Lot Nr. 22


Südniederländische Schule, 3. Viertel des 16. Jahrhunderts


Südniederländische Schule, 3. Viertel des 16. Jahrhunderts - Alte Meister

Ecce Homo,
Öl auf Holz, 72,5 x 105 cm, gerahmt

Das vorliegende Bild zeigt jene im Johannesevangelium (Joh 19, 4–5) geschilderte Szene, wonach der römische Statthalter Pontius Pilatus mit den Worten „Seht ihn euch an, den Menschen!“ [„Ecce homo!“] Jesus dem Volk von Jerusalem vorstellt. In der Episode versucht Pilatus die Anklage zu entkräften, dass Christus der „König der Juden“ sei; er erscheint daher zum Spott mit einem purpurnen Mantel bekleidet und mit einer Dornenkrone auf dem Haupt. Das Volk fordert jedoch die Hinrichtung Christi, wodurch es im weiteren Verlauf zu dessen Kreuzigung kommt.

Die Komposition geht auf Lucas van Leydens Ecce-Homo-Kupferstich von 1510 zurück (siehe Abb. 1). Wenngleich sich das Gemälde weitestgehend an die druckgrafische Vorlage hält, bestehen doch einige Unterschiede. Neben einigen kleineren motivischen Abweichungen – die stehende Figur am unteren Rand rechts neben dem Hund hält nur im Van-Leyden-Stich einen Stock in der Hand; dagegen sind nur im Gemälde ein behelmter Soldat dargestellt, der die Stufen hinaufschreitet, sowie ein schwarz gekleideter Mann, der sich auf der Bühne auf die Christus-Pilatus-Gruppe zubewegt – unterscheidet sich insbesondere der Bereich in der rechten unteren Bildecke: hinter den beiden Kindern, von denen eines auf das Geschehen im Bildzentrum hinweist, ist bei Lucas van Leyden eine einzelne Rückenfigur dargestellt, die sich an einer Brüstung abstützt. In der gemalten Fassung erstreckt sich die Bühne weiter nach rechts, und es ist ihr eine gestikulierende Figurengruppe vorgelagert, die vom rechten Bildrand angeschnitten ist.

Das Gemälde entspricht in seiner lockeren Malweise, seinem kräftigen Kolorit und den Figurentypen der Antwerpener Kunstproduktion der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Insbesondere in der Farbgebung und der Figurentypologie steht das Bild speziell dem Schaffen Gillis Mostaerts nahe, dessen Ecce-Homo-Kompositionen den Schöpfer des vorliegenden Bildes beeinflusst haben dürften und dessen Umkreis der Maler daher angehört haben könnte.

Technische Untersuchung:

Die Mischung von italienischen und niederländischen Vorbildern zeigt sich auch in der technischen Herangehensweise, beginnend mit der genauen Einhaltung perspektivischer Regeln mit einem einzigen Fluchtpunkt oben rechts der Mitte des Bildes. Trotz der genauen Perspektive ließen sich mittels Infrarotreflektografie nur wenige Konstruktionslinien feststellen. Es ist daher davon auszugehen, dass sie ausgelöscht wurden oder dass ein helles, in der Infrarotreflektografie transparent erscheinendes Medium zum Einsatz kam. Auch einige dünne Einritzungen wurden sichtbar.

Andererseits zeigen die Infrarotaufnahmen mit dünner schwarzer Kreide sehr frei ausgeführte Umrisse im Bereich des Landschaftshintergrunds sowie eine etwas präzisiere Vorzeichnung im Bereich der Gebäude und Figuren. Mangels Hinweisen auf eine maßstabsgetreue Übertragung ausgehend von einer Zeichnung oder einem Karton kann geschlossen werden, dass der Maler die Figuren mit großer Gewandtheit direkt auf den Malgrund gezeichnet hat, wie mehrere Spuren um sie herum nahelegen, um sie sodann farbig zu gestalten.

Mittels Reflektografie lassen sich mehrere kleinere Veränderungen feststellen, etwa bei dem die Stufen hinaufschreitenden Soldaten und einigen anderen Figuren, die über die bereits gemalten Gebäude gesetzt wurden. Mehrere Anpassungen konnten vor allem bei der Positionierung von Fenstern innerhalb der Gebäude nachgewiesen werden, die möglicherweise dazu dienten, die Symmetrie zu optimieren.

Hinsichtlich der sehr reichhaltigen Farbpalette bringt die UV/VIS-Spektroskopie die Verwendung von Azurit in nahezu allen blauen Gewändern zutage, während Smalte bevorzugt im Bereich des Himmels, der Landschaft und der Gebäude im Hintergrund Verwendung fand. Viele der blassen blaugrauen Farbtöne enthalten zum Teil verblichenes Smalte und bisweilen auch Azurit, etwa im Bereich der Dächer. Mit dem Ende des Pinselgriffs frei ausgeführte Einritzungen lassen sich im rechten unteren Bereich des Himmels feststellen, in dem auch Azurit vorhanden ist. Der purpurne Mantel Christi enthält eine Mischung aus Smalte und auf Karmin basiertem Rotlack (der Cochenille). Derselbe Rotlack wurde für die Rosatöne verwendet, Zinnober hingegen für die intensiveren Rottöne. Die hellen Gelbtöne wurden mit Bleizinngelb erzielt.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

24.04.2018 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 247.000,-
Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 100.000,-

Südniederländische Schule, 3. Viertel des 16. Jahrhunderts


Ecce Homo,
Öl auf Holz, 72,5 x 105 cm, gerahmt

Das vorliegende Bild zeigt jene im Johannesevangelium (Joh 19, 4–5) geschilderte Szene, wonach der römische Statthalter Pontius Pilatus mit den Worten „Seht ihn euch an, den Menschen!“ [„Ecce homo!“] Jesus dem Volk von Jerusalem vorstellt. In der Episode versucht Pilatus die Anklage zu entkräften, dass Christus der „König der Juden“ sei; er erscheint daher zum Spott mit einem purpurnen Mantel bekleidet und mit einer Dornenkrone auf dem Haupt. Das Volk fordert jedoch die Hinrichtung Christi, wodurch es im weiteren Verlauf zu dessen Kreuzigung kommt.

Die Komposition geht auf Lucas van Leydens Ecce-Homo-Kupferstich von 1510 zurück (siehe Abb. 1). Wenngleich sich das Gemälde weitestgehend an die druckgrafische Vorlage hält, bestehen doch einige Unterschiede. Neben einigen kleineren motivischen Abweichungen – die stehende Figur am unteren Rand rechts neben dem Hund hält nur im Van-Leyden-Stich einen Stock in der Hand; dagegen sind nur im Gemälde ein behelmter Soldat dargestellt, der die Stufen hinaufschreitet, sowie ein schwarz gekleideter Mann, der sich auf der Bühne auf die Christus-Pilatus-Gruppe zubewegt – unterscheidet sich insbesondere der Bereich in der rechten unteren Bildecke: hinter den beiden Kindern, von denen eines auf das Geschehen im Bildzentrum hinweist, ist bei Lucas van Leyden eine einzelne Rückenfigur dargestellt, die sich an einer Brüstung abstützt. In der gemalten Fassung erstreckt sich die Bühne weiter nach rechts, und es ist ihr eine gestikulierende Figurengruppe vorgelagert, die vom rechten Bildrand angeschnitten ist.

Das Gemälde entspricht in seiner lockeren Malweise, seinem kräftigen Kolorit und den Figurentypen der Antwerpener Kunstproduktion der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Insbesondere in der Farbgebung und der Figurentypologie steht das Bild speziell dem Schaffen Gillis Mostaerts nahe, dessen Ecce-Homo-Kompositionen den Schöpfer des vorliegenden Bildes beeinflusst haben dürften und dessen Umkreis der Maler daher angehört haben könnte.

Technische Untersuchung:

Die Mischung von italienischen und niederländischen Vorbildern zeigt sich auch in der technischen Herangehensweise, beginnend mit der genauen Einhaltung perspektivischer Regeln mit einem einzigen Fluchtpunkt oben rechts der Mitte des Bildes. Trotz der genauen Perspektive ließen sich mittels Infrarotreflektografie nur wenige Konstruktionslinien feststellen. Es ist daher davon auszugehen, dass sie ausgelöscht wurden oder dass ein helles, in der Infrarotreflektografie transparent erscheinendes Medium zum Einsatz kam. Auch einige dünne Einritzungen wurden sichtbar.

Andererseits zeigen die Infrarotaufnahmen mit dünner schwarzer Kreide sehr frei ausgeführte Umrisse im Bereich des Landschaftshintergrunds sowie eine etwas präzisiere Vorzeichnung im Bereich der Gebäude und Figuren. Mangels Hinweisen auf eine maßstabsgetreue Übertragung ausgehend von einer Zeichnung oder einem Karton kann geschlossen werden, dass der Maler die Figuren mit großer Gewandtheit direkt auf den Malgrund gezeichnet hat, wie mehrere Spuren um sie herum nahelegen, um sie sodann farbig zu gestalten.

Mittels Reflektografie lassen sich mehrere kleinere Veränderungen feststellen, etwa bei dem die Stufen hinaufschreitenden Soldaten und einigen anderen Figuren, die über die bereits gemalten Gebäude gesetzt wurden. Mehrere Anpassungen konnten vor allem bei der Positionierung von Fenstern innerhalb der Gebäude nachgewiesen werden, die möglicherweise dazu dienten, die Symmetrie zu optimieren.

Hinsichtlich der sehr reichhaltigen Farbpalette bringt die UV/VIS-Spektroskopie die Verwendung von Azurit in nahezu allen blauen Gewändern zutage, während Smalte bevorzugt im Bereich des Himmels, der Landschaft und der Gebäude im Hintergrund Verwendung fand. Viele der blassen blaugrauen Farbtöne enthalten zum Teil verblichenes Smalte und bisweilen auch Azurit, etwa im Bereich der Dächer. Mit dem Ende des Pinselgriffs frei ausgeführte Einritzungen lassen sich im rechten unteren Bereich des Himmels feststellen, in dem auch Azurit vorhanden ist. Der purpurne Mantel Christi enthält eine Mischung aus Smalte und auf Karmin basiertem Rotlack (der Cochenille). Derselbe Rotlack wurde für die Rosatöne verwendet, Zinnober hingegen für die intensiveren Rottöne. Die hellen Gelbtöne wurden mit Bleizinngelb erzielt.

Wir danken Gianluca Poldi für die technische Untersuchung des vorliegenden Gemäldes.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 24.04.2018 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 14.04. - 24.04.2018


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