Lot Nr. 68


Peter Paul Rubens und Werkstatt


Peter Paul Rubens und Werkstatt - Alte Meister

(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Meleager überreicht Atalante den Schädel des Kalydonischen Ebers,
Öl auf Holz, 76 x 57,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Baron Alphonse James de Rothschild (1827–1905), Paris (vor 1906);
Sammlung der Familie Rothschild, Château de Ferrières;
konfisziert vom ERR Paris am 5. November 1940;
transferiert zu Hermann Göring;
restituiert an die Familie Rothschild 1946;
im Erbgang an den Vorbesitzer;
Europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, 13. April 2011, Los 425;
Europäische Privatsammlung

Literatur:
M. Rooses, L’Oeuvre de Peter Paul Rubens, Bd. III, 1886, Nr. 642 (als P. P. Rubens);
L’Art, Paris 1905, S. 26;
P. Kaemmerer, Tschudis Eingriffe in zwei Bilder des Rubens – Eine Kritik, München 1910 (als P. P. Rubens);
G. Glück, Die angebliche Verstümmelung eines Rubens’schen Bildes und die Aufgaben der Galeriebeamten, aus: Ztschr. für Bildende Kunst, 1910, Nr. XXI, S. 289–294, in: G. Glück, Gesammelte Aufsätze, hrsg. von L. Burchard und R. Eigenberger, Wien 1933, S. 172–174 und S. 396;
J. Denucé, Na Peter Paul Rubens, Documenten uit den Kunsthandel te Antwerpen in de XVII eeuw van Matthijs Musson, Antwerpen 1949;
Kat. Walker Art Gallery, Liverpool, 1977, unter Nr. 1181;
H. Falkner von Sonnenburg, F. Preußer, Peter Paul Rubens, Meleager und Atalante, in: Maltechnik-Restauro 1, München 1979 („… scheint die Vermutung gerechtfertigt, dass es auch für ‚Meleager und Atalante‘ einen Entwurf in Form einer Ölskizze gegeben hat“);
J. Held, The Oil Sketches of Peter Paul Rubens, Bd. II, Princeton 1980, unter Kat. Nr. 252 (Hier verwechselte Held das vorliegende Gemälde mit einer unbekannten Kopie auf Leinwand von stark abweichendem Maß, J. Müller-Hofstede geht davon aus, dass es Held unbekannt geblieben ist);
K. Renger, C. Denk, Flämische Malerei des Barocks in der Alten Pinakothek, München 2000, S. 365
Diese aus der berühmten Sammlung des Bankiers Alphonse de Rothschild stammende Studie illustriert anschaulich die Arbeitsmethoden von Rubens und seiner Werkstatt. Es handelt sich um eine Version von Meleager und Atalante in der Alten Pinakothek, München (Inv. Nr. 335, Öl auf Leinwand, 199,9 x 151,3 cm, ehemals in der kurfürstlichen Galerie Schloss Schleißheim). Atalante, in der griechischen Mythologie eine berühmte Jägerin, und Meleager, Sohn des Königs Oineus von Kaledonien, beteiligten sich an der Jagd auf den kaledonischen Eber, den Artemis als Strafe für ein unterlassenes Dankopfer des Königs geschickt hatte. Atalante und Meleager verliebten sich ineinander. Rubens zeigt hier Meleager, der den Kopf des getöteten Ebers der geliebten Atalante überreicht. Anders als auf einer ca. 20 Jahre früher entstandenen Komposition ist hier Amor eingefügt, der die Mittlerrolle zwischen dem Werben Meleagers und dem scheuen Zurückweichen Atalantes übernimmt. Das großformatige Münchener Gemälde erfuhr im Lauf der Zeit einige grundlegende Veränderungen. Bereits im 17. Jahrhundert wurden rechts ein fantasielos ausgeschmücktes Element von ca. einem Meter Breite, im späten 18. Jahrhundert links ein weiterer schmaler Streifen angefügt. Beide Elemente wurden 1910 unter dem damaligen Direktor Hugo v. Tschudi als Hinzufügungen erkannt und nach hinten umgeschlagen. Anlässlich ihrer endgültigen Entfernung unternahm der Restaurator Hubert v. Sonnenburg eine gründliche Untersuchung des Münchener Bildes, deren Rückschlüsse für die Identifizierung des vorliegenden Gemäldes wichtig sind. Zunächst ist zu beobachten, dass erste Hinzufügungen bereits sehr früh erfolgten, was eine um 1645 zum Kauf angebotene Kopie bestätigt (vgl. J. Denucé, op. cit., S. 41, Dok. 58, Nr. 1). Sonnenburg entdeckte mehrere Pentimenti, die auf massive Veränderungen durch Rubens selbst während des Entstehungsprozesses in der Werkstatt schließen lassen. Er kam daher zu dem Schluss, dass sich das Gemälde für einen längeren Zeitraum im Atelier befunden haben muss und dass Rubens „nach einem unbestimmbaren zeitlichen Abstand Überarbeitungen vorgenommen hat“ (H. v. Sonnenburg, S. 103).
Das vorliegende Gemälde könnte eine im Rahmen der Überarbeitungen in der Werkstatt entstandene Skizze sein. Dafür sprechen die leichten Abweichungen vom Münchener Bild, wobei die Skizze viele typische Elemente von Rubens‘ Arbeitsweise zeigt. Es ist erstaunlich, dass sich keine Skizzen der Gesamtkomposition erhalten haben. Bei dem vorliegenden Gemälde könnte es sich um eine solche Arbeit handeln. Insbesondere die Tatsache, dass an der Komposition erwiesenermaßen mehrere Schüler mitwirkten, so z. B. Frans Snijders, der den auf dem Münchener Gemälde zu sehenden Hund schuf, lässt auf eine intensive Vorarbeit und Beschäftigung des Meisters mit diesem Auftrag schließen. Die Münchener Version wird allgemein auf 1635 datiert. Wie Sonnenburg nachwies, befand sich das Gemälde jedoch über einen längeren Zeitraum, vielleicht über Jahre, in der Werkstatt. Eine in der Literatur immer wieder erwähnte Datierung des Bildes hat sich im Verlauf einer intensiven konservatorischen Untersuchung als zumindest teilweise spätere Hinzufügung erwiesen. Da bereits 1645 einige Kopien der erweiterten Komposition im Umlauf waren, die nicht mehr dem vorliegenden Gemälde entsprachen und auch nicht mehr der von späteren Hinzufügungen seit 1910 wieder befreiten Münchener Version, muss das vorliegende Bild vorher entstanden sein. Die frühere Literatur ging davon aus, dass die Rothschild-Tafel eine Skizze, also eine Vorstudie zum Münchener Gemälde sei.
In diesem Zusammenhang sind die stilistischen Übereinstimmungen und physiognomischen Ähnlichkeiten zu Jan Myssens Stich nach Rubens interessant. Er steht dem vorliegenden Gemälde viel näher als der Münchener Version. Es könnte sich daher um eine kleinere Version des Münchener Bildes handeln, die der druckgrafischen Reproduktion dienen sollte. Dieses Verfahren kam in der Rubens-Werkstatt häufig vor. Darauf weist auch Justus Müller-Hofstede in einem Gutachten hin. Er identifiziert das Gemälde in jedem Fall als eine wichtige Vorstufe der Münchener Version, womit er sich dem Kanon der Rubens-Forschung anschließt, die das vorliegende Gemälde schon früh als eine solche Studie bewertete. Dieses Verfahren der Verwendung von Studien sowohl in ihrem üblichen Sinne wie auch zur druckgrafischen Reproduktion war gängige Praxis in der Rubens-Werkstatt. Der französische Sammler Pierre Jean Mariette berichtete über Rubens‘ persönliche Anteilnahme an den in seiner Werkstatt hergestellten druckgraphischen Reproduktionen seiner Gemälde (K. Renger, Rubens dedit dedicavitque, Rubens’ Beschäftigung mit der Reproduktionsgraphik, I, Der Kupferstich, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 16, 1974, S. 123f.). Er überarbeitete selbst fertiggestellte Gemälde aufgrund neuer im Zusammenhang mit den Reproduktionen entstandener Ideen (ebd., S. 174). Somit offenbart das vorliegende Gemälde stringente Möglichkeiten zum Verständnis der Arbeitsweise des großen flämischen Meisters.

Provenienz:
Sammlung Baron Alphonse James de Rothschild (1827–1905), Paris (vor 1906);
Sammlung der Familie Rothschild, Château de Ferrières;
im Erbgang an den Vorbesitzer;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, 13. April 2011, Lot 425;
europäische Privatsammlung

Literatur:
M. Rooses, L’Oeuvre de Peter Paul Rubens, Bd. III, 1886, Nr. 642 (als P. P. Rubens);
L’Art, Paris 1905, S. 26;
P. Kaemmerer, Tschudis Eingriffe in zwei Bilder des Rubens – Eine Kritik, München 1910 (als P. P. Rubens);
G. Glück, Die angebliche Verstümmelung eines Rubens’schen Bildes und die Aufgaben der Galeriebeamten, aus: Ztschr. für Bildende Kunst, 1910, Nr. XXI, S. 289–294, in: G. Glück, Gesammelte Aufsätze, hrsg. von L. Burchard und R. Eigenberger, Wien 1933, S. 172–174 und S. 396;
J. Denucé, Na Peter Paul Rubens, Documenten uit den Kunsthandel te Antwerpen in de XVII eeuw van Matthijs Musson, Antwerpen 1949;
Kat. Walker Art Gallery, Liverpool, 1977, unter Nr. 1181;
H. Falkner von Sonnenburg, F. Preußer, Peter Paul Rubens, Meleager und Atalante, in: Maltechnik-Restauro 1, München 1979 („… scheint die Vermutung gerechtfertigt, dass es auch für ‚Meleager und Atalante‘ einen Entwurf in Form einer Ölskizze gegeben hat“);
J. Held, The Oil Sketches of Peter Paul Rubens, Bd. II, Princeton 1980, unter Kat. Nr. 252 (Hier verwechselte Held das vorliegende Gemälde mit einer unbekannten Kopie auf Leinwand von stark abweichendem Maß, J. Müller-Hofstede geht davon aus, dass es Held unbekannt geblieben ist);
K. Renger, C. Denk, Flämische Malerei des Barocks in der Alten Pinakothek, München 2000, S. 365

Diese aus der berühmten Sammlung des Bankiers Alphonse de Rothschild stammende Studie illustriert anschaulich die Arbeitsmethoden von Rubens und seiner Werkstatt. Es handelt sich um eine Version von Meleager und Atalante in der Alten Pinakothek, München (Inv. Nr. 335, Öl auf Leinwand, 199,9 x 151,3 cm, ehemals in der kurfürstlichen Galerie Schloss Schleißheim). Atalante, in der griechischen Mythologie eine berühmte Jägerin, und Meleager, Sohn des Königs Oineus von Kaledonien, beteiligten sich an der Jagd auf den kaledonischen Eber, den Artemis als Strafe für ein unterlassenes Dankopfer des Königs geschickt hatte. Atalante und Meleager verliebten sich ineinander. Rubens zeigt hier Meleager, der den Kopf des getöteten Ebers der geliebten Atalante überreicht. Anders als auf einer ca. 20 Jahre früher entstandenen Komposition ist hier Amor eingefügt, der die Mittlerrolle zwischen dem Werben Meleagers und dem scheuen Zurückweichen Atalantes übernimmt. Das großformatige Münchener Gemälde erfuhr im Lauf der Zeit einige grundlegende Veränderungen. Bereits im 17. Jahrhundert wurden rechts ein fantasielos ausgeschmücktes Element von ca. einem Meter Breite, im späten 18. Jahrhundert links ein weiterer schmaler Streifen angefügt. Beide Elemente wurden 1910 unter dem damaligen Direktor Hugo v. Tschudi als Hinzufügungen erkannt und nach hinten umgeschlagen. Anlässlich ihrer endgültigen Entfernung unternahm der Restaurator Hubert v. Sonnenburg eine gründliche Untersuchung des Münchener Bildes, deren Rückschlüsse für die Identifizierung des vorliegenden Gemäldes wichtig sind. Zunächst ist zu beobachten, dass erste Hinzufügungen bereits sehr früh erfolgten, was eine um 1645 zum Kauf angebotene Kopie bestätigt (vgl. J. Denucé, op. cit., S. 41, Dok. 58, Nr. 1). Sonnenburg entdeckte mehrere Pentimenti, die auf massive Veränderungen durch Rubens selbst während des Entstehungsprozesses in der Werkstatt schließen lassen. Er kam daher zu dem Schluss, dass sich das Gemälde für einen längeren Zeitraum im Atelier befunden haben muss und dass Rubens „nach einem unbestimmbaren zeitlichen Abstand Überarbeitungen vorgenommen hat“ (H. v. Sonnenburg, S. 103).

Das vorliegende Gemälde könnte eine im Rahmen der Überarbeitungen in der Werkstatt entstandene Skizze sein. Dafür sprechen die leichten Abweichungen vom Münchener Bild, wobei die Skizze viele typische Elemente von Rubens‘ Arbeitsweise zeigt. Es ist erstaunlich, dass sich keine Skizzen der Gesamtkomposition erhalten haben. Bei dem vorliegenden Gemälde könnte es sich um eine solche Arbeit handeln. Insbesondere die Tatsache, dass an der Komposition erwiesenermaßen mehrere Schüler mitwirkten, so z. B. Frans Snijders, der den auf dem Münchener Gemälde zu sehenden Hund schuf, lässt auf eine intensive Vorarbeit und Beschäftigung des Meisters mit diesem Auftrag schließen. Die Münchener Version wird allgemein auf 1635 datiert. Wie Sonnenburg nachwies, befand sich das Gemälde jedoch über einen längeren Zeitraum, vielleicht über Jahre, in der Werkstatt. Eine in der Literatur immer wieder erwähnte Datierung des Bildes hat sich im Verlauf einer intensiven konservatorischen Untersuchung als zumindest teilweise spätere Hinzufügung erwiesen. Da bereits 1645 einige Kopien der erweiterten Komposition im Umlauf waren, die nicht mehr dem vorliegenden Gemälde entsprachen und auch nicht mehr der von späteren Hinzufügungen seit 1910 wieder befreiten Münchener Version, muss das vorliegende Bild vorher entstanden sein. Die frühere Literatur ging davon aus, dass die Rothschild-Tafel eine Skizze, also eine Vorstudie zum Münchener Gemälde sei.

In diesem Zusammenhang sind die stilistischen Übereinstimmungen und physiognomischen Ähnlichkeiten zu Jan Myssens Stich nach Rubens interessant. Er steht dem vorliegenden Gemälde viel näher als der Münchener Version. Es könnte sich daher um eine kleinere Version des Münchener Bildes handeln, die der druckgrafischen Reproduktion dienen sollte. Dieses Verfahren kam in der Rubens-Werkstatt häufig vor. Darauf weist auch Justus Müller-Hofstede in einem Gutachten hin. Er identifiziert das Gemälde in jedem Fall als eine wichtige Vorstufe der Münchener Version, womit er sich dem Kanon der Rubens-Forschung anschließt, die das vorliegende Gemälde schon früh als eine solche Studie bewertete. Dieses Verfahren der Verwendung von Studien sowohl in ihrem üblichen Sinne wie auch zur druckgrafischen Reproduktion war gängige Praxis in der Rubens-Werkstatt. Der französische Sammler Pierre Jean Mariette berichtete über Rubens‘ persönliche Anteilnahme an den in seiner Werkstatt hergestellten druckgraphischen Reproduktionen seiner Gemälde (K. Renger, Rubens dedit dedicavitque, Rubens’ Beschäftigung mit der Reproduktionsgraphik, I, Der Kupferstich, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 16, 1974, S. 123f.). Er überarbeitete selbst fertiggestellte Gemälde aufgrund neuer im Zusammenhang mit den Reproduktionen entstandener Ideen (ebd., S. 174). Somit offenbart das vorliegende Gemälde stringente Möglichkeiten zum Verständnis der Arbeitsweise des großen flämischen Meisters.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

17.10.2017 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 112.500,-
Schätzwert:
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-

Peter Paul Rubens und Werkstatt


(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Meleager überreicht Atalante den Schädel des Kalydonischen Ebers,
Öl auf Holz, 76 x 57,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Baron Alphonse James de Rothschild (1827–1905), Paris (vor 1906);
Sammlung der Familie Rothschild, Château de Ferrières;
konfisziert vom ERR Paris am 5. November 1940;
transferiert zu Hermann Göring;
restituiert an die Familie Rothschild 1946;
im Erbgang an den Vorbesitzer;
Europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, 13. April 2011, Los 425;
Europäische Privatsammlung

Literatur:
M. Rooses, L’Oeuvre de Peter Paul Rubens, Bd. III, 1886, Nr. 642 (als P. P. Rubens);
L’Art, Paris 1905, S. 26;
P. Kaemmerer, Tschudis Eingriffe in zwei Bilder des Rubens – Eine Kritik, München 1910 (als P. P. Rubens);
G. Glück, Die angebliche Verstümmelung eines Rubens’schen Bildes und die Aufgaben der Galeriebeamten, aus: Ztschr. für Bildende Kunst, 1910, Nr. XXI, S. 289–294, in: G. Glück, Gesammelte Aufsätze, hrsg. von L. Burchard und R. Eigenberger, Wien 1933, S. 172–174 und S. 396;
J. Denucé, Na Peter Paul Rubens, Documenten uit den Kunsthandel te Antwerpen in de XVII eeuw van Matthijs Musson, Antwerpen 1949;
Kat. Walker Art Gallery, Liverpool, 1977, unter Nr. 1181;
H. Falkner von Sonnenburg, F. Preußer, Peter Paul Rubens, Meleager und Atalante, in: Maltechnik-Restauro 1, München 1979 („… scheint die Vermutung gerechtfertigt, dass es auch für ‚Meleager und Atalante‘ einen Entwurf in Form einer Ölskizze gegeben hat“);
J. Held, The Oil Sketches of Peter Paul Rubens, Bd. II, Princeton 1980, unter Kat. Nr. 252 (Hier verwechselte Held das vorliegende Gemälde mit einer unbekannten Kopie auf Leinwand von stark abweichendem Maß, J. Müller-Hofstede geht davon aus, dass es Held unbekannt geblieben ist);
K. Renger, C. Denk, Flämische Malerei des Barocks in der Alten Pinakothek, München 2000, S. 365
Diese aus der berühmten Sammlung des Bankiers Alphonse de Rothschild stammende Studie illustriert anschaulich die Arbeitsmethoden von Rubens und seiner Werkstatt. Es handelt sich um eine Version von Meleager und Atalante in der Alten Pinakothek, München (Inv. Nr. 335, Öl auf Leinwand, 199,9 x 151,3 cm, ehemals in der kurfürstlichen Galerie Schloss Schleißheim). Atalante, in der griechischen Mythologie eine berühmte Jägerin, und Meleager, Sohn des Königs Oineus von Kaledonien, beteiligten sich an der Jagd auf den kaledonischen Eber, den Artemis als Strafe für ein unterlassenes Dankopfer des Königs geschickt hatte. Atalante und Meleager verliebten sich ineinander. Rubens zeigt hier Meleager, der den Kopf des getöteten Ebers der geliebten Atalante überreicht. Anders als auf einer ca. 20 Jahre früher entstandenen Komposition ist hier Amor eingefügt, der die Mittlerrolle zwischen dem Werben Meleagers und dem scheuen Zurückweichen Atalantes übernimmt. Das großformatige Münchener Gemälde erfuhr im Lauf der Zeit einige grundlegende Veränderungen. Bereits im 17. Jahrhundert wurden rechts ein fantasielos ausgeschmücktes Element von ca. einem Meter Breite, im späten 18. Jahrhundert links ein weiterer schmaler Streifen angefügt. Beide Elemente wurden 1910 unter dem damaligen Direktor Hugo v. Tschudi als Hinzufügungen erkannt und nach hinten umgeschlagen. Anlässlich ihrer endgültigen Entfernung unternahm der Restaurator Hubert v. Sonnenburg eine gründliche Untersuchung des Münchener Bildes, deren Rückschlüsse für die Identifizierung des vorliegenden Gemäldes wichtig sind. Zunächst ist zu beobachten, dass erste Hinzufügungen bereits sehr früh erfolgten, was eine um 1645 zum Kauf angebotene Kopie bestätigt (vgl. J. Denucé, op. cit., S. 41, Dok. 58, Nr. 1). Sonnenburg entdeckte mehrere Pentimenti, die auf massive Veränderungen durch Rubens selbst während des Entstehungsprozesses in der Werkstatt schließen lassen. Er kam daher zu dem Schluss, dass sich das Gemälde für einen längeren Zeitraum im Atelier befunden haben muss und dass Rubens „nach einem unbestimmbaren zeitlichen Abstand Überarbeitungen vorgenommen hat“ (H. v. Sonnenburg, S. 103).
Das vorliegende Gemälde könnte eine im Rahmen der Überarbeitungen in der Werkstatt entstandene Skizze sein. Dafür sprechen die leichten Abweichungen vom Münchener Bild, wobei die Skizze viele typische Elemente von Rubens‘ Arbeitsweise zeigt. Es ist erstaunlich, dass sich keine Skizzen der Gesamtkomposition erhalten haben. Bei dem vorliegenden Gemälde könnte es sich um eine solche Arbeit handeln. Insbesondere die Tatsache, dass an der Komposition erwiesenermaßen mehrere Schüler mitwirkten, so z. B. Frans Snijders, der den auf dem Münchener Gemälde zu sehenden Hund schuf, lässt auf eine intensive Vorarbeit und Beschäftigung des Meisters mit diesem Auftrag schließen. Die Münchener Version wird allgemein auf 1635 datiert. Wie Sonnenburg nachwies, befand sich das Gemälde jedoch über einen längeren Zeitraum, vielleicht über Jahre, in der Werkstatt. Eine in der Literatur immer wieder erwähnte Datierung des Bildes hat sich im Verlauf einer intensiven konservatorischen Untersuchung als zumindest teilweise spätere Hinzufügung erwiesen. Da bereits 1645 einige Kopien der erweiterten Komposition im Umlauf waren, die nicht mehr dem vorliegenden Gemälde entsprachen und auch nicht mehr der von späteren Hinzufügungen seit 1910 wieder befreiten Münchener Version, muss das vorliegende Bild vorher entstanden sein. Die frühere Literatur ging davon aus, dass die Rothschild-Tafel eine Skizze, also eine Vorstudie zum Münchener Gemälde sei.
In diesem Zusammenhang sind die stilistischen Übereinstimmungen und physiognomischen Ähnlichkeiten zu Jan Myssens Stich nach Rubens interessant. Er steht dem vorliegenden Gemälde viel näher als der Münchener Version. Es könnte sich daher um eine kleinere Version des Münchener Bildes handeln, die der druckgrafischen Reproduktion dienen sollte. Dieses Verfahren kam in der Rubens-Werkstatt häufig vor. Darauf weist auch Justus Müller-Hofstede in einem Gutachten hin. Er identifiziert das Gemälde in jedem Fall als eine wichtige Vorstufe der Münchener Version, womit er sich dem Kanon der Rubens-Forschung anschließt, die das vorliegende Gemälde schon früh als eine solche Studie bewertete. Dieses Verfahren der Verwendung von Studien sowohl in ihrem üblichen Sinne wie auch zur druckgrafischen Reproduktion war gängige Praxis in der Rubens-Werkstatt. Der französische Sammler Pierre Jean Mariette berichtete über Rubens‘ persönliche Anteilnahme an den in seiner Werkstatt hergestellten druckgraphischen Reproduktionen seiner Gemälde (K. Renger, Rubens dedit dedicavitque, Rubens’ Beschäftigung mit der Reproduktionsgraphik, I, Der Kupferstich, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 16, 1974, S. 123f.). Er überarbeitete selbst fertiggestellte Gemälde aufgrund neuer im Zusammenhang mit den Reproduktionen entstandener Ideen (ebd., S. 174). Somit offenbart das vorliegende Gemälde stringente Möglichkeiten zum Verständnis der Arbeitsweise des großen flämischen Meisters.

Provenienz:
Sammlung Baron Alphonse James de Rothschild (1827–1905), Paris (vor 1906);
Sammlung der Familie Rothschild, Château de Ferrières;
im Erbgang an den Vorbesitzer;
europäische Privatsammlung;
Auktion, Dorotheum, 13. April 2011, Lot 425;
europäische Privatsammlung

Literatur:
M. Rooses, L’Oeuvre de Peter Paul Rubens, Bd. III, 1886, Nr. 642 (als P. P. Rubens);
L’Art, Paris 1905, S. 26;
P. Kaemmerer, Tschudis Eingriffe in zwei Bilder des Rubens – Eine Kritik, München 1910 (als P. P. Rubens);
G. Glück, Die angebliche Verstümmelung eines Rubens’schen Bildes und die Aufgaben der Galeriebeamten, aus: Ztschr. für Bildende Kunst, 1910, Nr. XXI, S. 289–294, in: G. Glück, Gesammelte Aufsätze, hrsg. von L. Burchard und R. Eigenberger, Wien 1933, S. 172–174 und S. 396;
J. Denucé, Na Peter Paul Rubens, Documenten uit den Kunsthandel te Antwerpen in de XVII eeuw van Matthijs Musson, Antwerpen 1949;
Kat. Walker Art Gallery, Liverpool, 1977, unter Nr. 1181;
H. Falkner von Sonnenburg, F. Preußer, Peter Paul Rubens, Meleager und Atalante, in: Maltechnik-Restauro 1, München 1979 („… scheint die Vermutung gerechtfertigt, dass es auch für ‚Meleager und Atalante‘ einen Entwurf in Form einer Ölskizze gegeben hat“);
J. Held, The Oil Sketches of Peter Paul Rubens, Bd. II, Princeton 1980, unter Kat. Nr. 252 (Hier verwechselte Held das vorliegende Gemälde mit einer unbekannten Kopie auf Leinwand von stark abweichendem Maß, J. Müller-Hofstede geht davon aus, dass es Held unbekannt geblieben ist);
K. Renger, C. Denk, Flämische Malerei des Barocks in der Alten Pinakothek, München 2000, S. 365

Diese aus der berühmten Sammlung des Bankiers Alphonse de Rothschild stammende Studie illustriert anschaulich die Arbeitsmethoden von Rubens und seiner Werkstatt. Es handelt sich um eine Version von Meleager und Atalante in der Alten Pinakothek, München (Inv. Nr. 335, Öl auf Leinwand, 199,9 x 151,3 cm, ehemals in der kurfürstlichen Galerie Schloss Schleißheim). Atalante, in der griechischen Mythologie eine berühmte Jägerin, und Meleager, Sohn des Königs Oineus von Kaledonien, beteiligten sich an der Jagd auf den kaledonischen Eber, den Artemis als Strafe für ein unterlassenes Dankopfer des Königs geschickt hatte. Atalante und Meleager verliebten sich ineinander. Rubens zeigt hier Meleager, der den Kopf des getöteten Ebers der geliebten Atalante überreicht. Anders als auf einer ca. 20 Jahre früher entstandenen Komposition ist hier Amor eingefügt, der die Mittlerrolle zwischen dem Werben Meleagers und dem scheuen Zurückweichen Atalantes übernimmt. Das großformatige Münchener Gemälde erfuhr im Lauf der Zeit einige grundlegende Veränderungen. Bereits im 17. Jahrhundert wurden rechts ein fantasielos ausgeschmücktes Element von ca. einem Meter Breite, im späten 18. Jahrhundert links ein weiterer schmaler Streifen angefügt. Beide Elemente wurden 1910 unter dem damaligen Direktor Hugo v. Tschudi als Hinzufügungen erkannt und nach hinten umgeschlagen. Anlässlich ihrer endgültigen Entfernung unternahm der Restaurator Hubert v. Sonnenburg eine gründliche Untersuchung des Münchener Bildes, deren Rückschlüsse für die Identifizierung des vorliegenden Gemäldes wichtig sind. Zunächst ist zu beobachten, dass erste Hinzufügungen bereits sehr früh erfolgten, was eine um 1645 zum Kauf angebotene Kopie bestätigt (vgl. J. Denucé, op. cit., S. 41, Dok. 58, Nr. 1). Sonnenburg entdeckte mehrere Pentimenti, die auf massive Veränderungen durch Rubens selbst während des Entstehungsprozesses in der Werkstatt schließen lassen. Er kam daher zu dem Schluss, dass sich das Gemälde für einen längeren Zeitraum im Atelier befunden haben muss und dass Rubens „nach einem unbestimmbaren zeitlichen Abstand Überarbeitungen vorgenommen hat“ (H. v. Sonnenburg, S. 103).

Das vorliegende Gemälde könnte eine im Rahmen der Überarbeitungen in der Werkstatt entstandene Skizze sein. Dafür sprechen die leichten Abweichungen vom Münchener Bild, wobei die Skizze viele typische Elemente von Rubens‘ Arbeitsweise zeigt. Es ist erstaunlich, dass sich keine Skizzen der Gesamtkomposition erhalten haben. Bei dem vorliegenden Gemälde könnte es sich um eine solche Arbeit handeln. Insbesondere die Tatsache, dass an der Komposition erwiesenermaßen mehrere Schüler mitwirkten, so z. B. Frans Snijders, der den auf dem Münchener Gemälde zu sehenden Hund schuf, lässt auf eine intensive Vorarbeit und Beschäftigung des Meisters mit diesem Auftrag schließen. Die Münchener Version wird allgemein auf 1635 datiert. Wie Sonnenburg nachwies, befand sich das Gemälde jedoch über einen längeren Zeitraum, vielleicht über Jahre, in der Werkstatt. Eine in der Literatur immer wieder erwähnte Datierung des Bildes hat sich im Verlauf einer intensiven konservatorischen Untersuchung als zumindest teilweise spätere Hinzufügung erwiesen. Da bereits 1645 einige Kopien der erweiterten Komposition im Umlauf waren, die nicht mehr dem vorliegenden Gemälde entsprachen und auch nicht mehr der von späteren Hinzufügungen seit 1910 wieder befreiten Münchener Version, muss das vorliegende Bild vorher entstanden sein. Die frühere Literatur ging davon aus, dass die Rothschild-Tafel eine Skizze, also eine Vorstudie zum Münchener Gemälde sei.

In diesem Zusammenhang sind die stilistischen Übereinstimmungen und physiognomischen Ähnlichkeiten zu Jan Myssens Stich nach Rubens interessant. Er steht dem vorliegenden Gemälde viel näher als der Münchener Version. Es könnte sich daher um eine kleinere Version des Münchener Bildes handeln, die der druckgrafischen Reproduktion dienen sollte. Dieses Verfahren kam in der Rubens-Werkstatt häufig vor. Darauf weist auch Justus Müller-Hofstede in einem Gutachten hin. Er identifiziert das Gemälde in jedem Fall als eine wichtige Vorstufe der Münchener Version, womit er sich dem Kanon der Rubens-Forschung anschließt, die das vorliegende Gemälde schon früh als eine solche Studie bewertete. Dieses Verfahren der Verwendung von Studien sowohl in ihrem üblichen Sinne wie auch zur druckgrafischen Reproduktion war gängige Praxis in der Rubens-Werkstatt. Der französische Sammler Pierre Jean Mariette berichtete über Rubens‘ persönliche Anteilnahme an den in seiner Werkstatt hergestellten druckgraphischen Reproduktionen seiner Gemälde (K. Renger, Rubens dedit dedicavitque, Rubens’ Beschäftigung mit der Reproduktionsgraphik, I, Der Kupferstich, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 16, 1974, S. 123f.). Er überarbeitete selbst fertiggestellte Gemälde aufgrund neuer im Zusammenhang mit den Reproduktionen entstandener Ideen (ebd., S. 174). Somit offenbart das vorliegende Gemälde stringente Möglichkeiten zum Verständnis der Arbeitsweise des großen flämischen Meisters.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 17.10.2017 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 07.10. - 17.10.2017


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