Lot Nr. 8


Florentinische Schule, 15. Jahrhundert


Florentinische Schule, 15. Jahrhundert - Alte Meister

Die Gerechtigkeit Trajans,
Öl und Gold auf Holz, Schauseite eines Cassone, 63 x 183 cm (gesamt), 42 x 165 cm (bemalte Fläche), Integralrahmen

Provenienz:
Sammlung John Ashburnham, 2. Earl von Ashburnham (1724–1812), Ashburnham House, Dover Street, London (als „Masaccio“);
im Erbgang an seinen Sohn George, 3. Earl von Ashburnham (1760–1830), Ashburnham House, Dover Street, London;
Weitergabe im Erbgang an seinen Sohn Bertram, 4. Earl von Ashburnham (1797–1878), Ashburnham House, Dover Street, London;
Weitergabe im Erbgang an seinen Sohn Bertram, 5. Earl von Ashburnham (1840–1913), Ashburnham Place, Sussex (als frühe italienische Schule);
im Erbgang an seinen Bruder Thomas, 6. Earl von Ashburnham (1855–1924), Ashburnham Place, Sussex;
Weitergabe im Erbgang an seine Nichte Mary Catherine Charlotte Ashburnham (1890–1953), Ashburnham Place, Sussex;
verkauft auf Geheiß der Nachlassverwaltung der Familie Ashburnham und der Testamentsvollstrecker der Lady Catherine Ashburnham, Sotheby’s, London, 24. Juni 1953, Lot 4 (als florentinische Schule);
erworben durch Arthur Kauffmann (1887–1983), Frankfurt;
an Vincent Korda (1897–1979), London;
rückerworben durch Arthur Kaufmann und verkauft an M. Spink, London, 1975 (als Meister von Fucecchio);
Auktion, Christie’s, London, 5. Juli 2007, Lot 89 (als Giovanni di ser Giovanni Guidi, gen. Lo Scheggia, die Zuschreibung während der Auktion geändert auf florentinische Schule um 1460);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
Florenz, Galleria dell’Accademia – Museo Horne, Virtù d’amore. Pittura nuziale nel Quattrocento fiorentino, 8. Juni – 1. November 2010, Nr. VII (als Maestro di Trionfi Landau Finaly);
Tokio, The Bunkamura Museum of Art, Money and Beauty. Botticelli and the Renaissance in Florence, 21. März – 28. Juni 2015, Nr. 44 (als Maestro di Trionfi Landau Finaly [Domenico di Michelino?])

Literatur:
G. Hughes, Renaissance Cassoni: Masterpieces of Early Italian Art: Painted Marriage Chests 1400–1550, Alfriston, Polegate, Sussex 1997, S. 20, 54, 216-217, Abb. S. 24-25, 56, 187, und am Cover (als Lo Scheggia);
L. Bellosi, M. Haines, Lo Scheggia, Ausstellungskatalog, Florenz/Siena 1999, S. 99 (unter den Falschzuschreibungen an Lo Scheggia);
A. Staderini, in: C. Paolini, D. Parenti, L. Sebregodi (Hg.), Virtù d’amore. Pittura nuziale nel Quattrocento fiorentino, Ausstellungskatalog, Florenz 2010, S. 276–277, Nr. VII (als Meister der Trionfi Landau Finaly);
L. Sebregondi, Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, Ausstellungskatalog, Tokio 2015, S. 98f., Nr. 44 (als Meister der Trionfi Landau Finaly [Domenico di Michelino?])

vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 13821 verzeichnet (als Apollonio di Giovanni).

Das vorliegende Werk diente einst als Schauseite eines Cassone, einer Hochzeitstruhe – eines Möbelstücks, das traditionell zur Mitgift der Braut gehörte. Diese Truhen waren gemeinhin mit Themen geschmückt, welche die ehelichen Werte und die Tugenden der Vermählten hochhielten.

Tafel befindet sich noch in ihrer originalen Einfassung, bestehend aus vergoldeten Silberleisten und kannelierten Lisenen. Auch die Pastiglia-Auflagen, die einst die Wappen mit den heraldischen Symbolen der beiden Familien des Paares aufnahmen, für das der Cassone bestimmt war, sind noch vorhanden.

Das dargestellte Bildthema wurde von Hughes, der das Werk als Erster publizierte (siehe Literatur), fälschlicherweise als Geschichte der Lianore de’ Bardi und des Ippolito Buondelmonti identifiziert; tatsächlich sind zwei Episoden aus der Geschichte von Kaiser Trajan und der Witwe zu sehen, die dank der von Jacopo da Varagine in der Legenda aurea erzählten Fassung im Mittelalter große Beliebtheit erlangte und in der Folge auf mehreren Hochzeitstruhen des Quattrocento auftauchte.

Der Legende nach tötete der Sohn des römischen Kaisers Trajan, als er mit seinem Heer zu einer Expedition in den Orient aufbrach, einen Mann, den er mit seinem Pferd niedertrampelte. Die Mutter des Mannes, eine Witwe, fand den Mut, den kaiserlichen Zug anzuhalten, und forderte für den erlittenen Verlust Wiedergutmachung. Das vorliegende Gemälde zeigt den zweiten Teil der Geschichte: Links ist der unterhalb einer Loggia auf einem Thron sitzende Kaiser dargestellt, wie er der vor ihm knienden Witwe Gerechtigkeit zuteilwerden lässt, während der Jüngling von Wachen festgehalten wird. Des Kaisers Urteil besagt, dass die Witwe seinem Sohn zur Frau gegeben werden und darüber hinaus reichlich mit Geschenken bedacht werden soll. Rechts im Bild ist das frisch vermählte Paar auf dem Heimweg dargestellt. Begleitet wird es ganz im Einklang mit der Tradition von einem Hochzeitszug, der die großzügige Mitgift mit sich führt, darunter güldenen Hausrat sowie bezeichnenderweise einen Cassone.

Aufgrund dieser Episode, bekannt unter dem Titel Die Gerechtigkeit Trajans, wurde der Kaiser ob seiner Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit bekannt. Dank der Fürsprache des heiligen Gregors des Großen wurde er ungeachtet dessen, dass er Heide war, ins Paradies eingelassen. Die Legende wurde auch von Dante aufgenommen, der Trajan im dritten Buch seiner Göttlichen Komödie auftreten lässt (Paradiso, Canto XX, 43–45). 

Höchstwahrscheinlich stammt die vorliegende Tafel von einer Hochzeitstruhe, zu der ursprünglich ein zweites Exemplar gehörte, auf dem die Geschichte ihre Fortsetzung fand. Das Bild entstand vermutlich um 1450 in Florenz und ist das Werk eines überaus versierten Künstlers, wofür die eleganten Figuren, die übersichtlich angelegte Komposition und die gekonnt umgesetzte Renaissancearchitektur sprechen. Zunächst glaubte man in dem Künstler die Hand des jüngeren Bruders Masaccios, bekannt unter dem Beinamen Lo Scheggia, zu erkennen (siehe Hughes in der Literatur), doch diese Zuschreibung wurde später zugunsten des Maestro di Trionfi Landau Finaly, eines noch unbekannten, unter dem Einfluss Beato Angelicos und des narrativen Stils von Pesellinos Hochzeitstruhen stehenden Künstlers, zurückgewiesen (siehe Staderini in Literatur). In jüngerer Zeit hat Everett Fahy den Florentiner Künstler Domenico di Michelino (1417–1491), einen Schüler und Mitarbeiter Beato Angelicos, als Schöpfer der vorliegenden Tafel erwogen (persönliche Mitteilung).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2020 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 283.900,-
Schätzwert:
EUR 180.000,- bis EUR 220.000,-

Florentinische Schule, 15. Jahrhundert


Die Gerechtigkeit Trajans,
Öl und Gold auf Holz, Schauseite eines Cassone, 63 x 183 cm (gesamt), 42 x 165 cm (bemalte Fläche), Integralrahmen

Provenienz:
Sammlung John Ashburnham, 2. Earl von Ashburnham (1724–1812), Ashburnham House, Dover Street, London (als „Masaccio“);
im Erbgang an seinen Sohn George, 3. Earl von Ashburnham (1760–1830), Ashburnham House, Dover Street, London;
Weitergabe im Erbgang an seinen Sohn Bertram, 4. Earl von Ashburnham (1797–1878), Ashburnham House, Dover Street, London;
Weitergabe im Erbgang an seinen Sohn Bertram, 5. Earl von Ashburnham (1840–1913), Ashburnham Place, Sussex (als frühe italienische Schule);
im Erbgang an seinen Bruder Thomas, 6. Earl von Ashburnham (1855–1924), Ashburnham Place, Sussex;
Weitergabe im Erbgang an seine Nichte Mary Catherine Charlotte Ashburnham (1890–1953), Ashburnham Place, Sussex;
verkauft auf Geheiß der Nachlassverwaltung der Familie Ashburnham und der Testamentsvollstrecker der Lady Catherine Ashburnham, Sotheby’s, London, 24. Juni 1953, Lot 4 (als florentinische Schule);
erworben durch Arthur Kauffmann (1887–1983), Frankfurt;
an Vincent Korda (1897–1979), London;
rückerworben durch Arthur Kaufmann und verkauft an M. Spink, London, 1975 (als Meister von Fucecchio);
Auktion, Christie’s, London, 5. Juli 2007, Lot 89 (als Giovanni di ser Giovanni Guidi, gen. Lo Scheggia, die Zuschreibung während der Auktion geändert auf florentinische Schule um 1460);
dort durch den jetzigen Besitzer erworben

Ausgestellt:
Florenz, Galleria dell’Accademia – Museo Horne, Virtù d’amore. Pittura nuziale nel Quattrocento fiorentino, 8. Juni – 1. November 2010, Nr. VII (als Maestro di Trionfi Landau Finaly);
Tokio, The Bunkamura Museum of Art, Money and Beauty. Botticelli and the Renaissance in Florence, 21. März – 28. Juni 2015, Nr. 44 (als Maestro di Trionfi Landau Finaly [Domenico di Michelino?])

Literatur:
G. Hughes, Renaissance Cassoni: Masterpieces of Early Italian Art: Painted Marriage Chests 1400–1550, Alfriston, Polegate, Sussex 1997, S. 20, 54, 216-217, Abb. S. 24-25, 56, 187, und am Cover (als Lo Scheggia);
L. Bellosi, M. Haines, Lo Scheggia, Ausstellungskatalog, Florenz/Siena 1999, S. 99 (unter den Falschzuschreibungen an Lo Scheggia);
A. Staderini, in: C. Paolini, D. Parenti, L. Sebregodi (Hg.), Virtù d’amore. Pittura nuziale nel Quattrocento fiorentino, Ausstellungskatalog, Florenz 2010, S. 276–277, Nr. VII (als Meister der Trionfi Landau Finaly);
L. Sebregondi, Money and Beauty: Botticelli and the Renaissance in Florence, Ausstellungskatalog, Tokio 2015, S. 98f., Nr. 44 (als Meister der Trionfi Landau Finaly [Domenico di Michelino?])

vorliegende Gemälde ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 13821 verzeichnet (als Apollonio di Giovanni).

Das vorliegende Werk diente einst als Schauseite eines Cassone, einer Hochzeitstruhe – eines Möbelstücks, das traditionell zur Mitgift der Braut gehörte. Diese Truhen waren gemeinhin mit Themen geschmückt, welche die ehelichen Werte und die Tugenden der Vermählten hochhielten.

Tafel befindet sich noch in ihrer originalen Einfassung, bestehend aus vergoldeten Silberleisten und kannelierten Lisenen. Auch die Pastiglia-Auflagen, die einst die Wappen mit den heraldischen Symbolen der beiden Familien des Paares aufnahmen, für das der Cassone bestimmt war, sind noch vorhanden.

Das dargestellte Bildthema wurde von Hughes, der das Werk als Erster publizierte (siehe Literatur), fälschlicherweise als Geschichte der Lianore de’ Bardi und des Ippolito Buondelmonti identifiziert; tatsächlich sind zwei Episoden aus der Geschichte von Kaiser Trajan und der Witwe zu sehen, die dank der von Jacopo da Varagine in der Legenda aurea erzählten Fassung im Mittelalter große Beliebtheit erlangte und in der Folge auf mehreren Hochzeitstruhen des Quattrocento auftauchte.

Der Legende nach tötete der Sohn des römischen Kaisers Trajan, als er mit seinem Heer zu einer Expedition in den Orient aufbrach, einen Mann, den er mit seinem Pferd niedertrampelte. Die Mutter des Mannes, eine Witwe, fand den Mut, den kaiserlichen Zug anzuhalten, und forderte für den erlittenen Verlust Wiedergutmachung. Das vorliegende Gemälde zeigt den zweiten Teil der Geschichte: Links ist der unterhalb einer Loggia auf einem Thron sitzende Kaiser dargestellt, wie er der vor ihm knienden Witwe Gerechtigkeit zuteilwerden lässt, während der Jüngling von Wachen festgehalten wird. Des Kaisers Urteil besagt, dass die Witwe seinem Sohn zur Frau gegeben werden und darüber hinaus reichlich mit Geschenken bedacht werden soll. Rechts im Bild ist das frisch vermählte Paar auf dem Heimweg dargestellt. Begleitet wird es ganz im Einklang mit der Tradition von einem Hochzeitszug, der die großzügige Mitgift mit sich führt, darunter güldenen Hausrat sowie bezeichnenderweise einen Cassone.

Aufgrund dieser Episode, bekannt unter dem Titel Die Gerechtigkeit Trajans, wurde der Kaiser ob seiner Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit bekannt. Dank der Fürsprache des heiligen Gregors des Großen wurde er ungeachtet dessen, dass er Heide war, ins Paradies eingelassen. Die Legende wurde auch von Dante aufgenommen, der Trajan im dritten Buch seiner Göttlichen Komödie auftreten lässt (Paradiso, Canto XX, 43–45). 

Höchstwahrscheinlich stammt die vorliegende Tafel von einer Hochzeitstruhe, zu der ursprünglich ein zweites Exemplar gehörte, auf dem die Geschichte ihre Fortsetzung fand. Das Bild entstand vermutlich um 1450 in Florenz und ist das Werk eines überaus versierten Künstlers, wofür die eleganten Figuren, die übersichtlich angelegte Komposition und die gekonnt umgesetzte Renaissancearchitektur sprechen. Zunächst glaubte man in dem Künstler die Hand des jüngeren Bruders Masaccios, bekannt unter dem Beinamen Lo Scheggia, zu erkennen (siehe Hughes in der Literatur), doch diese Zuschreibung wurde später zugunsten des Maestro di Trionfi Landau Finaly, eines noch unbekannten, unter dem Einfluss Beato Angelicos und des narrativen Stils von Pesellinos Hochzeitstruhen stehenden Künstlers, zurückgewiesen (siehe Staderini in Literatur). In jüngerer Zeit hat Everett Fahy den Florentiner Künstler Domenico di Michelino (1417–1491), einen Schüler und Mitarbeiter Beato Angelicos, als Schöpfer der vorliegenden Tafel erwogen (persönliche Mitteilung).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2020 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 04.11. - 10.11.2020


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