Lot Nr. 129


Giovanni Permeniatis


Giovanni Permeniatis - Alte Meister

(geboren auf Kreta oder Rhodos?, tätig in Venedig in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts)
Madonna mit Kind und den Heiligen Anna, Franziskus und dem jungen Johannes dem Täufer,
Tempera auf Holz, auf Leinwand aufgezogen, 55 x 75,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Antichità La Pieve, Sabbio Chiese, Brescia;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;

Wir danken Maria Paphiti für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das vorliegende Gemälde, das dem Künstler aufgrund ikonografischer und stilistischer Merkmale zugeschrieben werden kann, ist mit drei bekannten signierten Werken von Giovanni Permeniatis vergleichbar (siehe M. Chatzidakis, E. Drakopoulou, Greek Artists after the Fall [1453–1830], Bd. 2, Athen 1997, S. 289). Seine Arbeiten verraten, dass er sowohl mit den traditionellen Gestaltungsprinzipien der byzantinischen Kunst als auch mit der byzantinische und westliche Elemente verbindenden Ikonenmalerei vertraut war. Dies belegen einerseits die Pendants mit Christus als Weltenherrscher und der Gottesmutter mit Kind im Byzantinischen Museum von Kastoria sowie andererseits die große Tafel der Stillenden Gottesmutter mit Johannes dem Täufer und dem heiligen Augustinus im Museo Correr in Venedig (siehe Chatzidakis/Drakopoulou 1997, S. 290). Die zuletzt genannte Mischform entwickelte sich in Regionen mit orthodoxer Bevölkerung, die unter der Herrschaft Venedigs standen. Ein von dieser Entwicklung erfasstes Hauptgebiet war Kreta, sodass oft davon ausgegangen wird, dass Permeniatis von dort stammte. Jüngste Forschungen haben jedoch ergeben, dass er möglicherweise von der Insel Rhodos kam (K. Kefala, Concerning a Probable Work of the Painter Ioannes Permeniatis at Patmos, in: Deltion of the Christian Archaeological Society, Reihe IV, Bd. 37, Athen 2016, S. 150f.). Obschon sein Geburtsort und -jahr nicht bekannt sind, ist in venezianischen Archiven dokumentarisch belegt, dass er 1523 in Venedig tätig war (siehe Chatzidakis/Drakopoulou 1997, S. 289).

Das hier vorgestellte Gemälde demonstriert die Fähigkeit des Künstlers, sowohl in byzantinischer als auch in westlicher Manier zu arbeiten. Der Aufbau und die Nuancierung der Hauttöne in Verbindung mit den lichterfüllten Pinselstrichen sowie die geometrische Interpretation der Faltenwürfe und die feine Wiedergabe der mit Gold ausgeführten Details im Gewand des Kindes belegen eindeutig seine Vertrautheit mit byzantinischer Kunst und lassen sich mit seinen signierten Ikonen im Byzantinischen Museum von Kastoria vergleichen (man hat fünf weitere – allerdings unsignierte – Ikonen im byzantinischen Stil identifiziert und Permeniatis zugeschrieben; siehe M. Voulgaropoulou, Post-Byzantine Icon-Painting in the Adriatic Rim: the Case of Ioannes Permeniatis, in: Egnatia, 14/2010, S. 195–210). Andererseits sprechen der Austausch des traditionellen Goldgrunds gegen eine naturalistisch wiedergegebene Landschaft, die westlichen Gewänder von Gottesmutter und heiliger Anna sowie die Einbeziehung des heiligen Franziskus als Heiligen der römisch-katholischen Kirche, dass der Künstler es verstand, bewusst und ausgewogen Elemente aus beiden Traditionen in seinen innovativen Kompositionen zusammenzuführen. Bestimmte Merkmale wie die detaillierte Wiedergabe des Laubs, des Sees, der Boote mit dem charakteristisch gewölbtem Segel, die kleinen Tiere und bukolischen Szenen, die Architektur der winzigen Bauwerke im Hintergrund und der Burgen auf den Berggipfeln tauchen auch in anderen Werken von Permeniatis auf (zu den Landschaften von Permeniatis’ Ikonen und ihr Verhältnis zur zeitgenössischen venezianischen Malerei siehe E. Charchare, Delightful Landscapes: Elements of Greco-Roman Tradition in the Work of the Post-Byzantine Painter Ioannes Permeniatis, in: Actual Problems of Theory and History of Art, V, St. Petersburg, 2015, S. 298–302). Zu Beispielen zählen die Ikonen mit der Anbetung der Könige im Benaki-Museum in Athen (siehe N. Chatzidakis, The Adoration of the Magi: an Icon by the Greek Painter of the Early Renaissance, in: Euphrosynon, Athen 1992, Bd. II, S. 713–739) und der Madonna mit Kind und heiligem Johannes von Patmos (siehe Kefala 2016, S. 138), das Gemälde in der Prager Nationalgalerie (siehe Abb. 1) sowie eine dritte Ikone, die am 17. Dezember 2008 bei Pandolfini, Florenz, als Lot 840 versteigert wurde. Das Buch, das der heilige Franziskus bei sich trägt, gleicht jenem des heiligen Augustinus der Ikone des Museo Correr; Gleiches gilt für den bestickten Ausschnitt des Kleides der Madonna, der ein typisches, von Permeniatis mehrfach verwendetes Motiv ist.

Das Hauptthema des Gemäldes, die Madonna mit Kind und Johannesknaben, entspricht nicht dem orthodoxen Kanon. Der Täufer hat sich zweimal dahingehend geäußert, dass er vor dessen Taufe nie mit Christus zusammengetroffen ist (Joh. 1:31–33). Ihre gemeinsame Darstellung als Kinder hat in der byzantinischen Kunst kein Vorbild, ist aber ein häufiges Bildthema von Gemälden der Renaissance. Permeniatis stellte das populäre Thema in Abwandlungen bei mehreren Gelegenheiten dar, entweder als eigenes Sujet wie auf dem Patmos-Bild oder um Heilige erweitert wie auf dem vorliegenden Gemälde und dem oben erwähnten Werk der Prager Nationalgalerie sowie auf einem weiteren Gemälde in einer Privatsammlung (abgebildet bei Kefala 2016, Anm. 3, Abb. 5). Das Gewand des Kindes und die Figur des heiligen Franziskus haben große Ähnlichkeit mit dem Prager Bild, während sich der Gestus des Jesuskindes, das Johannes das Kreuz überreicht, auch auf dem Gemälde in Privatbesitz findet.

Bei dem Gemälde handelt es sich um ein bedeutendes Beispiel für Permeniatis’ künstlerisches Schaffen. Die gekonnte Ausführung dieser ausgewogenen Komposition, die gut proportionierten Figuren und die feine Malweise insgesamt geben eine künstlerische Sicherheit zu erkennen, die nahelegt, dass das Gemälde aus der Reifezeit des Künstlers stammt. Es entstand vermutlich erst nach dem Werk des Museo Correr, wo die Formen steifer sind und die Farbigkeit weniger befreit. Abschließend kann gesagt werden, dass es sich bei diesem Werk nicht nur um eine wunderbare Hinzufügung zum bekannten Œuvre von Giovanni Permeniatis handelt, sondern auch zum Schaffen von in der byzantinischen Tradition ausgebildeten Künstlern allgemein, die im fruchtbaren kulturellen Umfeld Venedigs und seiner Kolonien tätig waren.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 10.000,- bis EUR 15.000,-

Giovanni Permeniatis


(geboren auf Kreta oder Rhodos?, tätig in Venedig in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts)
Madonna mit Kind und den Heiligen Anna, Franziskus und dem jungen Johannes dem Täufer,
Tempera auf Holz, auf Leinwand aufgezogen, 55 x 75,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Antichità La Pieve, Sabbio Chiese, Brescia;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer;

Wir danken Maria Paphiti für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Das vorliegende Gemälde, das dem Künstler aufgrund ikonografischer und stilistischer Merkmale zugeschrieben werden kann, ist mit drei bekannten signierten Werken von Giovanni Permeniatis vergleichbar (siehe M. Chatzidakis, E. Drakopoulou, Greek Artists after the Fall [1453–1830], Bd. 2, Athen 1997, S. 289). Seine Arbeiten verraten, dass er sowohl mit den traditionellen Gestaltungsprinzipien der byzantinischen Kunst als auch mit der byzantinische und westliche Elemente verbindenden Ikonenmalerei vertraut war. Dies belegen einerseits die Pendants mit Christus als Weltenherrscher und der Gottesmutter mit Kind im Byzantinischen Museum von Kastoria sowie andererseits die große Tafel der Stillenden Gottesmutter mit Johannes dem Täufer und dem heiligen Augustinus im Museo Correr in Venedig (siehe Chatzidakis/Drakopoulou 1997, S. 290). Die zuletzt genannte Mischform entwickelte sich in Regionen mit orthodoxer Bevölkerung, die unter der Herrschaft Venedigs standen. Ein von dieser Entwicklung erfasstes Hauptgebiet war Kreta, sodass oft davon ausgegangen wird, dass Permeniatis von dort stammte. Jüngste Forschungen haben jedoch ergeben, dass er möglicherweise von der Insel Rhodos kam (K. Kefala, Concerning a Probable Work of the Painter Ioannes Permeniatis at Patmos, in: Deltion of the Christian Archaeological Society, Reihe IV, Bd. 37, Athen 2016, S. 150f.). Obschon sein Geburtsort und -jahr nicht bekannt sind, ist in venezianischen Archiven dokumentarisch belegt, dass er 1523 in Venedig tätig war (siehe Chatzidakis/Drakopoulou 1997, S. 289).

Das hier vorgestellte Gemälde demonstriert die Fähigkeit des Künstlers, sowohl in byzantinischer als auch in westlicher Manier zu arbeiten. Der Aufbau und die Nuancierung der Hauttöne in Verbindung mit den lichterfüllten Pinselstrichen sowie die geometrische Interpretation der Faltenwürfe und die feine Wiedergabe der mit Gold ausgeführten Details im Gewand des Kindes belegen eindeutig seine Vertrautheit mit byzantinischer Kunst und lassen sich mit seinen signierten Ikonen im Byzantinischen Museum von Kastoria vergleichen (man hat fünf weitere – allerdings unsignierte – Ikonen im byzantinischen Stil identifiziert und Permeniatis zugeschrieben; siehe M. Voulgaropoulou, Post-Byzantine Icon-Painting in the Adriatic Rim: the Case of Ioannes Permeniatis, in: Egnatia, 14/2010, S. 195–210). Andererseits sprechen der Austausch des traditionellen Goldgrunds gegen eine naturalistisch wiedergegebene Landschaft, die westlichen Gewänder von Gottesmutter und heiliger Anna sowie die Einbeziehung des heiligen Franziskus als Heiligen der römisch-katholischen Kirche, dass der Künstler es verstand, bewusst und ausgewogen Elemente aus beiden Traditionen in seinen innovativen Kompositionen zusammenzuführen. Bestimmte Merkmale wie die detaillierte Wiedergabe des Laubs, des Sees, der Boote mit dem charakteristisch gewölbtem Segel, die kleinen Tiere und bukolischen Szenen, die Architektur der winzigen Bauwerke im Hintergrund und der Burgen auf den Berggipfeln tauchen auch in anderen Werken von Permeniatis auf (zu den Landschaften von Permeniatis’ Ikonen und ihr Verhältnis zur zeitgenössischen venezianischen Malerei siehe E. Charchare, Delightful Landscapes: Elements of Greco-Roman Tradition in the Work of the Post-Byzantine Painter Ioannes Permeniatis, in: Actual Problems of Theory and History of Art, V, St. Petersburg, 2015, S. 298–302). Zu Beispielen zählen die Ikonen mit der Anbetung der Könige im Benaki-Museum in Athen (siehe N. Chatzidakis, The Adoration of the Magi: an Icon by the Greek Painter of the Early Renaissance, in: Euphrosynon, Athen 1992, Bd. II, S. 713–739) und der Madonna mit Kind und heiligem Johannes von Patmos (siehe Kefala 2016, S. 138), das Gemälde in der Prager Nationalgalerie (siehe Abb. 1) sowie eine dritte Ikone, die am 17. Dezember 2008 bei Pandolfini, Florenz, als Lot 840 versteigert wurde. Das Buch, das der heilige Franziskus bei sich trägt, gleicht jenem des heiligen Augustinus der Ikone des Museo Correr; Gleiches gilt für den bestickten Ausschnitt des Kleides der Madonna, der ein typisches, von Permeniatis mehrfach verwendetes Motiv ist.

Das Hauptthema des Gemäldes, die Madonna mit Kind und Johannesknaben, entspricht nicht dem orthodoxen Kanon. Der Täufer hat sich zweimal dahingehend geäußert, dass er vor dessen Taufe nie mit Christus zusammengetroffen ist (Joh. 1:31–33). Ihre gemeinsame Darstellung als Kinder hat in der byzantinischen Kunst kein Vorbild, ist aber ein häufiges Bildthema von Gemälden der Renaissance. Permeniatis stellte das populäre Thema in Abwandlungen bei mehreren Gelegenheiten dar, entweder als eigenes Sujet wie auf dem Patmos-Bild oder um Heilige erweitert wie auf dem vorliegenden Gemälde und dem oben erwähnten Werk der Prager Nationalgalerie sowie auf einem weiteren Gemälde in einer Privatsammlung (abgebildet bei Kefala 2016, Anm. 3, Abb. 5). Das Gewand des Kindes und die Figur des heiligen Franziskus haben große Ähnlichkeit mit dem Prager Bild, während sich der Gestus des Jesuskindes, das Johannes das Kreuz überreicht, auch auf dem Gemälde in Privatbesitz findet.

Bei dem Gemälde handelt es sich um ein bedeutendes Beispiel für Permeniatis’ künstlerisches Schaffen. Die gekonnte Ausführung dieser ausgewogenen Komposition, die gut proportionierten Figuren und die feine Malweise insgesamt geben eine künstlerische Sicherheit zu erkennen, die nahelegt, dass das Gemälde aus der Reifezeit des Künstlers stammt. Es entstand vermutlich erst nach dem Werk des Museo Correr, wo die Formen steifer sind und die Farbigkeit weniger befreit. Abschließend kann gesagt werden, dass es sich bei diesem Werk nicht nur um eine wunderbare Hinzufügung zum bekannten Œuvre von Giovanni Permeniatis handelt, sondern auch zum Schaffen von in der byzantinischen Tradition ausgebildeten Künstlern allgemein, die im fruchtbaren kulturellen Umfeld Venedigs und seiner Kolonien tätig waren.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020

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