Lot Nr. 26 -


Frans Pourbus der Jüngere


Frans Pourbus der Jüngere - Alte Meister I

(Antwerpen 1569–1622 Paris)
Porträt des Vincenzo Gonzaga, Herzog von Mantua (1562–1612) in Rüstung und mit dem Orden vom Goldenen Vlies,
bezeichnet und datiert links oben und Mitte: AN° 1602 .. ÆTA’ SVÆ 39.,
signiert rechts oben: Fran.ci… Pourbus fe…,
Öl auf Leinwand, 77,5 x 61 cm, gerahmt

Provenienz:
Vermutlich 1602 beauftragt durch den Herzogshof für Maria Manrique de Lara (1538–1608), Gemahlin des Vratislav von Pernstein, kaiserlicher Oberstkanzler zu Prag;
lt. Überlieferung Sammlung Max von Grunelius, Frankfurt/Main (1870–1963);
Sammlung von dessen Kusine Marie Adélaïde Mallet, geb. von Grunelius, verehelicht mit Guillaume Mallet (1859–1945), und deren Nachkommen, Le Bois des Moutiers, Normandie, dort dokumentiert bis 2010;
Kunsthandel, Frankreich;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
P. Bertelli, Un ritratto ritrovato di Vincenzo I Gonzaga. Nuovi appunti sull’iconografia del quarto duca di Mantova. Con un saggio di Alice S. Legé, Mantua 2021 (in Vorbereitung befindliche Publikation)

Wir danken Paolo Bertelli, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung. Sein schriftliches Gutachten liegt vor. Ein technisches Gutachten von Manfred Schreiner ist auf Wunsch verfügbar.

Pourbus signierte seine Werke sehr selten. Das vorliegende Porträt des „splendidissimo duca“ Vincenzo I. Gonzaga, einst Pourbus’ einflussreicher Auftraggeber, ist das einzige der Forschung bekannte signierte Bildnis des Herrschers von Mantua. Die Wiederentdeckung des frühen Meisterwerks ist daher nicht nur eine bemerkenswerte Ergänzung des Korpus der bekannten Werke des Künstlers, sondern auch ein Bezugspunkt für die Chronologie seiner künstlerischen Tätigkeit.

Der Herzog von Mantua, Vincenzo Gonzaga, war ein immens einflussreicher Mäzen und Sammler, der im Bemühen, seinem Herzogtum eine sichtbare Rolle auf der europäischen Bühne zu verleihen, einen kultivierten und luxuriösen Hof pflegte, wofür er die Dienste berühmter internationaler Künstler beanspruchte. Er war ein bedeutender Förderer der Künste und Wissenschaften und machte Mantua zum pulsierenden kulturellen Zentrum. Nachdem er die kinderlose Ehe mit Margherita Farnese hatte annullieren lassen, heiratete er 1584 Eleonora de’ Medici, mit der er den selben Großvater mütterlicherseits, den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Ferdinand I., teilte. Eleanor gebar ihm sechs Kinder, von denen das jüngste mit Kaiser Ferdinand II. verheiratet wurde. 1599 reiste Vincenzo an den erzherzoglichen Hof nach Brüssel, um sich mit Pourbus und dem damals noch weniger bekannten Rubens die Dienste der zwei talentiertesten Künstler ihrer Zeit zu sichern. Pourbus war damals Hofmaler des Erzherzogspaars Albert und Isabella in Brüssel, an das er höchstwahrscheinlich durch Frans Francken dem Älteren empfohlen worden war wurde, dessen von Pourbus gemaltes Porträt sich heute in den Uffizien in Florenz befindet. Pourbus gehörte der dritten Generation einer erfolgreichen Antwerpener Malerfamilie an. Wir wissen nicht viel über die Ausbildung des Künstlers; eine Reihe von Arbeiten, die noch aus der Zeit vor seiner Berufung an den erzherzoglichen Hof stammt, zeugen von seinen Errungenschaften als Porträtmaler schon in jungem Alter. Vincenzo hatte bereits mehrere italienische Künstler als Hofmaler beschäftigt, darunter Domenico Tintoretto, Jacopo Ligozzi, Federico Zuccari und Ottaviano Leoni. Jetzt wünschte er sich einen erfahrenen Künstler, der das Bild der herzoglichen Familie als Teil der dynastischen Ikonografie unter den europäischen Höfen verbreiten sollte. Dazu war er auf jemanden angewiesen, der es auch verstand, sich im vornehmen Umfeld des Mantuaner Hofes zu bewegen und zu präsentierten.

Unter Vincenzos Herrschaft umfasste der herzogliche Haushalt mehr als 600 Mitglieder. Er war für seinen Prunk berühmt, nicht zuletzt wegen seiner Kunstsammlung, die der Herzog und seine Vorfahren angelegt hatten. Zwischen 1627 und 130 wurde ein Teil der Sammlung an König Karl I. von England verkauft, während der Rest im Zuge der Auseinandersetzung um die Nachfolge der Gonzaga 1630 in Folge der Plünderungen des herzoglichen Palastes durch kaiserliche Truppen verstreut wurde. Mit gut über 2000 Gemälden und mehr als 20.000 Bronzen, Marmorarbeiten, Medaillen, Münzen, Keramiken, Manuskripten, Büchern und anderen Objekten besaßen die Gonzaga eine der größten jemals zusammengetragenen Sammlungen.

Als Rubens und Pourbus 1600 in Mantua eintrafen, zählte sein Hof zweifellos zu den kultiviertesten Europas. Pourbus war am erzherzoglichen Hof in Brüssel mit dem komplizierten spanischen Hofzeremoniell vertraut gemacht worden und scheint sich in Mantua und in seiner neuen Position problemlos eingelebt zu haben. Als Federico Zuccari im Herbst jenes Jahres Pourbus in Mantua kennenlernte, beschrieb er ihn als elegant gekleideten Höfling, dem der Herzog viele Gefälligkeiten gewährte, die es ihm ermöglichten, sich in Vincenzos Gemächern frei zu bewegen. Das Vertrauensverhältnis scheint sich über die Jahre vertieft zu haben. Alle Mitglieder der Familie korrespondierten regelmäßig mit dem Maler, und die Herzogin brachte ihm gegenüber sogar einmal ihre Besorgnis über die Gesundheit Pourbus’ zum Ausdruck a, als er nach Neapel reiste, um den Herzog beim Ankauf von Caravaggios Gemälden Judith mit dem Haupt des Holofernes (heute Palazzo Barberini, Rom) und Die Rosenkranzmadonna (Wien, Kunsthistorisches Museum) zu beraten.

Während Pourbus in erster Linie mit Porträts des Herzogs und seiner Familie beauftragt wurde, sollte Rubens hauptsächlich religiöse und mythologische Bildthemen umsetzen. Der nur kleine Korpus von Porträts, die Rubens Anfang des 17. Jahrhunderts malte, ist dem prägenden Einfluss von Pourbus auf seinen Antwerpener Landsmann geschuldet. Pourbus setzte seine Arbeit für die Gonzaga in unterschiedlichen Positionen fort, bis er 1610 Hofmaler von Ludwig XIII. wurde, nachdem er im Auftrag der Schwester Herzogin Eleonoras, Maria de’ Medicis, nach Paris gekommen war.

Pourbus schuf im Dienste der Gonzaga seine durchweg schönsten Werke. Die Porträts dieser Zeit zeichnen sich durch eine besondere, reichhaltige Farbigkeit aus und sind von einem dunklen Drama durchdrungen. Dies verleiht ihnen eine Intensität, die den höfischen Porträts, die Pourbus in Paris, dem letzten Abschnitt seiner Laufbahn, malen sollte, abgeht.

Das vorliegende Gemälde ist ein herausragendes Beispiel seiner Mantuaner Tätigkeit. Die Jahreszahl 1602 und der Hinweis auf das Alter des Herzogs erlauben eine präzise Datierung des Bildes zwischen Januar und September 1602, vor dem Geburtstag des Herzogs am 21. September. Es zeigt Vincenzo am Höhepunkt seiner Macht und Reife. Pourbus hat ihn vom Betrachter aus gesehen rechts platziert und ihm einen intensiven, fokussierten Blick verliehen. Er hat bei der Darstellung offenbar auf die anatomische Richtigkeit geachtet und eine Idealisierung verzichtet. Das lebhaft gerötete Inkarnat, die etwas eingedrückte Form des Schädels und eine erstaunliche Aufmerksamkeit für Details – jedes einzelne Haar des Bartes ist zu sehen – haben ein Porträt mit großer Wirklichkeitsnähe und Präsenz entstehen lassen. Die schöne Halskrause aus Burano-Spitze hat Pourbus mit ebensolcher Detailfreude gemalt.

Eine Besonderheit der Porträtmalerei der Spätrenaissance und des Barocks und vor allem auch dieses Porträts Vincenzo Gonzagas ist der reich verzierte Harnisch. Vincenzo besaß viele beeindruckende Rüstungen. Auf zahlreichen seiner Porträts trägt er den sogenannten „SIC“-Harnisch, dessen reichliche Goldverzierungen der Platten sein Motto beinhalten: die in eine Mondsichel eingeschriebenen Buchstaben „SIC“. Der Harnisch im vorliegenden Gemälde ist ein prachtvolles Objekt des Rittertums, über und über verziert mit goldenen Grotesken, Kanonen, Girlanden, Waffen und einem Adler. Er tritt nur noch auf einem weiteren Gemälde von Vincenzo I. Gonzaga in Erscheinung, das sich heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden befindet (Öl auf Leinwand, 95 x 73,5 cm, Inv.-Nr. 835, unsigniert, siehe Abb. 1). Das Oeuvre Pourbus’ umfasst an die 105 Gemälde, von denen nur 20 signiert sind. Dieser Umstand zeichnet das vorliegende Bild als eine ungewöhnliche und glückliche Wiederentdeckung aus. Der Grund für die Datierung, für den Hinweis auf das Alter des Herzogs und für die Signatur des Künstlers mag in der ungewöhnlichen Bestimmung des ausgeführten Werkes gelegen haben.

Paolo Bertelli zieht in Erwägung, dass es sich bei dem vorliegenden Porträt sehr wahrscheinlich um jenes handeln könnte, auf das sich der herzogliche Berater Annibale Cheppio 1602 in mehreren Briefen an den herzoglichen Sekretär Aderbale Manerbio bezog, wonach das Bild für Maria Manrique de Lara (1538–1608), die im Dienst der Kaiserin stand und die Gemahlen des kaiserlichen Kanzlers in Prag, Vratislav von Pernstein, war, in Auftrag gegeben wurde.

Am 16. Mai 1602 schreibt Annibale Chieppion an Aderbale Manerbio in Prag: „Intanto si mandano alla signora donna Maria i ritratti di questi prencipi che saranno notati nell’inserto foglio, et fra poco se le manderanno quelli anchora del signor duca et delle due serenissime madame. Intanto vostra signoria iscuserà la tardanza perché questo pittore di sua altezza è assai humorista et non se ne può cavar construtto se non quando gli piace di lavorare, fingendo hora di essere amalato, hora qualch’altro impedimento, il che tutto gli viene sopportato per l’eccellenza del suo valore“ (Archivio di Stato di Mantova; Archivio Gonzaga, b. 2688, f. III 2, doc. 113–113bis). Dies würde in der Tat die Bezeichnungen und die Signatur auf der Rückseite des Gemäldes erklären, die man als Hinweis auf einen für das Ausland bestimmten Auftrag interpretieren könnte, wie Bertelli nahelegt. Maria Manrique de Lara kam aus einer wohlhabenden spanischen Familie (es gibt ein von Alonso Sanchez-Coello gemaltes Porträt ihrer Tochter Polyxena, das sich heute in der Sammlung Lobkowicz befindet). Leider war es nicht möglich, die Provenienz des vorliegenden Gemäldes bis zu dieser vermuteten Auftragserteilung aus Prag zurückzuverfolgen.

Das vorliegende Bild befand sich den Aufklebern auf der Rückseite zufolge im Besitz von Marie Adélaïde Mallet, geborene Grunelius, und ihrem Ehemann, Guillaume Mallet (1859–1945), dem Mitglied einer französischen protestantischen Bankiersfamilie. Das Bild wurde auf Le Bois des Moutiers, einem berühmten Anwesen in der Normandie, aufbewahrt. Das Anwesen wurde von dem jungen Architekten Sir Edwin Lutyens errichtet, der dazugehörige Garten wurde von Gertrude Jekyll gestaltet. Le Bois des Moutiers ist ein frühes und bedeutendes Beispiel der Arts-and-Crafts-Bewegung und stellt bis heute ein gemeinsam von Lutyens und Jekyll geschaffenes Meisterwerk dar. In einem 2010 veröffentlichten Beitrag ist das vorliegende Gemälde noch im Speisezimmer des Hauses in situ zu sehen (siehe K. Lebert, Les Jardins enchantés du Bois des Moutiers, in: Maisons Normandes, 122, Dezember 2010 – Jänner 2011, S. 24–31:30).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 332.518,-
Schätzwert:
EUR 150.000,- bis EUR 200.000,-

Frans Pourbus der Jüngere


(Antwerpen 1569–1622 Paris)
Porträt des Vincenzo Gonzaga, Herzog von Mantua (1562–1612) in Rüstung und mit dem Orden vom Goldenen Vlies,
bezeichnet und datiert links oben und Mitte: AN° 1602 .. ÆTA’ SVÆ 39.,
signiert rechts oben: Fran.ci… Pourbus fe…,
Öl auf Leinwand, 77,5 x 61 cm, gerahmt

Provenienz:
Vermutlich 1602 beauftragt durch den Herzogshof für Maria Manrique de Lara (1538–1608), Gemahlin des Vratislav von Pernstein, kaiserlicher Oberstkanzler zu Prag;
lt. Überlieferung Sammlung Max von Grunelius, Frankfurt/Main (1870–1963);
Sammlung von dessen Kusine Marie Adélaïde Mallet, geb. von Grunelius, verehelicht mit Guillaume Mallet (1859–1945), und deren Nachkommen, Le Bois des Moutiers, Normandie, dort dokumentiert bis 2010;
Kunsthandel, Frankreich;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
P. Bertelli, Un ritratto ritrovato di Vincenzo I Gonzaga. Nuovi appunti sull’iconografia del quarto duca di Mantova. Con un saggio di Alice S. Legé, Mantua 2021 (in Vorbereitung befindliche Publikation)

Wir danken Paolo Bertelli, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung. Sein schriftliches Gutachten liegt vor. Ein technisches Gutachten von Manfred Schreiner ist auf Wunsch verfügbar.

Pourbus signierte seine Werke sehr selten. Das vorliegende Porträt des „splendidissimo duca“ Vincenzo I. Gonzaga, einst Pourbus’ einflussreicher Auftraggeber, ist das einzige der Forschung bekannte signierte Bildnis des Herrschers von Mantua. Die Wiederentdeckung des frühen Meisterwerks ist daher nicht nur eine bemerkenswerte Ergänzung des Korpus der bekannten Werke des Künstlers, sondern auch ein Bezugspunkt für die Chronologie seiner künstlerischen Tätigkeit.

Der Herzog von Mantua, Vincenzo Gonzaga, war ein immens einflussreicher Mäzen und Sammler, der im Bemühen, seinem Herzogtum eine sichtbare Rolle auf der europäischen Bühne zu verleihen, einen kultivierten und luxuriösen Hof pflegte, wofür er die Dienste berühmter internationaler Künstler beanspruchte. Er war ein bedeutender Förderer der Künste und Wissenschaften und machte Mantua zum pulsierenden kulturellen Zentrum. Nachdem er die kinderlose Ehe mit Margherita Farnese hatte annullieren lassen, heiratete er 1584 Eleonora de’ Medici, mit der er den selben Großvater mütterlicherseits, den Kaiser des Heiligen Römischen Reichs Ferdinand I., teilte. Eleanor gebar ihm sechs Kinder, von denen das jüngste mit Kaiser Ferdinand II. verheiratet wurde. 1599 reiste Vincenzo an den erzherzoglichen Hof nach Brüssel, um sich mit Pourbus und dem damals noch weniger bekannten Rubens die Dienste der zwei talentiertesten Künstler ihrer Zeit zu sichern. Pourbus war damals Hofmaler des Erzherzogspaars Albert und Isabella in Brüssel, an das er höchstwahrscheinlich durch Frans Francken dem Älteren empfohlen worden war wurde, dessen von Pourbus gemaltes Porträt sich heute in den Uffizien in Florenz befindet. Pourbus gehörte der dritten Generation einer erfolgreichen Antwerpener Malerfamilie an. Wir wissen nicht viel über die Ausbildung des Künstlers; eine Reihe von Arbeiten, die noch aus der Zeit vor seiner Berufung an den erzherzoglichen Hof stammt, zeugen von seinen Errungenschaften als Porträtmaler schon in jungem Alter. Vincenzo hatte bereits mehrere italienische Künstler als Hofmaler beschäftigt, darunter Domenico Tintoretto, Jacopo Ligozzi, Federico Zuccari und Ottaviano Leoni. Jetzt wünschte er sich einen erfahrenen Künstler, der das Bild der herzoglichen Familie als Teil der dynastischen Ikonografie unter den europäischen Höfen verbreiten sollte. Dazu war er auf jemanden angewiesen, der es auch verstand, sich im vornehmen Umfeld des Mantuaner Hofes zu bewegen und zu präsentierten.

Unter Vincenzos Herrschaft umfasste der herzogliche Haushalt mehr als 600 Mitglieder. Er war für seinen Prunk berühmt, nicht zuletzt wegen seiner Kunstsammlung, die der Herzog und seine Vorfahren angelegt hatten. Zwischen 1627 und 130 wurde ein Teil der Sammlung an König Karl I. von England verkauft, während der Rest im Zuge der Auseinandersetzung um die Nachfolge der Gonzaga 1630 in Folge der Plünderungen des herzoglichen Palastes durch kaiserliche Truppen verstreut wurde. Mit gut über 2000 Gemälden und mehr als 20.000 Bronzen, Marmorarbeiten, Medaillen, Münzen, Keramiken, Manuskripten, Büchern und anderen Objekten besaßen die Gonzaga eine der größten jemals zusammengetragenen Sammlungen.

Als Rubens und Pourbus 1600 in Mantua eintrafen, zählte sein Hof zweifellos zu den kultiviertesten Europas. Pourbus war am erzherzoglichen Hof in Brüssel mit dem komplizierten spanischen Hofzeremoniell vertraut gemacht worden und scheint sich in Mantua und in seiner neuen Position problemlos eingelebt zu haben. Als Federico Zuccari im Herbst jenes Jahres Pourbus in Mantua kennenlernte, beschrieb er ihn als elegant gekleideten Höfling, dem der Herzog viele Gefälligkeiten gewährte, die es ihm ermöglichten, sich in Vincenzos Gemächern frei zu bewegen. Das Vertrauensverhältnis scheint sich über die Jahre vertieft zu haben. Alle Mitglieder der Familie korrespondierten regelmäßig mit dem Maler, und die Herzogin brachte ihm gegenüber sogar einmal ihre Besorgnis über die Gesundheit Pourbus’ zum Ausdruck a, als er nach Neapel reiste, um den Herzog beim Ankauf von Caravaggios Gemälden Judith mit dem Haupt des Holofernes (heute Palazzo Barberini, Rom) und Die Rosenkranzmadonna (Wien, Kunsthistorisches Museum) zu beraten.

Während Pourbus in erster Linie mit Porträts des Herzogs und seiner Familie beauftragt wurde, sollte Rubens hauptsächlich religiöse und mythologische Bildthemen umsetzen. Der nur kleine Korpus von Porträts, die Rubens Anfang des 17. Jahrhunderts malte, ist dem prägenden Einfluss von Pourbus auf seinen Antwerpener Landsmann geschuldet. Pourbus setzte seine Arbeit für die Gonzaga in unterschiedlichen Positionen fort, bis er 1610 Hofmaler von Ludwig XIII. wurde, nachdem er im Auftrag der Schwester Herzogin Eleonoras, Maria de’ Medicis, nach Paris gekommen war.

Pourbus schuf im Dienste der Gonzaga seine durchweg schönsten Werke. Die Porträts dieser Zeit zeichnen sich durch eine besondere, reichhaltige Farbigkeit aus und sind von einem dunklen Drama durchdrungen. Dies verleiht ihnen eine Intensität, die den höfischen Porträts, die Pourbus in Paris, dem letzten Abschnitt seiner Laufbahn, malen sollte, abgeht.

Das vorliegende Gemälde ist ein herausragendes Beispiel seiner Mantuaner Tätigkeit. Die Jahreszahl 1602 und der Hinweis auf das Alter des Herzogs erlauben eine präzise Datierung des Bildes zwischen Januar und September 1602, vor dem Geburtstag des Herzogs am 21. September. Es zeigt Vincenzo am Höhepunkt seiner Macht und Reife. Pourbus hat ihn vom Betrachter aus gesehen rechts platziert und ihm einen intensiven, fokussierten Blick verliehen. Er hat bei der Darstellung offenbar auf die anatomische Richtigkeit geachtet und eine Idealisierung verzichtet. Das lebhaft gerötete Inkarnat, die etwas eingedrückte Form des Schädels und eine erstaunliche Aufmerksamkeit für Details – jedes einzelne Haar des Bartes ist zu sehen – haben ein Porträt mit großer Wirklichkeitsnähe und Präsenz entstehen lassen. Die schöne Halskrause aus Burano-Spitze hat Pourbus mit ebensolcher Detailfreude gemalt.

Eine Besonderheit der Porträtmalerei der Spätrenaissance und des Barocks und vor allem auch dieses Porträts Vincenzo Gonzagas ist der reich verzierte Harnisch. Vincenzo besaß viele beeindruckende Rüstungen. Auf zahlreichen seiner Porträts trägt er den sogenannten „SIC“-Harnisch, dessen reichliche Goldverzierungen der Platten sein Motto beinhalten: die in eine Mondsichel eingeschriebenen Buchstaben „SIC“. Der Harnisch im vorliegenden Gemälde ist ein prachtvolles Objekt des Rittertums, über und über verziert mit goldenen Grotesken, Kanonen, Girlanden, Waffen und einem Adler. Er tritt nur noch auf einem weiteren Gemälde von Vincenzo I. Gonzaga in Erscheinung, das sich heute in der Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden befindet (Öl auf Leinwand, 95 x 73,5 cm, Inv.-Nr. 835, unsigniert, siehe Abb. 1). Das Oeuvre Pourbus’ umfasst an die 105 Gemälde, von denen nur 20 signiert sind. Dieser Umstand zeichnet das vorliegende Bild als eine ungewöhnliche und glückliche Wiederentdeckung aus. Der Grund für die Datierung, für den Hinweis auf das Alter des Herzogs und für die Signatur des Künstlers mag in der ungewöhnlichen Bestimmung des ausgeführten Werkes gelegen haben.

Paolo Bertelli zieht in Erwägung, dass es sich bei dem vorliegenden Porträt sehr wahrscheinlich um jenes handeln könnte, auf das sich der herzogliche Berater Annibale Cheppio 1602 in mehreren Briefen an den herzoglichen Sekretär Aderbale Manerbio bezog, wonach das Bild für Maria Manrique de Lara (1538–1608), die im Dienst der Kaiserin stand und die Gemahlen des kaiserlichen Kanzlers in Prag, Vratislav von Pernstein, war, in Auftrag gegeben wurde.

Am 16. Mai 1602 schreibt Annibale Chieppion an Aderbale Manerbio in Prag: „Intanto si mandano alla signora donna Maria i ritratti di questi prencipi che saranno notati nell’inserto foglio, et fra poco se le manderanno quelli anchora del signor duca et delle due serenissime madame. Intanto vostra signoria iscuserà la tardanza perché questo pittore di sua altezza è assai humorista et non se ne può cavar construtto se non quando gli piace di lavorare, fingendo hora di essere amalato, hora qualch’altro impedimento, il che tutto gli viene sopportato per l’eccellenza del suo valore“ (Archivio di Stato di Mantova; Archivio Gonzaga, b. 2688, f. III 2, doc. 113–113bis). Dies würde in der Tat die Bezeichnungen und die Signatur auf der Rückseite des Gemäldes erklären, die man als Hinweis auf einen für das Ausland bestimmten Auftrag interpretieren könnte, wie Bertelli nahelegt. Maria Manrique de Lara kam aus einer wohlhabenden spanischen Familie (es gibt ein von Alonso Sanchez-Coello gemaltes Porträt ihrer Tochter Polyxena, das sich heute in der Sammlung Lobkowicz befindet). Leider war es nicht möglich, die Provenienz des vorliegenden Gemäldes bis zu dieser vermuteten Auftragserteilung aus Prag zurückzuverfolgen.

Das vorliegende Bild befand sich den Aufklebern auf der Rückseite zufolge im Besitz von Marie Adélaïde Mallet, geborene Grunelius, und ihrem Ehemann, Guillaume Mallet (1859–1945), dem Mitglied einer französischen protestantischen Bankiersfamilie. Das Bild wurde auf Le Bois des Moutiers, einem berühmten Anwesen in der Normandie, aufbewahrt. Das Anwesen wurde von dem jungen Architekten Sir Edwin Lutyens errichtet, der dazugehörige Garten wurde von Gertrude Jekyll gestaltet. Le Bois des Moutiers ist ein frühes und bedeutendes Beispiel der Arts-and-Crafts-Bewegung und stellt bis heute ein gemeinsam von Lutyens und Jekyll geschaffenes Meisterwerk dar. In einem 2010 veröffentlichten Beitrag ist das vorliegende Gemälde noch im Speisezimmer des Hauses in situ zu sehen (siehe K. Lebert, Les Jardins enchantés du Bois des Moutiers, in: Maisons Normandes, 122, Dezember 2010 – Jänner 2011, S. 24–31:30).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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