Lot Nr. 613


Jean Simon Berthélemy


(Lâon 1743–1811 Paris)
Porträt einer antikisch gewandeten Dame mit diamantbesetzter Armspange,
signiert und datiert unten links: Berthélemy/an 8.,
Öl auf Leinwand, 60 x 49,5 cm, gerahmt

Das vorliegende Gemälde ist ein gutes Beispiel für die fortschrittliche französische Porträtmalerei des Directoire, aber auch für die neueste Mode der Zeit. Es handelt sich auch um ein interessantes historisches Dokument, da es nach dem Revolutionskalender datiert ist, der eingeführt wurde, um alle religiösen und royalistischen Einflüsse aus dem Kalender zu verbannen, und zudem Teil weiter reichender Bestrebungen war, in Frankreich das Dezimalsystem zu etablieren. „L’An 8“ – das achte Jahr der Verfassung – entspricht dem Jahr 1799, aus dem das Gemälde somit datiert. Indem hier Elemente aus der Kunst von Elisabeth Vigée-Lebrun und Jacques-Louis David übernommen wurden, ist es ein für diese Epoche charakteristisches Werk. Dargestellt ist eine Dame der Pariser Salongesellschaft, eine sogenannte Merveilleuse, der weibliche Gegenpart zum Pariser Dandy, der als Incroyable bezeichnet wurde. Beide waren das Produkt der ausgesprochen hedonistischen und frivolen französischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende, des letzten Kapitels der Französischen Revolution vor der Einsetzung des Premier Empire. Nach den Gefahren und der Unterdrückung des jakobinischen Terrors und der Hinrichtung Robespierres 1794 erfreuten sich die Pariser wieder am Leben, und das mit erstaunlichem Elan, wobei sie ein luxuriöses Klima schufen, das sich nur mit den letzten Tagen des Ancien Régime vergleichen lässt. Ob als Katharsis oder in dem Bedürfnis, sich mit den Überlebenden der Schreckensherrschaft zu verbinden, begrüßten sie die neue Freiheit mit einem Überschwang von Prunk und Dekadenz. Es gab unzählige Bälle und Modetrends, und Kunst und Handwerk gelangten abermals zur Blüte. Neu begründetes Vermögen verlangte danach, durch Bezugnahmen auf die Antike – vor allem auf Rom und Griechenland – geadelt zu werden, als deren rechtmäßige Erbin sich die Republik stilisierte. Daraus erklärt sich der Peplos aus gelber Seide, ein Kleid im griechischen Modestil, das die Dargestellte des vorliegenden Gemäldes trägt und dessen Historismus durch die am Oberarm getragene Armspange im Stil der Antike unterstrichen wird. Die Merveilleuses schockierten Paris mit Kleidern und Tuniken nach dem Vorbild der alten Griechen und Römer. Sie waren aus leichtem, ja durchscheinendem Leinen oder aus Gaze und gaben zuweilen so viel preis, dass man sie auch als „gewebte Luft“ bezeichnete. Zu den Merveilleuses gehörten abgesehen von der berühmt-berüchtigten Madame Tallien auch Anne-Françoise Lange, Juliette Récamier und Hortense de Beauharnais. Die Pariser Gesellschaft verglich Germaine de Staël und Mme Raguet mit Minerva und Juno und benannte ihre Kleidung nach römischen Gottheiten: Es gab Kleider à la Flora oder Diana und Tuniken à la Ceres oder Minerva.
Berthélemy war ein beliebter Künstler der Wende zum 19. Jahrhundert. Er war ein Schüler von Noël Hallé und gewann 1767 den Prix de Rome. Später war er Professor an der Académie royale de peinture et de sculpture, und seine zahlreichen privaten und öffentlichen Aufträge, darunter das Hôtel de l’Intendance de Champagne in Châlons-sur-Marne, zeugen von seiner Popularität. Kurz bevor er das vorliegende Porträt malte, begleitete er Napoleon auf dessen Italienfeldzug, um für ihn die Schlachten in Gemälden festzuhalten. Zudem hatte er die Aufgabe, einige der italienischen Kunstschätze zu katalogisieren, die nach Paris überführt werden sollten. Angesichts seiner Nähe zu Napoleon ist die Annahme, dass es sich bei der unbekannten Dame dieses Porträts um eine der Bonaparte-Schwestern handeln könnte, nicht von der Hand zu weisen.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

15.10.2013 - 18:00

Schätzwert:
EUR 12.000,- bis EUR 15.000,-

Jean Simon Berthélemy


(Lâon 1743–1811 Paris)
Porträt einer antikisch gewandeten Dame mit diamantbesetzter Armspange,
signiert und datiert unten links: Berthélemy/an 8.,
Öl auf Leinwand, 60 x 49,5 cm, gerahmt

Das vorliegende Gemälde ist ein gutes Beispiel für die fortschrittliche französische Porträtmalerei des Directoire, aber auch für die neueste Mode der Zeit. Es handelt sich auch um ein interessantes historisches Dokument, da es nach dem Revolutionskalender datiert ist, der eingeführt wurde, um alle religiösen und royalistischen Einflüsse aus dem Kalender zu verbannen, und zudem Teil weiter reichender Bestrebungen war, in Frankreich das Dezimalsystem zu etablieren. „L’An 8“ – das achte Jahr der Verfassung – entspricht dem Jahr 1799, aus dem das Gemälde somit datiert. Indem hier Elemente aus der Kunst von Elisabeth Vigée-Lebrun und Jacques-Louis David übernommen wurden, ist es ein für diese Epoche charakteristisches Werk. Dargestellt ist eine Dame der Pariser Salongesellschaft, eine sogenannte Merveilleuse, der weibliche Gegenpart zum Pariser Dandy, der als Incroyable bezeichnet wurde. Beide waren das Produkt der ausgesprochen hedonistischen und frivolen französischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende, des letzten Kapitels der Französischen Revolution vor der Einsetzung des Premier Empire. Nach den Gefahren und der Unterdrückung des jakobinischen Terrors und der Hinrichtung Robespierres 1794 erfreuten sich die Pariser wieder am Leben, und das mit erstaunlichem Elan, wobei sie ein luxuriöses Klima schufen, das sich nur mit den letzten Tagen des Ancien Régime vergleichen lässt. Ob als Katharsis oder in dem Bedürfnis, sich mit den Überlebenden der Schreckensherrschaft zu verbinden, begrüßten sie die neue Freiheit mit einem Überschwang von Prunk und Dekadenz. Es gab unzählige Bälle und Modetrends, und Kunst und Handwerk gelangten abermals zur Blüte. Neu begründetes Vermögen verlangte danach, durch Bezugnahmen auf die Antike – vor allem auf Rom und Griechenland – geadelt zu werden, als deren rechtmäßige Erbin sich die Republik stilisierte. Daraus erklärt sich der Peplos aus gelber Seide, ein Kleid im griechischen Modestil, das die Dargestellte des vorliegenden Gemäldes trägt und dessen Historismus durch die am Oberarm getragene Armspange im Stil der Antike unterstrichen wird. Die Merveilleuses schockierten Paris mit Kleidern und Tuniken nach dem Vorbild der alten Griechen und Römer. Sie waren aus leichtem, ja durchscheinendem Leinen oder aus Gaze und gaben zuweilen so viel preis, dass man sie auch als „gewebte Luft“ bezeichnete. Zu den Merveilleuses gehörten abgesehen von der berühmt-berüchtigten Madame Tallien auch Anne-Françoise Lange, Juliette Récamier und Hortense de Beauharnais. Die Pariser Gesellschaft verglich Germaine de Staël und Mme Raguet mit Minerva und Juno und benannte ihre Kleidung nach römischen Gottheiten: Es gab Kleider à la Flora oder Diana und Tuniken à la Ceres oder Minerva.
Berthélemy war ein beliebter Künstler der Wende zum 19. Jahrhundert. Er war ein Schüler von Noël Hallé und gewann 1767 den Prix de Rome. Später war er Professor an der Académie royale de peinture et de sculpture, und seine zahlreichen privaten und öffentlichen Aufträge, darunter das Hôtel de l’Intendance de Champagne in Châlons-sur-Marne, zeugen von seiner Popularität. Kurz bevor er das vorliegende Porträt malte, begleitete er Napoleon auf dessen Italienfeldzug, um für ihn die Schlachten in Gemälden festzuhalten. Zudem hatte er die Aufgabe, einige der italienischen Kunstschätze zu katalogisieren, die nach Paris überführt werden sollten. Angesichts seiner Nähe zu Napoleon ist die Annahme, dass es sich bei der unbekannten Dame dieses Porträts um eine der Bonaparte-Schwestern handeln könnte, nicht von der Hand zu weisen.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 15.10.2013 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 05.10. - 15.10.2013

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