(Rom 1927–2005 Perugia)
Il bello blu, 1961, rückseitig signiert, datiert und betitelt, Öl auf Leinwand, 130 x 70 cm, gerahmt

Das Werk ist in der Associazione Archivio Piero Dorazio, Mailand, registriert. Ein Fotozertifikat liegt bei.

Provenienz:
Marlborough Gallery, Rom (rückseitig Aufkleber)
Sammlung Benito Storni, Florenz
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Basel, Art Basel, 1980, Galleria De Amicis Florenz (rückseitig Etikett)

Raum kann man mit einem Bündel farbiger Schnüre darstellen, wie es die Inder taten und auch Ptolemäus, Kopernikus oder Descartes. Man kann es mit einem System von Punkten, Linien oder Ebenen tun oder mit einer großen Anzahl von qualifizierten Energien, wie Galileo, Newton und Einstein. Man kann Raum aber auch so darstellen, wie in Pompeji, in den Gemälden von Tintoretto oder Seurat: mit Volumen, Flächen und Linien, so wie auch in Athen, Mexiko und Japan.
Wissenschaftler und Techniker stellen Raum auf eine modernere Weise dar, mit Strukturen und Struktursystemen, in denen Energie und Raum koexistieren. Doch keine dieser wissenschaftlichen Abstraktionen des Naturphänomens „Raum“ kann die unvorhersehbare Präsenz des Menschen mit seinen verschiedenen Ausdrucksformen ausreichend erfassen. Ich denke, dass man weder visuell noch konzeptionell die Verbindung zwischen Mensch und Raum ohne die Hilfe der Farbe verstehen kann, und dies kann nur durch die Malerei geschehen. [...]
Stattdessen ist der kreative Maler in der Lage, völlig neue Phänomene hervorzubringen, die realistische Ersatzbilder für das sind, was in den weniger offensichtlichen Teilen der Natur zu finden ist, wie Stille, Wut, Integrität, Ruhe, Freude oder Licht. Farbe ermöglicht es also, Bilder von „Raum“ hervorzubringen, die direkter mit unseren unmittelbaren Wahrnehmungsmöglichkeiten zu tun haben, unsere Position im Raum zu erkennen; unseren Sinnen die Möglichkeit zu geben, zu erahnen, was wir sind und welchen Raum wir einnehmen.
Es geht nicht darum, unsere Position in Bezug auf den Raum durch eine Interpretation von etwas zu zeigen, sei es ein Objekt oder ein Ideal. Es steht uns frei, Farbe nicht als Interpretationsmittel zu verwenden: Wir können sie stattdessen nutzen, um unsere falschen Eindrücke abzuschwächen, wie wir es gewohnt sind, wahrzunehmen, zu reagieren und zu sehen. Wir können sie nutzen, um unsere natürlichen Fähigkeiten, die eingehenden Signale einer sich ständig verändernden Welt zu erraten und zu interpretieren, zu erweitern und zu verstärken. Wie man Werkzeuge benutzt, wie man Farben benutzt; das ist es, was jeder Maler durch Vorfreude und Enttäuschung zu entdecken versucht.
Viele der Probleme, die heute in der Malerei debattiert werden, könnten durch die „Arten“, in denen Farbe verwendet wird, oder vielmehr die „neuen Arten“, in denen Farbe verwendet wird, identifiziert und verstanden werden. [...]
Ich persönlich träume von einer „Methode“ der Farbverwendung, in der Technik und Poesie miteinander verwoben werden können, in einer Kombination von Ebenen der „Farberfahrung“.
Der Prozess, durch den Bilder und Endwerte erzeugt werden, sollte von Anfang bis Ende lesbar und umkehrbar sein. Der Rhythmus des Arbeitsprozesses sollte der objektiven Natur der Farbe, dem ausdrucksstarken Element der Zeit und des Maßstabs etwas hinzufügen. Durch die Farbe können wir ein Raumgefühl darstellen, das selbst eine lebendige Realität sein könnte, in der andere verstehen können, dass das Leben eine Entwicklung ist und dass der Fortschritt immer ein neues Bild annimmt.
(Piero Dorazio, im Katalog zur Ausstellung ‚Komplexe Farbe‘ in der Galerie Anna Roepcke in Wiesbaden, Deutschland 1962)