Alessandro Piazza
(Venedig 1652/1665–1727 Rom)
Die Battaglia dei Pugni auf der Brücke Ponte San Barnaba in Venedig,
Öl auf Leinwand, 163 x 232 cm, gerahmt
Provenienz:
europäische Privatsammlung
Wir danken Dario Succi, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes vorgeschlagen hat.
Diese unveröffentlichte Ansicht Venedigs zeigt auf lebhaft realistische Weise und unter Einsatz einer auffallend reichen Farbpalette eines der wichtigsten jährlichen Ereignisse des venezianischen Kalenders. Es handelt sich um ein Werk Alessandro Piazzas, eines Künstlers, der als natürlicher Erbe von Joseph Heintz dem Jüngeren (um 1600‒1678) angesehen werden kann. Piazzas Laufbahn nahm in Venedig ihren Anfang. Anerkennung als einer der berühmtesten Maler von Fest- und Gedenkfeiern erfuhr der Künstler später in Rom. Da er von 1691 bis 1700 der „Fraglia de Pittori“, der venezianischen Malergilde, angehörte (siehe E. Favaro, L’arte dei pittori Veneziani e i suoi statuti, Florenz 1975, S. 176), wurde sein Schaffen fast ausschließlich mit der Serie von sieben Gemälden im Museo Correr, Venedig, in Verbindung gebracht, von denen eines mit „Alessandro Piazza F“ signiert ist (Die triumphale Rückkehr Francesco Morosinis nach Venedig, Kl. I Nr. 1381).
Nach seiner Übersiedlung nach Rom in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts konnte sich Piazza dank seiner bedeutenden Förderer innerhalb eines Jahrzehnts als erfolgreicher Künstler etablieren. Zu seinen ersten bedeutenden Aufträgen gehörte Das Possesso-Zeremoniell von Clemens XI. (Privatsammlung), ein Werk, das die „Inbesitznahme“ des Papstthrons durch Kardinal Giovanni Francesco Albani am 20. November 1700 darstellt. Zwei weitere wichtige Gemälde stammen etwa aus der gleichen Zeit und befinden sich heute im Museo di Roma: Es handelt sich um Gemälde, die für die Familie Barberini angefertigt wurden und die Mission des Kardinals Carlo Barberini in seiner Funktion als Gesandter Philipps V. von Spanien in Neapel im Jahr 1702 darstellen. Eines der Gemälde mit dem Titel Die Rückkehr Kardinal Barberinis auf den Quirinal ist signiert und mit 1710 datiert (siehe Bollettino dei Musei Comunali di Roma, VI. Jahrgang, 1959, S. 53).
Das vorliegende Gemälde stellt die „Battaglia dei pugni“ (Faustkampf) zwischen den Castellani und den Nicoletti dar, die bis 1705 in Venedig mehrmals im Jahr auf verschiedenen Brücken der Stadt stattfand, von denen die am meisten umkämpfte der Ponte San Barnaba war. Die Rivalität der beiden Gruppen geht auf die Feindschaft zwischen den Bewohnern von Iesolo und Eraclea zurück, die schon vor der Gründung Venedigs bestand, als die Bewohner der beiden Städte in der Lagune Zuflucht vor Eindringlingen suchten und sich an verschiedenen Orten niederließen, wobei die Castellani die sestieri (Bezirke) von Castello, San Marco und Dorsoduro und die Nicoletti jene von San Polo, Santa Croce und Canareggio gründeten. Die Rivalität bestand jahrhundertelang weiter und drückte sich auf vielerlei Weise aus, wobei der Kampf auf den Brücken die zermürbendste war. Der Preis für die gewonnene Schlacht war der Besitz der Brücke und deren Kennzeichnung mit den Insignien der siegreichen Seite. Jeder Kampf wurde sorgfältig vorbereitet: Zunächst wurde wie bei Reiterturnieren eine öffentliche Herausforderung ausgesprochen, dann wurde der Kanal ausgehoben, um zu verhindern, dass sich die Kämpfer verletzten, wenn sie ins Wasser fielen. Am Tag der Begegnung trafen die beiden Mannschaften in Begleitung von Musikern ein und stellten sich an den gegenüberliegenden Ufern des Kanals bei der Brücke auf. Der Kanal füllte sich mit Booten der Zuschauer, während andere das Schauspiel aus den Fenstern und von den Dächern der umliegenden Häuser verfolgten. Die Kämpfer benutzten verschiedenste Stöcke, und die Zahl der Verletzten und Getöteten war so groß, dass sich der Senat 1574 einzuschreiten gezwungen sah. Von da an waren nur noch Faustkämpfe ohne Waffen und Rüstungen erlaubt. Dennoch waren die Auseinandersetzungen weiterhin so gewalttätig, dass die Behörden 1705 erneut eingreifen mussten und jegliche Versammlung auf den Brücken unter Androhung einer Strafe von entweder fünf Jahren als Ruderer ‒ die Füße in Eisen („coi ferri ai piedi“) ‒ auf einem Galeerenschiff oder von sieben Jahren in einem dunklen Gefängnis („prigione scura“) untersagten. Die Abschaffung dieser Praxis im Jahr 1705 stellt einen Terminus ante quem für die Datierung der hier besprochenen Battaglia dei pugni dar und lässt auf ein Datum in den allerersten Jahren des 18. Jahrhunderts schließen. Auch die stilistischen Merkmale der Komposition bestätigen diese zeitliche Einordnung.
Experte: Mark MacDonnell
Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403
old.masters@dorotheum.com
10.11.2021 - 16:00
- Erzielter Preis: **
-
EUR 83.200,-
- Schätzwert:
-
EUR 60.000,- bis EUR 80.000,-
Alessandro Piazza
(Venedig 1652/1665–1727 Rom)
Die Battaglia dei Pugni auf der Brücke Ponte San Barnaba in Venedig,
Öl auf Leinwand, 163 x 232 cm, gerahmt
Provenienz:
europäische Privatsammlung
Wir danken Dario Succi, der die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes vorgeschlagen hat.
Diese unveröffentlichte Ansicht Venedigs zeigt auf lebhaft realistische Weise und unter Einsatz einer auffallend reichen Farbpalette eines der wichtigsten jährlichen Ereignisse des venezianischen Kalenders. Es handelt sich um ein Werk Alessandro Piazzas, eines Künstlers, der als natürlicher Erbe von Joseph Heintz dem Jüngeren (um 1600‒1678) angesehen werden kann. Piazzas Laufbahn nahm in Venedig ihren Anfang. Anerkennung als einer der berühmtesten Maler von Fest- und Gedenkfeiern erfuhr der Künstler später in Rom. Da er von 1691 bis 1700 der „Fraglia de Pittori“, der venezianischen Malergilde, angehörte (siehe E. Favaro, L’arte dei pittori Veneziani e i suoi statuti, Florenz 1975, S. 176), wurde sein Schaffen fast ausschließlich mit der Serie von sieben Gemälden im Museo Correr, Venedig, in Verbindung gebracht, von denen eines mit „Alessandro Piazza F“ signiert ist (Die triumphale Rückkehr Francesco Morosinis nach Venedig, Kl. I Nr. 1381).
Nach seiner Übersiedlung nach Rom in den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts konnte sich Piazza dank seiner bedeutenden Förderer innerhalb eines Jahrzehnts als erfolgreicher Künstler etablieren. Zu seinen ersten bedeutenden Aufträgen gehörte Das Possesso-Zeremoniell von Clemens XI. (Privatsammlung), ein Werk, das die „Inbesitznahme“ des Papstthrons durch Kardinal Giovanni Francesco Albani am 20. November 1700 darstellt. Zwei weitere wichtige Gemälde stammen etwa aus der gleichen Zeit und befinden sich heute im Museo di Roma: Es handelt sich um Gemälde, die für die Familie Barberini angefertigt wurden und die Mission des Kardinals Carlo Barberini in seiner Funktion als Gesandter Philipps V. von Spanien in Neapel im Jahr 1702 darstellen. Eines der Gemälde mit dem Titel Die Rückkehr Kardinal Barberinis auf den Quirinal ist signiert und mit 1710 datiert (siehe Bollettino dei Musei Comunali di Roma, VI. Jahrgang, 1959, S. 53).
Das vorliegende Gemälde stellt die „Battaglia dei pugni“ (Faustkampf) zwischen den Castellani und den Nicoletti dar, die bis 1705 in Venedig mehrmals im Jahr auf verschiedenen Brücken der Stadt stattfand, von denen die am meisten umkämpfte der Ponte San Barnaba war. Die Rivalität der beiden Gruppen geht auf die Feindschaft zwischen den Bewohnern von Iesolo und Eraclea zurück, die schon vor der Gründung Venedigs bestand, als die Bewohner der beiden Städte in der Lagune Zuflucht vor Eindringlingen suchten und sich an verschiedenen Orten niederließen, wobei die Castellani die sestieri (Bezirke) von Castello, San Marco und Dorsoduro und die Nicoletti jene von San Polo, Santa Croce und Canareggio gründeten. Die Rivalität bestand jahrhundertelang weiter und drückte sich auf vielerlei Weise aus, wobei der Kampf auf den Brücken die zermürbendste war. Der Preis für die gewonnene Schlacht war der Besitz der Brücke und deren Kennzeichnung mit den Insignien der siegreichen Seite. Jeder Kampf wurde sorgfältig vorbereitet: Zunächst wurde wie bei Reiterturnieren eine öffentliche Herausforderung ausgesprochen, dann wurde der Kanal ausgehoben, um zu verhindern, dass sich die Kämpfer verletzten, wenn sie ins Wasser fielen. Am Tag der Begegnung trafen die beiden Mannschaften in Begleitung von Musikern ein und stellten sich an den gegenüberliegenden Ufern des Kanals bei der Brücke auf. Der Kanal füllte sich mit Booten der Zuschauer, während andere das Schauspiel aus den Fenstern und von den Dächern der umliegenden Häuser verfolgten. Die Kämpfer benutzten verschiedenste Stöcke, und die Zahl der Verletzten und Getöteten war so groß, dass sich der Senat 1574 einzuschreiten gezwungen sah. Von da an waren nur noch Faustkämpfe ohne Waffen und Rüstungen erlaubt. Dennoch waren die Auseinandersetzungen weiterhin so gewalttätig, dass die Behörden 1705 erneut eingreifen mussten und jegliche Versammlung auf den Brücken unter Androhung einer Strafe von entweder fünf Jahren als Ruderer ‒ die Füße in Eisen („coi ferri ai piedi“) ‒ auf einem Galeerenschiff oder von sieben Jahren in einem dunklen Gefängnis („prigione scura“) untersagten. Die Abschaffung dieser Praxis im Jahr 1705 stellt einen Terminus ante quem für die Datierung der hier besprochenen Battaglia dei pugni dar und lässt auf ein Datum in den allerersten Jahren des 18. Jahrhunderts schließen. Auch die stilistischen Merkmale der Komposition bestätigen diese zeitliche Einordnung.
Experte: Mark MacDonnell
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Auktion: | Alte Meister I |
Auktionstyp: | Saalauktion mit Live Bidding |
Datum: | 10.11.2021 - 16:00 |
Auktionsort: | Wien | Palais Dorotheum |
Besichtigung: | 29.10. - 10.11.2021 |
** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer
Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.