(Bologna 1552–1614 Rom)
Bildnis einer Dame mit Kind,
Öl auf undoublierter Leinwand, 112,5 x 92,5 cm, ungerahmt

Provenienz:
Familie Spinola. Castello di Pasturana, Piemont (19. Jahrhundert);
Verkauf an Emilia Balduino am 13. Juni 1933
;im Erbgang an die jetzigen Besitzer

Wir danken Maria Teresa Cantaro für die Bestätigung der Zuschreibung nach Begutachtung des Gemäldes im Original.

Das vorliegende Gemälde ist nach Maria Teresa Cantaro ein charakteristisches Gemälde der Bologneserin Lavinia Fontana und zeichnet sich durch eine feine Zeichnung, ein weiches Modellieren der Farben und einem gelungenen Spiel zwischen hellen und dunkleren Bereichen aus. Die Künstlerin legt dabei besonderen Wert auf die Wiedergabe der Stoffe und Verzierungen sowie auf die Inkarnate und ihre Liebe zum Detail.

Vor dunklem Hintergrund sieht man eine Frau in hochgeschlossenem dunklem Kleid. Die aus dem Gesicht gekämmten Haare geben den Blick auf die Stirn frei, der Kopf wird von einem Witwenschleier bedeckt. Sie umarmt mit ihrem rechten Arm einen kleinen Jungen der neben ihr steht und im Begriff ist, nach einem Apfel zu greifen, den sie in ihrer linken Hand hält. Symbolisch spielt der Apfel wohl daran an, dass das Kind, nach dem Tod seines Vaters nun das Erbe seines Geschlechtes antreten wird. Die Mutter hält derweil noch den Apfel, sie fungiert als Vermittlerin und wird die Rolle des Familienoberhauptes bis zur Volljährigkeit des Sohnes übernehmen. Der Schleier und der fehlende Schmuck sind Symbole der Trauer über den Verlust des Ehemannes.

Das Thema der Witwenschaft ist aus weiteren Bildern Lavinia Fontanas bekannt, beispielsweise aus dem Bildnis der Flaminia Gozzadini Caccianemici (Privatsammlung, Vidor), welches in die frühen Jahre des 17. Jahrhunderts datiert wird sowie dem Bildnis einer Frau (Collezione d’Arte e di Documentazione Storica della Cassa di Risparmio, Bologna). In beiden genannten Bildern ist ein Witwenschleier sichtbar. Das Gemälde Bildnis einer noblen Dame mit Kind (Pinacoteca Nazionale, Bologna, gelagert im Palazzo Pepoli) kann um 1595 datiert werden und zeigt nach Murphy (siehe C. P. Murphy, Lavinia Fontana. A painter and her Patrons in Sixteenth-century Bologna, New Haven & London 2002, S. 137) eine ähnliche schützende Geste, mit der die Frau ihre Hand um die Schulter des Kindes legt, wie im vorliegenden Bild.

Ebenso wie das Pendant, Lot 86 stammt auch dieses Gemälde ursprünglich aus der Sammlung Spinola und es ist gut möglich, dass das Bild im Auftrag dieser Familie während Lavinia Fontanas Aufenthalt in Rom entstanden ist.

Wir danken Maria Teresa Cantaro für die Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.