Lot Nr. 49


Pietro Novelli, gen. Monrealese


Pietro Novelli, gen. Monrealese - Alte Meister I

(Monreale 1603–1647 Palermo)
Die Ekstase der heiligen Teresa von Ávila,
Öl auf Leinwand, 194 x 138 cm, gerahmt

Provenienz:
Monastero dell’Assunta delle Carmelitane, Palermo, 1628 – vor 1827;
unbekannte adelige Sammlung, Santa Margherita Belice, Agrigento;
Auktion, Circolo Artistico di Palermo, 1960er (als Pietro Novelli);
dort erworben durch Giuseppe Canalotto;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
L. Di Giovanni, Le opere d’Arte nelle chiese di Palermo, 1827: „Io ho veduto dentro al monastero a piè della scala grande un quadro di um 10 palmi in cui vi è dipinta S.Teresa in estasi, è opera bellissima di un colorito sorprendente, e sembra opera di egreggio Pittore di scuola fiamminga“ (siehe S. La Barbera [Hg.], Lazzaro Di Giovanni: Le opere d’arte nelle chiese di Palermo, Palermo 2000, S. 255)

Wir danken Antonio Cuccia, der die Zuschreibung nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Zudem danken wir Riccardo Lattuada und Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung unabhängig davon ebenfalls nach Untersuchung des Originals bestätigt haben.

Die hier dargestellte Ekstase der heiligen Teresa von Ávila folgt einer besonderen Interpretation der Ikonografie. Die Pose der Heiligen beschreibt die Zurückhaltung und den Unwillen, mit denen sie jene göttliche „Freude“ vermeiden möchte, die Gian Lorenz Bernini in der Cornaro-Kapelle in Santa Maria della Vittoria in Rom (siehe Abb. 1) so denkwürdig wiedergegeben hat. Der Maler fängt den Moment kurz vor der Ekstase der offenbar orientierungslosen Nonne ein: Als sie fällt, wird sie wird von einem Engel gestützt; sie hält ihre Hände hoch, als wolle sie die plötzliche Erscheinung des göttlichen Boten mit dem Pfeil abwehren. Geleitet wird Letzterer vom Heiligen Geist in Form der Taube, die eine Schar Putten vertreibt. Innerhalb des begrenzten Bildraumes ist es dem Maler gelungen, eine fesselnde Episode aus der Heiligengeschichte zu zeigen. Starke Kontraste von hellem Licht und tiefem Schatten verstärken die Dramatik.

Cuccia hat erwogen, dass sich Lazzaro di Giovanni (1827; siehe Dokumentation) auf das vorliegende Gemälde bezieht, wenn er von einem in einem Kloster befindlichen Gemälde berichtet: „Ich habe im Kloster am Fuß einer großen Stiege ein Gemälde in der Größe von 10 Palmi gesehen, auf dem die heilige Teresa in Ekstase abgebildet ist, es ist ein überaus schönes Werk in verblüffenden Farben, und es scheint das wunderbare Werk eines Malers der flämischen Schule zu sein“ [„Io ho veduto dentro al monastero a piè della scala grande un quadro di um 10 palmi in cui vi è dipinta S.Teresa in estasi, è opera bellissima di un colorito sorprendente, e sembra opera di egreggio Pittore di scuola fiamminga“].

Di Giovanni bezieht sich auf das Monastero dell’Assunta in Palermo, das der Herzog von Montalto und Vizekönig von Sizilien finanziell großzügig ausstattete und wohin sich seine Gemahlin mit päpstlicher Erlaubnis am 20. Juni 1628 als Nonne für immer zurückzog. Sie folgte damit dem Rat ihres Mannes, das Karmeliterkloster San Giuseppe delle Carmelitane Scalze in Neapel zu verlassen und dem Jesuitenorden beizutreten (siehe V. Abbate, Pittura e Mito: due acquisizioni per Palazzo Abatellis, Bagheria 2006, S. 31).

Die Zuschreibung des Bildes an Novelli scheint aufgrund der ausgeklügelten Komposition gerechtfertigt. Der emotionale Gehalt der Heiligenlegende wird im Zentrum der Diagonalen, entlang derer die Szene konstruiert ist, gesteigert. Diese Merkmale sind ebenso wie die von Rubens entlehnte Farbpalette eng mit dem Stil des Malers verbunden. Speziell die lebendigen Rottöne des Inkarnats vor dunklem Grund dienen dazu, einen Kontrast zu den auffallend hell erleuchteten Bereichen herzustellen.

Ebenfalls typisch für die Arbeitsweise des Künstlers sind die vertrauten Gesichtstypen, die in anderen bekannten Werken Novellis wiederkehren. Dies wird deutlich, wenn man die in das Jahr 1629 zu datierende Figur eines Engels der heute zerstörten Verkündigung in der Villa Niscemi in Palermo dem Engel mit Pfeil im vorliegenden Bild gegenüberstellt. Gleiches gilt für den Engel der Ekstase des heiligen Gaetano in der Kirche San Giuseppe dei Teatini in Palermo, der dieselben Merkmale aufweist wie der im vorliegenden Gemälde die heilige Theresa stützende Engel; das ovale Gesicht der heiligen Teresa findet seine Entsprechung im heiligen Georg eines Freskos, das 1628 für die Kirche San Francesco in Palermo ausgeführt und später in den Palazzo Abatellis transferiert wurde. All diese Werke wurden innerhalb eines kurzen Zeitrahmens vor 1630 ausgeführt; sie alle teilen dieselben prächtigen Farbharmonien von Senfgelb und Rosa, die in den leimfarbigen Weißtönen des Inkarnats nachhallen.

Chronologisch scheint das Werk fern von dem sorgfältig ausgearbeiteten, spätmanieristisch-kalligrafischen und farblich kontrastreichen Stil, der typisch für das Frühwerk des Künstlers ist und sich in Werken wie der Unbefleckten Empfängnis von 1627 für Termini Imerese (siehe A. Cuccia, La prima maturità di Pietro Novelli. Contributi all’attività giovanile, in: Bollettino d’Arte, Nr. 108, 1999, S. 19–56) findet. Umgekehrt unterscheidet sich das vorliegende Werk von der für die Reifezeit des Künstlers charakteristischen klassizistischen Phase. Stattdessen gehört es einer Zwischenphase an, in der sich durch die Wahl der Farbigkeit die Erfahrungen des Künstlers mit dem flämischen Realismus offenbaren. Insbesondere deutet sie auf einen Kontakt mit Anthonis van Dyck 1624/1625 in Palermo bzw. mit Geronimo Gerardi, ebenfalls ein Flame, der sich in Sizilien niederließ. Über ihn Novelli wurde von Rubens beeinflusst. Alle diese Impulse könnten auch noch durch eine vermutete Reise nach Genua verstärkt worden sein.

Schließlich decken sich diese stilistischen Überlegungen mit der Ankunft der Äbtissin Montalto in Palermo im Jahr 1628, um das der Himmelfahrt Mariens gewidmete Karmeliterkloster zu inaugurieren. Dies lässt glauben, dass Novelli das vorliegende Werk Anfang des Jahres 1629 ausgeführt hat, nämlich noch vor seiner dokumentierten Reise nach Neapel und Rom zwischen dem 12. März 1629 und dem 18. Jänner 1630 (siehe G. Mendola, Di Novelli giovane, 1623–1631, in: Bollettino d’Arte, Nr. 108, 1999, S. 1–18).

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

10.11.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Pietro Novelli, gen. Monrealese


(Monreale 1603–1647 Palermo)
Die Ekstase der heiligen Teresa von Ávila,
Öl auf Leinwand, 194 x 138 cm, gerahmt

Provenienz:
Monastero dell’Assunta delle Carmelitane, Palermo, 1628 – vor 1827;
unbekannte adelige Sammlung, Santa Margherita Belice, Agrigento;
Auktion, Circolo Artistico di Palermo, 1960er (als Pietro Novelli);
dort erworben durch Giuseppe Canalotto;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Dokumentation:
L. Di Giovanni, Le opere d’Arte nelle chiese di Palermo, 1827: „Io ho veduto dentro al monastero a piè della scala grande un quadro di um 10 palmi in cui vi è dipinta S.Teresa in estasi, è opera bellissima di un colorito sorprendente, e sembra opera di egreggio Pittore di scuola fiamminga“ (siehe S. La Barbera [Hg.], Lazzaro Di Giovanni: Le opere d’arte nelle chiese di Palermo, Palermo 2000, S. 255)

Wir danken Antonio Cuccia, der die Zuschreibung nach Prüfung des Gemäldes im Original bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Zudem danken wir Riccardo Lattuada und Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung unabhängig davon ebenfalls nach Untersuchung des Originals bestätigt haben.

Die hier dargestellte Ekstase der heiligen Teresa von Ávila folgt einer besonderen Interpretation der Ikonografie. Die Pose der Heiligen beschreibt die Zurückhaltung und den Unwillen, mit denen sie jene göttliche „Freude“ vermeiden möchte, die Gian Lorenz Bernini in der Cornaro-Kapelle in Santa Maria della Vittoria in Rom (siehe Abb. 1) so denkwürdig wiedergegeben hat. Der Maler fängt den Moment kurz vor der Ekstase der offenbar orientierungslosen Nonne ein: Als sie fällt, wird sie wird von einem Engel gestützt; sie hält ihre Hände hoch, als wolle sie die plötzliche Erscheinung des göttlichen Boten mit dem Pfeil abwehren. Geleitet wird Letzterer vom Heiligen Geist in Form der Taube, die eine Schar Putten vertreibt. Innerhalb des begrenzten Bildraumes ist es dem Maler gelungen, eine fesselnde Episode aus der Heiligengeschichte zu zeigen. Starke Kontraste von hellem Licht und tiefem Schatten verstärken die Dramatik.

Cuccia hat erwogen, dass sich Lazzaro di Giovanni (1827; siehe Dokumentation) auf das vorliegende Gemälde bezieht, wenn er von einem in einem Kloster befindlichen Gemälde berichtet: „Ich habe im Kloster am Fuß einer großen Stiege ein Gemälde in der Größe von 10 Palmi gesehen, auf dem die heilige Teresa in Ekstase abgebildet ist, es ist ein überaus schönes Werk in verblüffenden Farben, und es scheint das wunderbare Werk eines Malers der flämischen Schule zu sein“ [„Io ho veduto dentro al monastero a piè della scala grande un quadro di um 10 palmi in cui vi è dipinta S.Teresa in estasi, è opera bellissima di un colorito sorprendente, e sembra opera di egreggio Pittore di scuola fiamminga“].

Di Giovanni bezieht sich auf das Monastero dell’Assunta in Palermo, das der Herzog von Montalto und Vizekönig von Sizilien finanziell großzügig ausstattete und wohin sich seine Gemahlin mit päpstlicher Erlaubnis am 20. Juni 1628 als Nonne für immer zurückzog. Sie folgte damit dem Rat ihres Mannes, das Karmeliterkloster San Giuseppe delle Carmelitane Scalze in Neapel zu verlassen und dem Jesuitenorden beizutreten (siehe V. Abbate, Pittura e Mito: due acquisizioni per Palazzo Abatellis, Bagheria 2006, S. 31).

Die Zuschreibung des Bildes an Novelli scheint aufgrund der ausgeklügelten Komposition gerechtfertigt. Der emotionale Gehalt der Heiligenlegende wird im Zentrum der Diagonalen, entlang derer die Szene konstruiert ist, gesteigert. Diese Merkmale sind ebenso wie die von Rubens entlehnte Farbpalette eng mit dem Stil des Malers verbunden. Speziell die lebendigen Rottöne des Inkarnats vor dunklem Grund dienen dazu, einen Kontrast zu den auffallend hell erleuchteten Bereichen herzustellen.

Ebenfalls typisch für die Arbeitsweise des Künstlers sind die vertrauten Gesichtstypen, die in anderen bekannten Werken Novellis wiederkehren. Dies wird deutlich, wenn man die in das Jahr 1629 zu datierende Figur eines Engels der heute zerstörten Verkündigung in der Villa Niscemi in Palermo dem Engel mit Pfeil im vorliegenden Bild gegenüberstellt. Gleiches gilt für den Engel der Ekstase des heiligen Gaetano in der Kirche San Giuseppe dei Teatini in Palermo, der dieselben Merkmale aufweist wie der im vorliegenden Gemälde die heilige Theresa stützende Engel; das ovale Gesicht der heiligen Teresa findet seine Entsprechung im heiligen Georg eines Freskos, das 1628 für die Kirche San Francesco in Palermo ausgeführt und später in den Palazzo Abatellis transferiert wurde. All diese Werke wurden innerhalb eines kurzen Zeitrahmens vor 1630 ausgeführt; sie alle teilen dieselben prächtigen Farbharmonien von Senfgelb und Rosa, die in den leimfarbigen Weißtönen des Inkarnats nachhallen.

Chronologisch scheint das Werk fern von dem sorgfältig ausgearbeiteten, spätmanieristisch-kalligrafischen und farblich kontrastreichen Stil, der typisch für das Frühwerk des Künstlers ist und sich in Werken wie der Unbefleckten Empfängnis von 1627 für Termini Imerese (siehe A. Cuccia, La prima maturità di Pietro Novelli. Contributi all’attività giovanile, in: Bollettino d’Arte, Nr. 108, 1999, S. 19–56) findet. Umgekehrt unterscheidet sich das vorliegende Werk von der für die Reifezeit des Künstlers charakteristischen klassizistischen Phase. Stattdessen gehört es einer Zwischenphase an, in der sich durch die Wahl der Farbigkeit die Erfahrungen des Künstlers mit dem flämischen Realismus offenbaren. Insbesondere deutet sie auf einen Kontakt mit Anthonis van Dyck 1624/1625 in Palermo bzw. mit Geronimo Gerardi, ebenfalls ein Flame, der sich in Sizilien niederließ. Über ihn Novelli wurde von Rubens beeinflusst. Alle diese Impulse könnten auch noch durch eine vermutete Reise nach Genua verstärkt worden sein.

Schließlich decken sich diese stilistischen Überlegungen mit der Ankunft der Äbtissin Montalto in Palermo im Jahr 1628, um das der Himmelfahrt Mariens gewidmete Karmeliterkloster zu inaugurieren. Dies lässt glauben, dass Novelli das vorliegende Werk Anfang des Jahres 1629 ausgeführt hat, nämlich noch vor seiner dokumentierten Reise nach Neapel und Rom zwischen dem 12. März 1629 und dem 18. Jänner 1630 (siehe G. Mendola, Di Novelli giovane, 1623–1631, in: Bollettino d’Arte, Nr. 108, 1999, S. 1–18).

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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 10.11.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.10. - 10.11.2021

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