Lot Nr. 47


Carlo Saraceni


Carlo Saraceni - Alte Meister I

(Venedig 1579–1620)
Der heilige Sebastian,
Öl auf Leinwand, 147 x 75 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Dieser Heilige Sebastian war vermutlich für eine Privatkapelle bestimmt. Der Körper des Heiligen, der zum Teil von einem , in enge Falten gelegten weißen Lendentuch bedeckt ist, erinnert an die nackten Gestalten im linken Vordergrund von Saracenis Sintflut (siehe G. Porzio, in: Carlo Saraceni. Un Veneziano tra Roma e l’Europa, Ausstellungskatalog, hg. von M. G, Aurigemma, Rom 2014, S. 292–295, Kat.-Nr. 55).

Innerhalb von Saracenis Œuvre lässt sich dieses Werk u. a. mit der bloß in Form von Werkstattrepliken bekannten Geißelung vergleichen (siehe A. Ottani Cavina, Carlo Saraceni, Mailand 1968, S. 135, Kat.-Nr. 127). Wie bei dem vorliegenden Heiligen Sebastian wird die nächtliche Szenerie nur durch ein weit unten seitliches einfallendes Licht erleuchtet, welches die Schatten akzentuiert, die sich über Gesicht und Körper des aus der dunklen Umgebung hervortretenden Heiligen legen.

Die Züge des Heiligen gleichen anderen in ähnlicher Weise von unten beleuchteten Gesichtern Saracenis, wodurch die Unterseite der Nase und die Augenhöhlen besonders hervorgehoben werden. Diese Art der Lichtführung erinnert an jene, derer sich bereits Caravaggio bei seiner Maria Magdalena in Ekstase bediente. Möglicherweise kannte Saraceni dieses Werk durch eine Kopie, die der flämische Maler Louis Finson 1612 während seines Romaufenthalts angefertigt hatte; sie befindet sich heute im Musée des Beaux-Arts in Marseille (Inv.-Nr. BA90). Saraceni entlehnt daraus den nach hinten geneigten Kopf, die im Zustand der Ekstase halb geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen.

Ein weiterer, ins Jahr 1606 zu datierender Heiliger Sebastian Carlo Saracenis befindet sich auf der Prager Burg. Die querformatige Leinwand zeigt den Heiligen ebenfalls mit zurückgelegtem Haupt, doch ist er dort im Profil dargestellt.

Saraceni bezog seine Anregungen für die heroische Aktfigur des Heiligen zweifellos auch von antiken Skulpturen, worauf seine frühen Studien der „Belle opere di Roma“ schließen lassen, darunter auch Bildhauerarbeiten, wie sein Biograf Giovanni Baglione berichtet. Laut Aurigemma erklärt sich die Wahl derart markanter Züge durch den Wunsch, dem heiligen Sebastian insgesamt eine klassische Anmutung zu verleihen, die vielmehr skulptural denn gemalt ist.

Saraceni bedient sich auf raffinierte Weise der Architekturkulisse, die er in einen Dialog mit der Figur treten lässt. Die natürliche Beleuchtung artikuliert die Schatten und lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die architektonischen Elemente, welche wiederum dazu dienen, die Darstellung des Martyriums dieses christlichen Helden zu adeln. Verglichen mit anderen Versionen der Ikonografie des Heiligen erweist sich die in Richtung Hintergrund verlaufende, verkürzte Kolonnade als ein Dynamik erzeugender Kunstgriff. Eine derart perspektivische Raumflucht erinnert an berühmte venezianische Vorläufer, die der Maler mit Sicherheit kannte, etwa Tintorettos Bergung des Leichnams des heiligen Markus in der Pinacoteca di Brera in Mailand.

Saraceni zog um 1598 von Venedig nach Rom. Am Beginn seiner Laufbahn, bevor sich seine Kenntnis der Werke Caravaggios auf seine Kunst niederzuschlagen begann, hatte er sich auf kleinformatige Bilder spezialisiert. Zwischen der Laufbahn Saracenis und der Caravaggios kam es zu einer signifikanten Überschneidung: Einer der ersten wichtigen Aufträge Saracenis kam durch einen berüchtigten Skandal um ein Altarbild Caravaggios zustande. Caravaggios Tod Mariä (heute im Musée du Louvre, Paris) war eigentlich für Santa Maria della Scala in Rom in Auftrag gegeben worden, war jedoch so umstritten, dass die Kirchenväter Ersatz forderten. Sie wandten sich an Saraceni, der um 1610 seine eigene Fassung des Themas schuf: Sie befindet sich als sein erster dokumentierter Großauftrag noch vor Ort.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

old.masters@dorotheum.com

11.05.2022 - 16:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Carlo Saraceni


(Venedig 1579–1620)
Der heilige Sebastian,
Öl auf Leinwand, 147 x 75 cm, gerahmt

Provenienz:
europäische Privatsammlung

Wir danken Maria Giulia Aurigemma, die die Zuschreibung nach Untersuchung des vorliegenden Gemäldes im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des Lots.

Dieser Heilige Sebastian war vermutlich für eine Privatkapelle bestimmt. Der Körper des Heiligen, der zum Teil von einem , in enge Falten gelegten weißen Lendentuch bedeckt ist, erinnert an die nackten Gestalten im linken Vordergrund von Saracenis Sintflut (siehe G. Porzio, in: Carlo Saraceni. Un Veneziano tra Roma e l’Europa, Ausstellungskatalog, hg. von M. G, Aurigemma, Rom 2014, S. 292–295, Kat.-Nr. 55).

Innerhalb von Saracenis Œuvre lässt sich dieses Werk u. a. mit der bloß in Form von Werkstattrepliken bekannten Geißelung vergleichen (siehe A. Ottani Cavina, Carlo Saraceni, Mailand 1968, S. 135, Kat.-Nr. 127). Wie bei dem vorliegenden Heiligen Sebastian wird die nächtliche Szenerie nur durch ein weit unten seitliches einfallendes Licht erleuchtet, welches die Schatten akzentuiert, die sich über Gesicht und Körper des aus der dunklen Umgebung hervortretenden Heiligen legen.

Die Züge des Heiligen gleichen anderen in ähnlicher Weise von unten beleuchteten Gesichtern Saracenis, wodurch die Unterseite der Nase und die Augenhöhlen besonders hervorgehoben werden. Diese Art der Lichtführung erinnert an jene, derer sich bereits Caravaggio bei seiner Maria Magdalena in Ekstase bediente. Möglicherweise kannte Saraceni dieses Werk durch eine Kopie, die der flämische Maler Louis Finson 1612 während seines Romaufenthalts angefertigt hatte; sie befindet sich heute im Musée des Beaux-Arts in Marseille (Inv.-Nr. BA90). Saraceni entlehnt daraus den nach hinten geneigten Kopf, die im Zustand der Ekstase halb geschlossenen Augen und leicht geöffneten Lippen.

Ein weiterer, ins Jahr 1606 zu datierender Heiliger Sebastian Carlo Saracenis befindet sich auf der Prager Burg. Die querformatige Leinwand zeigt den Heiligen ebenfalls mit zurückgelegtem Haupt, doch ist er dort im Profil dargestellt.

Saraceni bezog seine Anregungen für die heroische Aktfigur des Heiligen zweifellos auch von antiken Skulpturen, worauf seine frühen Studien der „Belle opere di Roma“ schließen lassen, darunter auch Bildhauerarbeiten, wie sein Biograf Giovanni Baglione berichtet. Laut Aurigemma erklärt sich die Wahl derart markanter Züge durch den Wunsch, dem heiligen Sebastian insgesamt eine klassische Anmutung zu verleihen, die vielmehr skulptural denn gemalt ist.

Saraceni bedient sich auf raffinierte Weise der Architekturkulisse, die er in einen Dialog mit der Figur treten lässt. Die natürliche Beleuchtung artikuliert die Schatten und lenkt die Aufmerksamkeit auch auf die architektonischen Elemente, welche wiederum dazu dienen, die Darstellung des Martyriums dieses christlichen Helden zu adeln. Verglichen mit anderen Versionen der Ikonografie des Heiligen erweist sich die in Richtung Hintergrund verlaufende, verkürzte Kolonnade als ein Dynamik erzeugender Kunstgriff. Eine derart perspektivische Raumflucht erinnert an berühmte venezianische Vorläufer, die der Maler mit Sicherheit kannte, etwa Tintorettos Bergung des Leichnams des heiligen Markus in der Pinacoteca di Brera in Mailand.

Saraceni zog um 1598 von Venedig nach Rom. Am Beginn seiner Laufbahn, bevor sich seine Kenntnis der Werke Caravaggios auf seine Kunst niederzuschlagen begann, hatte er sich auf kleinformatige Bilder spezialisiert. Zwischen der Laufbahn Saracenis und der Caravaggios kam es zu einer signifikanten Überschneidung: Einer der ersten wichtigen Aufträge Saracenis kam durch einen berüchtigten Skandal um ein Altarbild Caravaggios zustande. Caravaggios Tod Mariä (heute im Musée du Louvre, Paris) war eigentlich für Santa Maria della Scala in Rom in Auftrag gegeben worden, war jedoch so umstritten, dass die Kirchenväter Ersatz forderten. Sie wandten sich an Saraceni, der um 1610 seine eigene Fassung des Themas schuf: Sie befindet sich als sein erster dokumentierter Großauftrag noch vor Ort.

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
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Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 11.05.2022 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 30.04. - 11.05.2022

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