Lot Nr. 299


Römische Schule, 16. Jahrhundert

[Saleroom Notice]
Römische Schule, 16. Jahrhundert - Alte Meister

Die Verspottung Christi,
Öl auf Leinwand, 134 x 113 cm, gerahmt

Saleroom Notice:

Wir danken Mauro Lucco, der eine Zuschreibung an Gaspar Becerra (Baenza 1520–1568 Madrid) vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde zeigt die Dornenkrönung Christi im Beisein von nur zwei Figuren. Im Einklang mit den Vorgaben der Gegenreformation liegt die Aufmerksamkeit der Darstellung ganz auf der Gestalt Jesu. Bei der Bildkomposition scheinen klassische Regeln hintangestellt worden zu sein, als hätte man damit die politische Instabilität der damaligen Zeit durch die Einführung einer neuen Ordnung unterstreichen wollen. Die Figuren sind entlang auseinanderlaufender Achsen angeordnet, wodurch die Gewalttätigkeit der Szene betont wird. Als das vorliegende Gemälde ausgeführt wurde, war Sebastiano del Piombo, der wichtigste Maler Roms, kurz davor gestorben, sodass in der Kunst ein gültiger Bezugspunkt fehlte und Raum blieb für neue Stilexperimente.

Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes scheint unter dem Einfluss Daniele Ricciarelli da Volterras gestanden zu haben, dessen Stellung sich durch seine Tätigkeit in der Cappella Orsini der Kirche Santa Trinità dei Monti in Rom zwischen 1545 und 1547 bereits gefestigt hatte. Die sanften, sich in die Breite erstreckenden Bildpläne verweisen jedoch auf eine weitere Inspirationsquelle: auf die Freskendekoration in der Cappella della Rovere derselben Kirche, die zwischen 1548 und 1550 mit der Ausstattung der Gewölbe und der drei Lünettenfelder begonnen, doch nach dem Tod der Auftraggeberin Lucrezia della Rovere 1552 unterbrochen wurde, um erst Jahre später fertiggestellt zu werden.

Der Kopf Christi im vorliegenden Gemälde steht mit einer seitenverkehrten Zeichnung Daniele da Volterras im Berliner Kupferstichkabinett (Inv. KdZ 24802) in Zusammenhang (Abb. 1) – einer Vorstudie für den jungen Apostel unmittelbar links der Mitte seiner Himmelfahrt Mariens. Laut Mauro Lucco spräche der stilistische Kontext, in dem das vorliegende Gemälde steht, dafür, dass es möglicherweise in Volterras Werkstatt entstanden ist. Zudem scheint die Figur des Christus verspottenden Soldaten auf der rechten Seite des vorliegenden Gemäldes auf die verlorenen Fresken der Geschichte des wahren Kreuzes in der Cappella Orsini zurückzugehen, zumal er mit einer ebenfalls seitenverkehrten Vorzeichnung des Louvre (Inv. 1526) vergleichbar ist. Die männliche Gestalt, die Christus die Dornenkrone auf Haupt drückt, findet eine bemerkenswerte Entsprechung in dem Protagonisten des Gemäldes Der Prophet Elias in der Wüste Daniele da Volterras in der Sammlung Pannocchieschi d’Elci, welches im selben Zeitraum entstanden ist wie die Fresken der Cappella Orsini.

Vasari zufolge hatte Daniele da Volterra Gaspar Becerra hinzugezogen, um die Heilige Jungfrau in der Cappella della Rovere zu malen (siehe Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori ed architettori…, 1568, Ausgabe Milanesi, Bd. VII, S. 60): „in una delle facciate fece fare a Bizzera spagnuolo la Natività di essa Vergine.“ Nur das halbe Fresko hat sich erhalten, doch scheint es stilistisch dem vorliegenden Gemälde vergleichbar.

Über den Andalusier Gaspar Becerra (Baeza 1520–1568 Madrid) weiß man nicht viel. Er kam als junger Mann nach Italien und trat 1546 in Vasaris Werkstatt ein, als diese an der Ausstattung der Sala dei Cento Giorni im Palazzo della Cancelleria in Rom arbeitete; danach arbeitete er 1550 möglicherweise an Daniele da Volterras Seite im Palazzo Farnese; 1551 hielt er sich in Florenz auf, 1553 erhielt er von Costantino del Castillo den Auftrag, dessen Kapelle in San Giacomo degli Spagnoli in Rom zu dekorieren; 1556 kehrte er schließlich endgültig nach Spanien zurück. Von der Ausstattung der San-Giacomo-Kapelle hat sich nur ein Fresko in schlechtem Zustand, nämlich Christus in der Vorhölle, in den Depots der Engelsburg erhalten, doch existiert dazu eine Vorstudie Becerras für die Figur Christi in der Accademia in Venedig (Inv. 511). Die Zeichnung zeigt den Kopf, der Lucco zufolge nahezu identisch ist mit jenem des Soldaten, der Christus im vorliegenden Gemälde die Dornenkrone aufsetzt.

Auch eine wiederum seitenverkehrte Zeichnung in der Bibliothek des Escorial, Madrid (siehe Gaspar Becerra et Polidoro, in: L’Arte nella Storia. Contributi di critica e storia dell’arte per Gianni Carlo Sciolla, hgg. von V. Terraroli, F. Varallo, L. De Fanti, Mailand 2000, S. 336, Taf. XLII, 4) sollte in Betracht gezogen werden. Es scheint sich um eine vorbereitende Studie für das Haupt Christi im vorliegenden Gemälde zu handeln. Die hier angeführten Vergleiche werden zwischen dem vorliegenden Gemälde und Zeichnungen gezogen, die vielfältige Querverbindungen herstellen lassen, doch haben sich nur wenige Gemälde Becerras erhalten (alle in Italien befindlichen Werke wurden hier bereits erwähnt). In Spanien war Beccera für die Deckenmalereien im königlichen Palast El Pardo verantwortlich, die zwischen 1562 und 1567 entstanden. Die hier angestellten stilistischen Vergleiche reichen jedoch nach Lucco bereits aus, um eine Ausführung des vorliegenden Gemäldes durch Gaspar Becerra zu erwägen; das Bild ist in das Jahr 1553 oder kurz danach zu datieren.

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung an Gaspar Becerra (Baeza 1520–1568 Madrid) vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

09.06.2020 - 16:00

Schätzwert:
EUR 12.000,- bis EUR 15.000,-

Römische Schule, 16. Jahrhundert

[Saleroom Notice]

Die Verspottung Christi,
Öl auf Leinwand, 134 x 113 cm, gerahmt

Saleroom Notice:

Wir danken Mauro Lucco, der eine Zuschreibung an Gaspar Becerra (Baenza 1520–1568 Madrid) vorgeschlagen hat.

Das vorliegende Gemälde zeigt die Dornenkrönung Christi im Beisein von nur zwei Figuren. Im Einklang mit den Vorgaben der Gegenreformation liegt die Aufmerksamkeit der Darstellung ganz auf der Gestalt Jesu. Bei der Bildkomposition scheinen klassische Regeln hintangestellt worden zu sein, als hätte man damit die politische Instabilität der damaligen Zeit durch die Einführung einer neuen Ordnung unterstreichen wollen. Die Figuren sind entlang auseinanderlaufender Achsen angeordnet, wodurch die Gewalttätigkeit der Szene betont wird. Als das vorliegende Gemälde ausgeführt wurde, war Sebastiano del Piombo, der wichtigste Maler Roms, kurz davor gestorben, sodass in der Kunst ein gültiger Bezugspunkt fehlte und Raum blieb für neue Stilexperimente.

Der Schöpfer des vorliegenden Gemäldes scheint unter dem Einfluss Daniele Ricciarelli da Volterras gestanden zu haben, dessen Stellung sich durch seine Tätigkeit in der Cappella Orsini der Kirche Santa Trinità dei Monti in Rom zwischen 1545 und 1547 bereits gefestigt hatte. Die sanften, sich in die Breite erstreckenden Bildpläne verweisen jedoch auf eine weitere Inspirationsquelle: auf die Freskendekoration in der Cappella della Rovere derselben Kirche, die zwischen 1548 und 1550 mit der Ausstattung der Gewölbe und der drei Lünettenfelder begonnen, doch nach dem Tod der Auftraggeberin Lucrezia della Rovere 1552 unterbrochen wurde, um erst Jahre später fertiggestellt zu werden.

Der Kopf Christi im vorliegenden Gemälde steht mit einer seitenverkehrten Zeichnung Daniele da Volterras im Berliner Kupferstichkabinett (Inv. KdZ 24802) in Zusammenhang (Abb. 1) – einer Vorstudie für den jungen Apostel unmittelbar links der Mitte seiner Himmelfahrt Mariens. Laut Mauro Lucco spräche der stilistische Kontext, in dem das vorliegende Gemälde steht, dafür, dass es möglicherweise in Volterras Werkstatt entstanden ist. Zudem scheint die Figur des Christus verspottenden Soldaten auf der rechten Seite des vorliegenden Gemäldes auf die verlorenen Fresken der Geschichte des wahren Kreuzes in der Cappella Orsini zurückzugehen, zumal er mit einer ebenfalls seitenverkehrten Vorzeichnung des Louvre (Inv. 1526) vergleichbar ist. Die männliche Gestalt, die Christus die Dornenkrone auf Haupt drückt, findet eine bemerkenswerte Entsprechung in dem Protagonisten des Gemäldes Der Prophet Elias in der Wüste Daniele da Volterras in der Sammlung Pannocchieschi d’Elci, welches im selben Zeitraum entstanden ist wie die Fresken der Cappella Orsini.

Vasari zufolge hatte Daniele da Volterra Gaspar Becerra hinzugezogen, um die Heilige Jungfrau in der Cappella della Rovere zu malen (siehe Le vite de’ più eccellenti pittori, scultori ed architettori…, 1568, Ausgabe Milanesi, Bd. VII, S. 60): „in una delle facciate fece fare a Bizzera spagnuolo la Natività di essa Vergine.“ Nur das halbe Fresko hat sich erhalten, doch scheint es stilistisch dem vorliegenden Gemälde vergleichbar.

Über den Andalusier Gaspar Becerra (Baeza 1520–1568 Madrid) weiß man nicht viel. Er kam als junger Mann nach Italien und trat 1546 in Vasaris Werkstatt ein, als diese an der Ausstattung der Sala dei Cento Giorni im Palazzo della Cancelleria in Rom arbeitete; danach arbeitete er 1550 möglicherweise an Daniele da Volterras Seite im Palazzo Farnese; 1551 hielt er sich in Florenz auf, 1553 erhielt er von Costantino del Castillo den Auftrag, dessen Kapelle in San Giacomo degli Spagnoli in Rom zu dekorieren; 1556 kehrte er schließlich endgültig nach Spanien zurück. Von der Ausstattung der San-Giacomo-Kapelle hat sich nur ein Fresko in schlechtem Zustand, nämlich Christus in der Vorhölle, in den Depots der Engelsburg erhalten, doch existiert dazu eine Vorstudie Becerras für die Figur Christi in der Accademia in Venedig (Inv. 511). Die Zeichnung zeigt den Kopf, der Lucco zufolge nahezu identisch ist mit jenem des Soldaten, der Christus im vorliegenden Gemälde die Dornenkrone aufsetzt.

Auch eine wiederum seitenverkehrte Zeichnung in der Bibliothek des Escorial, Madrid (siehe Gaspar Becerra et Polidoro, in: L’Arte nella Storia. Contributi di critica e storia dell’arte per Gianni Carlo Sciolla, hgg. von V. Terraroli, F. Varallo, L. De Fanti, Mailand 2000, S. 336, Taf. XLII, 4) sollte in Betracht gezogen werden. Es scheint sich um eine vorbereitende Studie für das Haupt Christi im vorliegenden Gemälde zu handeln. Die hier angeführten Vergleiche werden zwischen dem vorliegenden Gemälde und Zeichnungen gezogen, die vielfältige Querverbindungen herstellen lassen, doch haben sich nur wenige Gemälde Becerras erhalten (alle in Italien befindlichen Werke wurden hier bereits erwähnt). In Spanien war Beccera für die Deckenmalereien im königlichen Palast El Pardo verantwortlich, die zwischen 1562 und 1567 entstanden. Die hier angestellten stilistischen Vergleiche reichen jedoch nach Lucco bereits aus, um eine Ausführung des vorliegenden Gemäldes durch Gaspar Becerra zu erwägen; das Bild ist in das Jahr 1553 oder kurz danach zu datieren.

Wir danken Mauro Lucco, der die Zuschreibung an Gaspar Becerra (Baeza 1520–1568 Madrid) vorgeschlagen hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion
Datum: 09.06.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 02.06. - 09.06.2020

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