Lot Nr. 595


Guido Reni


(Bologna 1575–1642)
Fortuna mit Geldbeutel,
Öl auf Leinwand, 152 x 130 cm, gerahmt

Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, ca. 1636;
Graf Benadduce Benadduci, Tolentino, ca. 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, ca. 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Sivleri-Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung

Literatur:
C. C. Malvasia, Felsina pittrice, Bologna 1678, Ausg. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’ professori del disegno da Cimabue in qua, 1681–1774, V, Florenz 1702, S. 327–328 (Ausg. Florenz 1812, X, S. 341/42);
G. Benaducci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadducie memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Filefo, Tolentino 1886, S. 20/21 (als Guido Reni);
G. Garboli und E. Bacceschi, L´opera completa di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b 8 (als Kopie);
A. Busiri Vici, Contributi per ‚La Fortuna’ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell´arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232;
R. Petrangolini Benedetti Panici, ‚La Fortuna’ di Guido Reni, in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57, S. 55 Abb. 3;
S. D. Pepper, Guido Reni: A Complete Catalogue of His Works with an Introductory Text, Oxford 1984, S. 277, Nr. 166A.I (als Kopie);
S. D. Pepper, Guido Reni, l´opera completa, 1988, S. 287, Anm. 1, copie, Nr. 1 (als Kopie);
S. D. Pepper und D. Mahon, Guido Reni’s ‚Fortuna with Purse’ Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156–163 (als Guido Reni).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine überaus bedeutende Wiederentdeckung.
Wir danken Professor Daniele Benati, Professor Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des Gemäldes nach dessen Prüfung im Original unabhängig voneinander bestätigt haben.

Laut Benati ist das vorliegende Gemälde eine zur Gänze eigenhändige Version Guido Renis von außerordentlicher Qualität und höchstem kunstgeschichtlichem Stellenwert. Schleier bestätigt, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um das nicht vollendete ursprüngliche Original Guido Renis handelt; Nicolas Turner hält das vorliegende Gemälde für eines der Meisterwerke aus Guido Renis Spätzeit, das als „work in progress“ interessante Einblicke in Renis künstlerisches Schaffen gewährt.

Ihre große Bedeutung verdankt das Werk nicht nur seiner hohen malerischen Qualität, sondern auch dem äußerst gelungenen ikonografischen Zugang, der zweifellos richtungweisend war. Das Bild befand sich in namhaften Sammlungen und galt bis vor kurzem als verloren. Durch Nachforschungen von Stephen D. Pepper und Sir Denis Mahon ist es gelungen, die Provenienz zum Teil nachzuzeichnen und die Entstehungsgeschichte des Gemäldes zu rekonstruieren. Erschwert wurde dies durch die Existenz eines weiteren Gemäldes von der Hand Renis zu diesem Thema, auf dem Fortuna statt des Geldbeutels eine Krone in der Hand hält (siehe Abb.1).

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst jene Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war vom Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti in Bologna in Auftrag gegeben worden. Reni übergab das Bild unvollendet und bat darum, es nicht auszustellen. Gavotti hielt sich nicht an die Abmachung: Er bat Girolamo Scarselli, eine Radierung vom Bild anzufertigen (siehe Abb.2), und präsentierte es zudem in einer der Ausstellungen, die Adelsfamilien in den Bologneser Säulenhallen veranstalteten, um die religiösen Feste ihrer Pfarren, die sogenannten „decennali eucaristiche“, zu begehen. Verärgert über diesen Affront nahm Reni prompt die Arbeit an einer zweiten Version des Gemäldes auf. In einer für ihn typischen Angewohnheit verwendete er als Vorlage eine von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola begonnene Kopie und vollendete diese mit der einzigen Abweichung, dass Fortuna statt des Geldbeutels eine Krone in der rechten Hand hielt. Dieses zweite Gemälde – dem Baldinucci einen „weit größeren Wert“ als jenem Gavottis beimaß, wiewohl es nur zum Teil von Reni selbst stammte – wurde 1639 von Luca Assarino in Renis Ateiler gesichtet (Sensi di umiltà e di stupore intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646) und anschließend von Monsignore Jacopo Altoviti aus Florenz erworben, der vermutlich gerade seinen Cousin Kardinal Sacchetti, von 1637 bis 1640 päpstlicher Legat zu Bologna, besuchte.
Während sich die Version mit der Krone aus Altovitis Besitz heute nachweislich in einer Privatsammlung in den Vereinigten Staaten befindet, nachdem sie 1987 und 1991 auf dem Londoner Markt aufgetaucht war (siehe dazu D. S. Pepper, Guido Reni. L‘opera completa, Turin 1988, Nr. 159, Tafel. XII), finden sich in Carlo Cesare Malvasias Felsina pittrice (1678) nähere Hinweise zur Urversion mit dem Geldbeutel: Dort heißt es, Abt Gavotti habe das unvollendete Bild („non finita ancora“) wieder verkauft und doppelt so viel dafür bekommen, wie er Reni bezahlt hatte – nämlich „sechshundert Scudi“. Demnach muss es sich bei dem Bild, das noch im 19. Jahrhundert im Genueser Palazzo Gavotti verzeichnet wurde, um eine Kopie gehandelt haben, die Gavotti vor dem erfolgten Verkauf des Bildes in Auftrag gegeben hatte (F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641).

Neben einem abweichenden Holzschnitt von Bartolomeo Coriolano und der bereits erwähnten Radierung Scarsellis (Rossoni, op. cit., S. 68–69, Nr. 29, 31) zeugen etliche Werkstattwiederholungen von der Bekanntheit des Gemäldes, von denen einige bis heute erhalten sind. Von einer Kopie, die sich ursprünglich in der Bologneser Sammlung Herolcani befand und Elisabetta Sirani zugeschrieben war und die laut eines Hinweises der Felsina pittrice (1841, II, S. 24, Anm. 1) erst vor kurzem in England verkauft worden war, ist hingegen nichts bekannt. Jedenfalls vermachte der Restaurator Antonio Castellano 1924 eine weitere Kopie der Vatikanischen Pinakothek. Bei dieser handelt es sich um das Gemälde aus der Sammlung Sacchetti in Rom, das in einer Inventarliste der Jahre 1647–1655 noch als vermutliche Arbeit Siranis geführt wird, während in späteren Inventaren sowohl Giovanni Francesco Gessi als auch Reni selbst als Urheber genannt werden. Bevor das vorliegende Gemälde wieder aufgetaucht ist, galt das Exemplar in der Gemäldesammlung des Vatikans als Originalwerk, das Reni ursprünglich für Gavotti geschaffen hatte (siehe Pepper, op. cit., Nr. 158, Abb. 148).

Nachforschungen Peppers und Mahons haben ergeben, dass sich das vorliegende Gemälde neben zahlreichen anderen Werken aus Bologna (von Reni, Guercino) in der bedeutenden Sammlung des Adelsgeschlechts der Benadduci von Tolentino befand. Im Jahr 1925 bot es Stefano Gentiloni, ein Spross der Familie, ohne Erfolg der Gemäldesammlung des Vatikans zum Kauf an. Das Bild war 1886, als es sich noch im Palazzo Benadduci in Tolentino befunden hatte, stark übermalt worden; einer von Pepper und Mahon in die Wege geleiteten Restaurierung ist es zu verdanken, dass die ursprüngliche Leuchtkraft des Originals und damit sein in den Quellen beschriebener „unvollendeter Charakter“ wieder hergestellt werden konnten: Neben dem Blau des Himmels, dem die letzte velatura fehlt, sind deutlich Pentimenti zu erkennen, etwa im rosafarbenen Tuch, das sich um die Göttin legt, sowie an der Haltung ihres linken Beines und in den Wolken. Im direkten Vergleich mit dem 1924 der Vatikanischen Pinakothek vermachten Exemplar wird auch die weitaus freiere Maltechnik ersichtlich, durch die der weiche Teint erzielt wurde, der für Guido Renis Arbeiten um 1636/37 typisch ist – also für jene Schaffensperiode, der das vorliegende Bild dank der oben genannten dokumentarischen Hinweise zugeordnet werden kann.

Nachdem der Kern der Sammlung Benadduci durch Ankäufe des Grafen Benadduce Benadduci (gest. 1643), der ab 1638 das Amt des Uditore del Torrone von Bologna bekleidete, zusammengetragen worden war, ist davon auszugehen, dass er das Gemälde direkt von Gavotti erwarb. Oft ist es dem Standort einer Sammlung fernab der Zentren der internationalen Kunstszene zuzuschreiben, dass ein Werk in Vergessenheit gerät. Das war auch bei diesem wunderschönen Gemälde der Fall, bis seine kürzliche Wiederentdeckung uns eines der außerordentlichsten und bereits damals gefeierten Meisterwerke Guido Renis aus dessen später Schaffensperiode beschert hat.

Die Komposition zeigt Fortuna, die Göttin des Schicksals und Verkörperung des Glücks, lediglich mit einem wehenden rosa Tuch bekleidet. Über dem Erdball schwebend, hält sie in der linken Hand ein Palmblatt und ein Zepter, während Münzen und Juwelen aus einem kleinen Beutel in ihrer Rechten fallen. Sie wird von einem fliegenden Putto, einer Allegorie der Gelegenheit (gr. kairòs, lat. occasio), zurückgehalten, der an ihrem offenen Haar zieht. Ab dem Mittelalter wurde Fortuna als Anspielung auf die zyklische Natur ihres Handelns am Rad des Lebens dargestellt. Später wurde ihre Darstellung um das kontrastierende Element des Zufalls erweitert, was ihren Einfluss auf das Leben des Menschen ungewisser und unberechenbarer erscheinen ließ (E. Rossoni, in: Dea Fortuna. Iconografia di un mito, hrsg. von M. Rossi, Ausst.-Kat., Carpi 2010, S. 18).

Wir danken Daniele Benati für seine Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Bildes.

Zusatzabbildungen
Guido Reni, Fortuna mit Krone, Öl auf Leinwand, 163,8 x 131 cm, Privatsammlung USA
Girolamo Scarselli nach Guido Reni, Radierung, Harvard Art Museum, William M. Prichard Fund, S1.71.2 Allan Macintyre © President and Fellows of Harvard College

15.10.2013 - 18:00

Schätzwert:
EUR 800.000,- bis EUR 1.200.000,-

Guido Reni


(Bologna 1575–1642)
Fortuna mit Geldbeutel,
Öl auf Leinwand, 152 x 130 cm, gerahmt

Provenienz:
Abt Giovanni Carlo Gavotti, Bologna, ca. 1636;
Graf Benadduce Benadduci, Tolentino, ca. 1638;
im Erbgang an Olimpia Benadduci, ca. 1750;
im Erbgang an Stefano Gentiloni, Tolentino 1925;
im Erbgang an die Familie Gentiloni, Palazzo Sivleri-Gentiloni, Tolentino;
europäische Privatsammlung

Literatur:
C. C. Malvasia, Felsina pittrice, Bologna 1678, Ausg. Bologna 1841, I, S. 96/97, II, S. 24, 31, 320;
F. Baldinucci, Notizie de’ professori del disegno da Cimabue in qua, 1681–1774, V, Florenz 1702, S. 327–328 (Ausg. Florenz 1812, X, S. 341/42);
G. Benaducci, Cenni Biografici sul Benadduce Benadducie memorie sui dipinti da lui allogati al Guercino ed a Guido Reni, Filefo, Tolentino 1886, S. 20/21 (als Guido Reni);
G. Garboli und E. Bacceschi, L´opera completa di Guido Reni, Mailand 1971, Nr. 117b 8 (als Kopie);
A. Busiri Vici, Contributi per ‚La Fortuna’ di Guido Reni, in: Studi di Storia dell´arte in onore di Antonio Morassi, Rom 1971, S. 232;
R. Petrangolini Benedetti Panici, ‚La Fortuna’ di Guido Reni, in: Notizie da Palazzo Albani, X, 1976, Nr. 2, S. 56/57, S. 55 Abb. 3;
S. D. Pepper, Guido Reni: A Complete Catalogue of His Works with an Introductory Text, Oxford 1984, S. 277, Nr. 166A.I (als Kopie);
S. D. Pepper, Guido Reni, l´opera completa, 1988, S. 287, Anm. 1, copie, Nr. 1 (als Kopie);
S. D. Pepper und D. Mahon, Guido Reni’s ‚Fortuna with Purse’ Rediscovered, in: The Burlington Magazine, CXLI, 1999, S. 156–163 (als Guido Reni).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine überaus bedeutende Wiederentdeckung.
Wir danken Professor Daniele Benati, Professor Erich Schleier und Nicholas Turner, die die Zuschreibung des Gemäldes nach dessen Prüfung im Original unabhängig voneinander bestätigt haben.

Laut Benati ist das vorliegende Gemälde eine zur Gänze eigenhändige Version Guido Renis von außerordentlicher Qualität und höchstem kunstgeschichtlichem Stellenwert. Schleier bestätigt, dass es sich bei dem vorliegenden Werk um das nicht vollendete ursprüngliche Original Guido Renis handelt; Nicolas Turner hält das vorliegende Gemälde für eines der Meisterwerke aus Guido Renis Spätzeit, das als „work in progress“ interessante Einblicke in Renis künstlerisches Schaffen gewährt.

Ihre große Bedeutung verdankt das Werk nicht nur seiner hohen malerischen Qualität, sondern auch dem äußerst gelungenen ikonografischen Zugang, der zweifellos richtungweisend war. Das Bild befand sich in namhaften Sammlungen und galt bis vor kurzem als verloren. Durch Nachforschungen von Stephen D. Pepper und Sir Denis Mahon ist es gelungen, die Provenienz zum Teil nachzuzeichnen und die Entstehungsgeschichte des Gemäldes zu rekonstruieren. Erschwert wurde dies durch die Existenz eines weiteren Gemäldes von der Hand Renis zu diesem Thema, auf dem Fortuna statt des Geldbeutels eine Krone in der Hand hält (siehe Abb.1).

Laut Filippo Baldinuccis Notizie de’ professori del disegno (1702) malte Guido Reni zuerst jene Fassung, in der Fortuna mit dem Geldbeutel dargestellt ist. Sie war vom Bologneser Abt Giovanni Carlo Gavotti in Bologna in Auftrag gegeben worden. Reni übergab das Bild unvollendet und bat darum, es nicht auszustellen. Gavotti hielt sich nicht an die Abmachung: Er bat Girolamo Scarselli, eine Radierung vom Bild anzufertigen (siehe Abb.2), und präsentierte es zudem in einer der Ausstellungen, die Adelsfamilien in den Bologneser Säulenhallen veranstalteten, um die religiösen Feste ihrer Pfarren, die sogenannten „decennali eucaristiche“, zu begehen. Verärgert über diesen Affront nahm Reni prompt die Arbeit an einer zweiten Version des Gemäldes auf. In einer für ihn typischen Angewohnheit verwendete er als Vorlage eine von seinem Veroneser Schüler Antonio Giarola begonnene Kopie und vollendete diese mit der einzigen Abweichung, dass Fortuna statt des Geldbeutels eine Krone in der rechten Hand hielt. Dieses zweite Gemälde – dem Baldinucci einen „weit größeren Wert“ als jenem Gavottis beimaß, wiewohl es nur zum Teil von Reni selbst stammte – wurde 1639 von Luca Assarino in Renis Ateiler gesichtet (Sensi di umiltà e di stupore intorno la grandezza dell’Eminentissimo Cardinale Sacchetti, e le pitture di Guido Reni, Genua 1646) und anschließend von Monsignore Jacopo Altoviti aus Florenz erworben, der vermutlich gerade seinen Cousin Kardinal Sacchetti, von 1637 bis 1640 päpstlicher Legat zu Bologna, besuchte.
Während sich die Version mit der Krone aus Altovitis Besitz heute nachweislich in einer Privatsammlung in den Vereinigten Staaten befindet, nachdem sie 1987 und 1991 auf dem Londoner Markt aufgetaucht war (siehe dazu D. S. Pepper, Guido Reni. L‘opera completa, Turin 1988, Nr. 159, Tafel. XII), finden sich in Carlo Cesare Malvasias Felsina pittrice (1678) nähere Hinweise zur Urversion mit dem Geldbeutel: Dort heißt es, Abt Gavotti habe das unvollendete Bild („non finita ancora“) wieder verkauft und doppelt so viel dafür bekommen, wie er Reni bezahlt hatte – nämlich „sechshundert Scudi“. Demnach muss es sich bei dem Bild, das noch im 19. Jahrhundert im Genueser Palazzo Gavotti verzeichnet wurde, um eine Kopie gehandelt haben, die Gavotti vor dem erfolgten Verkauf des Bildes in Auftrag gegeben hatte (F. Alizeri, Guida artistica per la città di Genova, Genua 1846, II, S. 641).

Neben einem abweichenden Holzschnitt von Bartolomeo Coriolano und der bereits erwähnten Radierung Scarsellis (Rossoni, op. cit., S. 68–69, Nr. 29, 31) zeugen etliche Werkstattwiederholungen von der Bekanntheit des Gemäldes, von denen einige bis heute erhalten sind. Von einer Kopie, die sich ursprünglich in der Bologneser Sammlung Herolcani befand und Elisabetta Sirani zugeschrieben war und die laut eines Hinweises der Felsina pittrice (1841, II, S. 24, Anm. 1) erst vor kurzem in England verkauft worden war, ist hingegen nichts bekannt. Jedenfalls vermachte der Restaurator Antonio Castellano 1924 eine weitere Kopie der Vatikanischen Pinakothek. Bei dieser handelt es sich um das Gemälde aus der Sammlung Sacchetti in Rom, das in einer Inventarliste der Jahre 1647–1655 noch als vermutliche Arbeit Siranis geführt wird, während in späteren Inventaren sowohl Giovanni Francesco Gessi als auch Reni selbst als Urheber genannt werden. Bevor das vorliegende Gemälde wieder aufgetaucht ist, galt das Exemplar in der Gemäldesammlung des Vatikans als Originalwerk, das Reni ursprünglich für Gavotti geschaffen hatte (siehe Pepper, op. cit., Nr. 158, Abb. 148).

Nachforschungen Peppers und Mahons haben ergeben, dass sich das vorliegende Gemälde neben zahlreichen anderen Werken aus Bologna (von Reni, Guercino) in der bedeutenden Sammlung des Adelsgeschlechts der Benadduci von Tolentino befand. Im Jahr 1925 bot es Stefano Gentiloni, ein Spross der Familie, ohne Erfolg der Gemäldesammlung des Vatikans zum Kauf an. Das Bild war 1886, als es sich noch im Palazzo Benadduci in Tolentino befunden hatte, stark übermalt worden; einer von Pepper und Mahon in die Wege geleiteten Restaurierung ist es zu verdanken, dass die ursprüngliche Leuchtkraft des Originals und damit sein in den Quellen beschriebener „unvollendeter Charakter“ wieder hergestellt werden konnten: Neben dem Blau des Himmels, dem die letzte velatura fehlt, sind deutlich Pentimenti zu erkennen, etwa im rosafarbenen Tuch, das sich um die Göttin legt, sowie an der Haltung ihres linken Beines und in den Wolken. Im direkten Vergleich mit dem 1924 der Vatikanischen Pinakothek vermachten Exemplar wird auch die weitaus freiere Maltechnik ersichtlich, durch die der weiche Teint erzielt wurde, der für Guido Renis Arbeiten um 1636/37 typisch ist – also für jene Schaffensperiode, der das vorliegende Bild dank der oben genannten dokumentarischen Hinweise zugeordnet werden kann.

Nachdem der Kern der Sammlung Benadduci durch Ankäufe des Grafen Benadduce Benadduci (gest. 1643), der ab 1638 das Amt des Uditore del Torrone von Bologna bekleidete, zusammengetragen worden war, ist davon auszugehen, dass er das Gemälde direkt von Gavotti erwarb. Oft ist es dem Standort einer Sammlung fernab der Zentren der internationalen Kunstszene zuzuschreiben, dass ein Werk in Vergessenheit gerät. Das war auch bei diesem wunderschönen Gemälde der Fall, bis seine kürzliche Wiederentdeckung uns eines der außerordentlichsten und bereits damals gefeierten Meisterwerke Guido Renis aus dessen später Schaffensperiode beschert hat.

Die Komposition zeigt Fortuna, die Göttin des Schicksals und Verkörperung des Glücks, lediglich mit einem wehenden rosa Tuch bekleidet. Über dem Erdball schwebend, hält sie in der linken Hand ein Palmblatt und ein Zepter, während Münzen und Juwelen aus einem kleinen Beutel in ihrer Rechten fallen. Sie wird von einem fliegenden Putto, einer Allegorie der Gelegenheit (gr. kairòs, lat. occasio), zurückgehalten, der an ihrem offenen Haar zieht. Ab dem Mittelalter wurde Fortuna als Anspielung auf die zyklische Natur ihres Handelns am Rad des Lebens dargestellt. Später wurde ihre Darstellung um das kontrastierende Element des Zufalls erweitert, was ihren Einfluss auf das Leben des Menschen ungewisser und unberechenbarer erscheinen ließ (E. Rossoni, in: Dea Fortuna. Iconografia di un mito, hrsg. von M. Rossi, Ausst.-Kat., Carpi 2010, S. 18).

Wir danken Daniele Benati für seine Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Bildes.

Zusatzabbildungen
Guido Reni, Fortuna mit Krone, Öl auf Leinwand, 163,8 x 131 cm, Privatsammlung USA
Girolamo Scarselli nach Guido Reni, Radierung, Harvard Art Museum, William M. Prichard Fund, S1.71.2 Allan Macintyre © President and Fellows of Harvard College


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+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 15.10.2013 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 05.10. - 15.10.2013

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