Lot Nr. 201


Antoni Tàpies *


(Barcelona 1923-2012)
Schlange im Quadrat, 1991, auf der Rückseite signiert, Mischtechnik auf Holz, 151 x 150,5 cm, gerahmt

In der Kunst des katalanischen Künstlers Antoni Tàpies schließen sich Zerstörung und Schönheit, Politik und Poesie nicht gegenseitig aus. Seine erdigen, objekthaften Gemälde nehmen die Materie zum Ausgangspunkt und verschmelzen das Historische mit dem Alltäglichen.

Seine Werke ähneln eher archäologischen Artefakten als klassischen Kunstwerken an sich. Auch der Künstler selbst wirkt eher wie ein Wissenschaftler und Forscher: Antoni Tàpies (1923-2012) ist durch seine unzähligen Teilnahmen an den Biennalen von Venedig und den documentas bekannt und gehört zu den bekanntesten und wichtigsten spanischen Künstlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Werk, das zugleich roh, brutal und zutiefst poetisch ist, kann irgendwo zwischen Arte Povera und Informel angesiedelt werden, ohne sich einem von beiden wirklich zuzuordnen. Stattdessen arbeitete Tàpies Spuren von Alltagsgegenständen in Oberflächen wie Holz oder Leinwand ein und beschriftete sie mit graffitiartigen Zeichen. Seine Mischtechnik-Arbeiten entstanden in einem Prozess des Auftragens und Abkratzens von dicken Farbschichten, die er immer wieder überlagerte und überarbeitete, bis sie sich schließlich als zentimeterdicke Reliefs aus Sand, Erde, Mineralien, Zement oder Papier manifestierten. Im Laufe der Jahre arbeitete sich Tàpies durch endlose Variationen eines festen Kanons von Motiven und Materialien. Häufige symbolische Elemente sind zum Beispiel das Kreuz, aber auch ein Bett oder die Buchstaben A und T.

Ein großes T prangt auch auf dem großformatigen, quadratischen Werk „Schlange im Quadrat“ von 1991, das in der kommenden Auktion für zeitgenössische Kunst im Dorotheum versteigert werden soll. Im Mittelpunkt dieses Werks steht das Bild einer gewundenen Schlange, oder zumindest beschreibt Tàpies diesen Abdruck eines scheinbar verpackungsfertigen Schnurstücks so. Könnte man es auch als Emblem für ein abgewendetes Unheil lesen? Die Antwort lautet jain, und doch ist diese Offenheit für Interpretationen fast ein Markenzeichen von Tàpies’ Werk und unterstreicht die Stärke eines Oeuvres, das Materialien wie Treibgut aus der Vergangenheit aufgreift.

Tàpies beschreibt seinen eigenen Prozess als einen der Entdeckung: „Wie ein Forscher im Labor nehme ich als erster die Anregungen wahr, die der Materie entrissen werden können. Ich entlocke ihr Ausdrucksmöglichkeiten, auch wenn ich anfangs keine ganz klare Vorstellung habe, worauf ich mich einlasse. Während der Arbeit formuliere ich gleichsam meine Gedanken; aus dem Kampf zwischen Wollen und vorhandenem Material entsteht ein Gleichgewicht von Spannungen.“

Das Werk von Tàpies ist maßgeblich von den politischen Ereignissen seiner Zeit geprägt. Der 1923 in Barcelona geborene Künstler erlebte den Spanischen Bürgerkrieg und die darauf folgende, fast 40 Jahre währende Franco-Diktatur. Als scharfer Beobachter seiner Zeit verarbeitete er in seiner Kunst viel zeitgenössische Politik, historische Aspekte und Geschichten, aber auch das triviale, alltägliche Leben.

Provenienz:
Galerie Toni Tàpies, Barcelona
Privatsammlung
Auktion Christie’s, London, 14 Februar 2013, Lot 211
Europäische Privatsammlung (dort vom heutigen Besitzer erworben)

Ausgestellt:
Trondheim, Tore A. Holms samling. Moderne europeisk malerkunst-et mote mellom nor og sor Pintura Europea actual-una trobada entre el Nord i el Sud, Trondheim Kunstmuseum, 19992000, Ausst.-Kat. S. 121 mit Abb.

Wanderausstellung: Bergen, Bergen Kunstforening; Barcelona, Palau Reial de Pedralbes; Madrid, Centro Cultural del Conde Duque; Saragossa, Iber Caja; Logrono, Sala Amos Salvador und Oslo, Oslo Kommunes Kunstsamlinger, Sternersenmuseet Stavanger, Sans og Samling, Sense and Capability. Tore A. Holms Samling, Stavanger Kunstmuseum 2011, Ausst.-Kat. S. 105. Wanderausstellung: Trondheim, Trondheim Kunstmuseum; Tonsberge, Haugar Vestfold Kunstmuseum und Lillehammer, Lillehammer Kunstmuseum

Literatur:
A. Augustì, Tàpies, Obra Completa 1991-1996, Bd. 7, Barcelona 2003, Nr. 6286, S. 96 mit Abb.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it

01.06.2022 - 17:00

Erzielter Preis: **
EUR 315.500,-
Schätzwert:
EUR 160.000,- bis EUR 220.000,-

Antoni Tàpies *


(Barcelona 1923-2012)
Schlange im Quadrat, 1991, auf der Rückseite signiert, Mischtechnik auf Holz, 151 x 150,5 cm, gerahmt

In der Kunst des katalanischen Künstlers Antoni Tàpies schließen sich Zerstörung und Schönheit, Politik und Poesie nicht gegenseitig aus. Seine erdigen, objekthaften Gemälde nehmen die Materie zum Ausgangspunkt und verschmelzen das Historische mit dem Alltäglichen.

Seine Werke ähneln eher archäologischen Artefakten als klassischen Kunstwerken an sich. Auch der Künstler selbst wirkt eher wie ein Wissenschaftler und Forscher: Antoni Tàpies (1923-2012) ist durch seine unzähligen Teilnahmen an den Biennalen von Venedig und den documentas bekannt und gehört zu den bekanntesten und wichtigsten spanischen Künstlern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Werk, das zugleich roh, brutal und zutiefst poetisch ist, kann irgendwo zwischen Arte Povera und Informel angesiedelt werden, ohne sich einem von beiden wirklich zuzuordnen. Stattdessen arbeitete Tàpies Spuren von Alltagsgegenständen in Oberflächen wie Holz oder Leinwand ein und beschriftete sie mit graffitiartigen Zeichen. Seine Mischtechnik-Arbeiten entstanden in einem Prozess des Auftragens und Abkratzens von dicken Farbschichten, die er immer wieder überlagerte und überarbeitete, bis sie sich schließlich als zentimeterdicke Reliefs aus Sand, Erde, Mineralien, Zement oder Papier manifestierten. Im Laufe der Jahre arbeitete sich Tàpies durch endlose Variationen eines festen Kanons von Motiven und Materialien. Häufige symbolische Elemente sind zum Beispiel das Kreuz, aber auch ein Bett oder die Buchstaben A und T.

Ein großes T prangt auch auf dem großformatigen, quadratischen Werk „Schlange im Quadrat“ von 1991, das in der kommenden Auktion für zeitgenössische Kunst im Dorotheum versteigert werden soll. Im Mittelpunkt dieses Werks steht das Bild einer gewundenen Schlange, oder zumindest beschreibt Tàpies diesen Abdruck eines scheinbar verpackungsfertigen Schnurstücks so. Könnte man es auch als Emblem für ein abgewendetes Unheil lesen? Die Antwort lautet jain, und doch ist diese Offenheit für Interpretationen fast ein Markenzeichen von Tàpies’ Werk und unterstreicht die Stärke eines Oeuvres, das Materialien wie Treibgut aus der Vergangenheit aufgreift.

Tàpies beschreibt seinen eigenen Prozess als einen der Entdeckung: „Wie ein Forscher im Labor nehme ich als erster die Anregungen wahr, die der Materie entrissen werden können. Ich entlocke ihr Ausdrucksmöglichkeiten, auch wenn ich anfangs keine ganz klare Vorstellung habe, worauf ich mich einlasse. Während der Arbeit formuliere ich gleichsam meine Gedanken; aus dem Kampf zwischen Wollen und vorhandenem Material entsteht ein Gleichgewicht von Spannungen.“

Das Werk von Tàpies ist maßgeblich von den politischen Ereignissen seiner Zeit geprägt. Der 1923 in Barcelona geborene Künstler erlebte den Spanischen Bürgerkrieg und die darauf folgende, fast 40 Jahre währende Franco-Diktatur. Als scharfer Beobachter seiner Zeit verarbeitete er in seiner Kunst viel zeitgenössische Politik, historische Aspekte und Geschichten, aber auch das triviale, alltägliche Leben.

Provenienz:
Galerie Toni Tàpies, Barcelona
Privatsammlung
Auktion Christie’s, London, 14 Februar 2013, Lot 211
Europäische Privatsammlung (dort vom heutigen Besitzer erworben)

Ausgestellt:
Trondheim, Tore A. Holms samling. Moderne europeisk malerkunst-et mote mellom nor og sor Pintura Europea actual-una trobada entre el Nord i el Sud, Trondheim Kunstmuseum, 19992000, Ausst.-Kat. S. 121 mit Abb.

Wanderausstellung: Bergen, Bergen Kunstforening; Barcelona, Palau Reial de Pedralbes; Madrid, Centro Cultural del Conde Duque; Saragossa, Iber Caja; Logrono, Sala Amos Salvador und Oslo, Oslo Kommunes Kunstsamlinger, Sternersenmuseet Stavanger, Sans og Samling, Sense and Capability. Tore A. Holms Samling, Stavanger Kunstmuseum 2011, Ausst.-Kat. S. 105. Wanderausstellung: Trondheim, Trondheim Kunstmuseum; Tonsberge, Haugar Vestfold Kunstmuseum und Lillehammer, Lillehammer Kunstmuseum

Literatur:
A. Augustì, Tàpies, Obra Completa 1991-1996, Bd. 7, Barcelona 2003, Nr. 6286, S. 96 mit Abb.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

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Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 01.06.2022 - 17:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 21.05. - 01.06.2022


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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