Lot Nr. 105 -


Johann Conrad Seekatz


Johann Conrad Seekatz - Alte Meister

(Grünstadt 1719–1768 Darmstadt)
Romulus und Hersilia,
Öl auf Leinwand, 120,8 x 151,5 cm, gerahmt

Wir danken Gerhard Kölsch, der die Zuschreibung an Johann Conrad Seekatz bestätigt hat. Sein Gutachten liegt dem vorliegenden Gemälde bei.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich unbestritten um die ambitionierteste Einzelkomposition von Seekatz. Das bisher Wissenschaftlern unbekannte Bild mit einer Darstellung aus der römischen Geschichte datiert aus Seekatz’ Spätzeit und ist ein Zeugnis für die Hingabe des Künstlers an eine mythologische Barockmalerei von außergewöhnlicher Grandezza. Das vorliegende Gemälde liefert unschätzbare Einblicke in das vielseitige Œuvre des in Darmstadt tätigen Künstlers. Johann Conrad Seekatz wurde 1753 von Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt zum Hofmaler ernannt. In Darmstadt malte Seekatz biblische und mythologische Sujets sowie Tierbilder und gelegentlich auch Porträts. Er erhielt nicht nur zahlreiche Aufträge von Geheimrat Goethe, sondern auch vom Comte de Thoranc, bekannt als „Königsleutnant’ (siehe Goethes Dichtung und Wahrheit). Ab etwa 1765 begann Seekatz an einer Gruppe großformatiger mythologischer Darstellungen zu arbeiten, darunter jener des Frankfurter Narziss (Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Inv.-Nr. IV-1970-006, Öl auf Leinwand, 81,5 x 103,3 cm).

Ein Höhepunkt aus Seekatz’ Spätzeit ist die Serie von 17 Supraporten auf Schloss Braunshardt für Georg Wilhelm von Hessen, den Bruder des Landgrafen Ludwig VIII. (heute Schloss Wolfsgarten und Schlossmuseum Darmstadt). Die vorliegende Komposition ist ungewöhnlich. Die Ikonografie von Romulus und Hersilia wurde nur selten umgesetzt. Eines der ursprünglich für Schloss Braunshardt bestimmten Supraporten-Bilder stellt den Kampf zwischen Sabinern und Römern – eine vergleichbare Ikonografie – dar, in den die Sabinerinnen einschritten, um die kämpfenden Männer voneinander zu trennen (Darmstadt, Schlossmuseum).

Offenbar war das Thema von Romulus und Hersilia für den Hof des Landgrafen von gewissem Interesse. Ludwig VIII., der als Freund der Oper und der Parforcejagd (ein Riesenspektakel, das Sonnenkönig Ludwig XIV. populär gemacht hatte und bei dem ein Hirsch von Hunden gestellt und dann dem hochrangigen Jagdherrn persönlich überbracht wurde) bekannt war, war auch ein leidenschaftlicher Bewunderer Österreichs. Er wurde zum kaiserlichen Feldmarschall ernannt und ist auf zahlreichen Porträts in seiner kaiserlichen Uniform dargestellt (siehe R. Pons, Die Kunst der Loyalität: Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt [1691–1768] und der Wiener Kaiserhof, Marburg 2009). Einer der Glanzpunkte seines Lebens scheint das Zusammentreffen mit Kaiser Josef II. in Heusenstamm vor der Kaiserkrönung in Frankfurt 1764 gewesen zu sein. Angesichts der großen Hingabe des Landgrafen an die Sache der Habsburger muss hier ein kurioser Tatbestand angesprochen werden, der eine Erklärung für die seltene Ikonografie des Braunshardt-Bildes und der vorliegenden Komposition liefern könnte.

Romolo ed Ersilia war eine Oper von Johann Adolph Hasse nach einem Libretto von Pietro Metastasio, entstanden anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Leopold und Infantin Maria Ludovica. Die Premiere fand am 6. August 1765 statt, im selben Jahr, als Seekatz die Supraportenbilder für Braunshardt schuf. Es gibt keinen Hinweis, dass Wilhelm oder Ludwig bei der Hochzeit anwesend waren, doch ist das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Werk von Seekatz in Braunshardt und dieser Oper gibt, vor allem, wenn man bedenkt, dass Ludwig VIII. ein großer Opernliebhaber war (er sollte 1768 während einer Opernaufführung an einem Hirnschlag sterben) und die neue Komposition sicherlich gekannt haben musste, vor allem, wenn sie dazu gedacht war, die Allianz einer Dynastie zu feiern, die er so verehrte. Das vorliegende Gemälde mag ein Auftrag gewesen sein, der in Zusammenhang mit der kaiserlichen Hochzeit oder mit der Ausstattung von Schloss Braunshardt erteilt wurde. Seekatz bediente sich eines ähnlichen Kompositionsschemas bei einem Gemälde in einer Berliner Privatsammlung mit einer Darstellung des Zusammentreffens von Caesar und Kleopatra.

Das Kompositionsschema mit der Brücke zwischen einem Turm und einem größeren Gebäude taucht auch in Seekatz’ Tanz auf der Dorfstraße auf (Öl auf Leinwand, 28,5 x 43,3 cm, Städel, Frankfurt am Main, Inv.-Nr. 1679). Im Zuge einer kürzlich erfolgten Reinigung des vorliegenden Gemäldes ist die Gestalt einer Göttin, möglicherweise Athenes oder Minervas, unter der späteren Übermalung zutage getreten, die von einer Wolke herabsteigt, um Romulus zu krönen. Dieses kompositorische Element tritt auch im Frankfurter Narziss sowie auf dem Berliner Bild mit Caesar und Kleopatra in Erscheinung. Die vorliegende Komposition offenbart mehrere stilistische Eigenheiten, die das Bild sicher in Seekatz’ Werk verankern. Die Draperien mit ihren tiefen, scharfenkantigen Falten sowie die frei im Wind flatternden Mäntel sind ganz und gar typisch für Seekatz’ künstlerisches Schaffen. Die Darstellung der Protagonisten zeichnet sich durch eine leichte, lebhafte und zuweilen skizzenhafte Pinselführung aus. Vor allem bei der Passage des Himmels ist der Farbauftrag so dünn, dass die rötliche Untermalung durchscheint; im Gegensatz dazu lassen andere Bereiche eine pastose Malweise erkennen, was der Darstellung einen höchst lebendigen und virtuosen Charakter verleiht. Seekatz bediente sich dieses skizzenhaften Stils um 1760–1765 als künstlerisches Ausdrucksmittel (vergleiche Apollo und Daphne, um 1765, Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, und Allegorie der vier Jahreszeiten, um 1762, Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main). Ebenfalls typisch für diese Periode ist nicht zuletzt die helle, pastellige Farbigkeit, bei der rosafarbene, hellblaue, türkise und bräunliche Töne vorherrschen und die den Übergang zum Spätwerk des Künstlers markiert. Die oben beschriebenen stilistischen Merkmale und Ähnlichkeiten von Figurenstil und Kompositionsweise veranlassen uns zu einer Datierung des Gemäldes um 1765.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 27.592,-
Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Johann Conrad Seekatz


(Grünstadt 1719–1768 Darmstadt)
Romulus und Hersilia,
Öl auf Leinwand, 120,8 x 151,5 cm, gerahmt

Wir danken Gerhard Kölsch, der die Zuschreibung an Johann Conrad Seekatz bestätigt hat. Sein Gutachten liegt dem vorliegenden Gemälde bei.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich unbestritten um die ambitionierteste Einzelkomposition von Seekatz. Das bisher Wissenschaftlern unbekannte Bild mit einer Darstellung aus der römischen Geschichte datiert aus Seekatz’ Spätzeit und ist ein Zeugnis für die Hingabe des Künstlers an eine mythologische Barockmalerei von außergewöhnlicher Grandezza. Das vorliegende Gemälde liefert unschätzbare Einblicke in das vielseitige Œuvre des in Darmstadt tätigen Künstlers. Johann Conrad Seekatz wurde 1753 von Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt zum Hofmaler ernannt. In Darmstadt malte Seekatz biblische und mythologische Sujets sowie Tierbilder und gelegentlich auch Porträts. Er erhielt nicht nur zahlreiche Aufträge von Geheimrat Goethe, sondern auch vom Comte de Thoranc, bekannt als „Königsleutnant’ (siehe Goethes Dichtung und Wahrheit). Ab etwa 1765 begann Seekatz an einer Gruppe großformatiger mythologischer Darstellungen zu arbeiten, darunter jener des Frankfurter Narziss (Freies Deutsches Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum, Inv.-Nr. IV-1970-006, Öl auf Leinwand, 81,5 x 103,3 cm).

Ein Höhepunkt aus Seekatz’ Spätzeit ist die Serie von 17 Supraporten auf Schloss Braunshardt für Georg Wilhelm von Hessen, den Bruder des Landgrafen Ludwig VIII. (heute Schloss Wolfsgarten und Schlossmuseum Darmstadt). Die vorliegende Komposition ist ungewöhnlich. Die Ikonografie von Romulus und Hersilia wurde nur selten umgesetzt. Eines der ursprünglich für Schloss Braunshardt bestimmten Supraporten-Bilder stellt den Kampf zwischen Sabinern und Römern – eine vergleichbare Ikonografie – dar, in den die Sabinerinnen einschritten, um die kämpfenden Männer voneinander zu trennen (Darmstadt, Schlossmuseum).

Offenbar war das Thema von Romulus und Hersilia für den Hof des Landgrafen von gewissem Interesse. Ludwig VIII., der als Freund der Oper und der Parforcejagd (ein Riesenspektakel, das Sonnenkönig Ludwig XIV. populär gemacht hatte und bei dem ein Hirsch von Hunden gestellt und dann dem hochrangigen Jagdherrn persönlich überbracht wurde) bekannt war, war auch ein leidenschaftlicher Bewunderer Österreichs. Er wurde zum kaiserlichen Feldmarschall ernannt und ist auf zahlreichen Porträts in seiner kaiserlichen Uniform dargestellt (siehe R. Pons, Die Kunst der Loyalität: Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt [1691–1768] und der Wiener Kaiserhof, Marburg 2009). Einer der Glanzpunkte seines Lebens scheint das Zusammentreffen mit Kaiser Josef II. in Heusenstamm vor der Kaiserkrönung in Frankfurt 1764 gewesen zu sein. Angesichts der großen Hingabe des Landgrafen an die Sache der Habsburger muss hier ein kurioser Tatbestand angesprochen werden, der eine Erklärung für die seltene Ikonografie des Braunshardt-Bildes und der vorliegenden Komposition liefern könnte.

Romolo ed Ersilia war eine Oper von Johann Adolph Hasse nach einem Libretto von Pietro Metastasio, entstanden anlässlich der Hochzeit von Erzherzog Leopold und Infantin Maria Ludovica. Die Premiere fand am 6. August 1765 statt, im selben Jahr, als Seekatz die Supraportenbilder für Braunshardt schuf. Es gibt keinen Hinweis, dass Wilhelm oder Ludwig bei der Hochzeit anwesend waren, doch ist das Argument nicht ganz von der Hand zu weisen, dass es einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Werk von Seekatz in Braunshardt und dieser Oper gibt, vor allem, wenn man bedenkt, dass Ludwig VIII. ein großer Opernliebhaber war (er sollte 1768 während einer Opernaufführung an einem Hirnschlag sterben) und die neue Komposition sicherlich gekannt haben musste, vor allem, wenn sie dazu gedacht war, die Allianz einer Dynastie zu feiern, die er so verehrte. Das vorliegende Gemälde mag ein Auftrag gewesen sein, der in Zusammenhang mit der kaiserlichen Hochzeit oder mit der Ausstattung von Schloss Braunshardt erteilt wurde. Seekatz bediente sich eines ähnlichen Kompositionsschemas bei einem Gemälde in einer Berliner Privatsammlung mit einer Darstellung des Zusammentreffens von Caesar und Kleopatra.

Das Kompositionsschema mit der Brücke zwischen einem Turm und einem größeren Gebäude taucht auch in Seekatz’ Tanz auf der Dorfstraße auf (Öl auf Leinwand, 28,5 x 43,3 cm, Städel, Frankfurt am Main, Inv.-Nr. 1679). Im Zuge einer kürzlich erfolgten Reinigung des vorliegenden Gemäldes ist die Gestalt einer Göttin, möglicherweise Athenes oder Minervas, unter der späteren Übermalung zutage getreten, die von einer Wolke herabsteigt, um Romulus zu krönen. Dieses kompositorische Element tritt auch im Frankfurter Narziss sowie auf dem Berliner Bild mit Caesar und Kleopatra in Erscheinung. Die vorliegende Komposition offenbart mehrere stilistische Eigenheiten, die das Bild sicher in Seekatz’ Werk verankern. Die Draperien mit ihren tiefen, scharfenkantigen Falten sowie die frei im Wind flatternden Mäntel sind ganz und gar typisch für Seekatz’ künstlerisches Schaffen. Die Darstellung der Protagonisten zeichnet sich durch eine leichte, lebhafte und zuweilen skizzenhafte Pinselführung aus. Vor allem bei der Passage des Himmels ist der Farbauftrag so dünn, dass die rötliche Untermalung durchscheint; im Gegensatz dazu lassen andere Bereiche eine pastose Malweise erkennen, was der Darstellung einen höchst lebendigen und virtuosen Charakter verleiht. Seekatz bediente sich dieses skizzenhaften Stils um 1760–1765 als künstlerisches Ausdrucksmittel (vergleiche Apollo und Daphne, um 1765, Hessisches Landesmuseum, Darmstadt, und Allegorie der vier Jahreszeiten, um 1762, Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main). Ebenfalls typisch für diese Periode ist nicht zuletzt die helle, pastellige Farbigkeit, bei der rosafarbene, hellblaue, türkise und bräunliche Töne vorherrschen und die den Übergang zum Spätwerk des Künstlers markiert. Die oben beschriebenen stilistischen Merkmale und Ähnlichkeiten von Figurenstil und Kompositionsweise veranlassen uns zu einer Datierung des Gemäldes um 1765.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020


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