnten, beauftragten regionale Künstler mit der Anfertigung einer Kopie, möglicherweise auf der Basis einer graphischen Vorlage, um der himmlischen Gnade wenigstens indirekt gegenwärtig zu werden.