SPEKTRUM DER KUNST

5. - 10. sowie 24. - 30. November 2020: Auktionswochen Classic und Contemporary Week im Dorotheum


Von Bicci di Lorenzo bis Eugen von Blaas, von Chaim Soutine bis Lucio Fontana: Der November im Dorotheum hält für Kunstinteressierte und Sammler eine riesige Palette an Genres vom Mittelalter bis zur Gegenwart bereit. Den Anfang machen Antiquitäten, Gemälde Alter Meister und des 19. Jahrhunderts in der Classic Week (5. bis 10. November 2020). Ende des Monats, vom 24. bis 30. November 2020, steht das Dorotheum ganz im Zeichen der Contemporary Week mit moderner und zeitgenössischer Kunst. Juwelen und Armbanduhren beschließen diese hochkarätig bestückte Auktionswoche. 

Alte Meister
Auktion 10. November 2020

Reiche Mitgift
Bei der der Auktion Alte Meister am 10. November zeigt sich Florentiner Malerei der Frührenaissance von ihrer schönsten Seite - auf einer Holzbildtafel. Deren längliche Form leitet sich von seiner ursprünglichen Funktion als Seitenteil einer Cassone, einer großen Holztruhe ab. Reich bemalte und je nach Status der jeweiligen Familie entsprechend verzierte Truhen dieser Art dienten vom 14. bis 16. Jahrhundert als Hochzeitsgeschenk. Das im Dorotheum angebotene Gemälde zeigt Szenen der im Mittelalter beliebten Geschichte von Kaiser Trajan und der Witwe: Der Regent gibt seinen Sohn der verwitweten Frau zur Heirat, als Kompensation für den von Trajans Sohn verschuldeten Tod ihres Kindes. Eine der Szenen bildet den Hochzeitszug ab, mit allen Geschenken, darunter eine Cassone. Die kunstfertige Darstellung lässt auf eine Entstehungszeit in Florenz um 1450 deuten, die jüngste Autorschaft vermutet man im Florentiner Maler Domenico di Michelino. Vom 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts war dieses Bild Teil der bedeutenden Frührenaissance-Gemäldesammlung der Earls of Ashburnham gewesen (€ 180.000 – 220.000).

Von Bicci di Lorenzo offeriert das Dorotheum eine um 1433 entstandene Tafel, einst Teil eines Altarbildes der Kirche San Niccolò in Cafaggio, Florenz. Sie zeigt eine Szene aus dem Leben des Heiligen Nikolaus, "Die Auferweckung eines Knaben" (€ 150.000 - 200.000). 

Das repräsentative Porträt eines Gentleman mit Hund stammt vom Tizian stilistisch nahestehenden italienischen Maler der Spätrenaissance, Bernardino Campi (€ 150.000 – 200.000).

Der große Verfasser der ersten Künstlerbiographien, Giorgio Vasari, war selbst auch Maler. Zwei seiner Jahreszeitenbilder, symbolisiert von jeweils zwei miteinander ringenden Putti, verkörpern den Sommer und den Winter (je € 150.000 – 200.000).

Große Künstlerin
Auch eine große Altmeisterin findet sich im Angebot, Lavinia Fontana mit einer ikonographisch spannenden Version der Madonna del Silenzio. Maria hütet den Schlaf des Jesusknaben. Ein weiteres Gemälde der Künstlerin zeigt einen Jungen, der bei einem Tisch sitzt, mit einem Hund (je € 150.000 – 200.000).

Klimawandel im 16. Jahrhundert
Leid und Not, aber auch spielerische Freuden illustriert ein Bild des Flamen Abel Grimmer (1570 - nach 1620). Seine in Brueghel’scher Manier gefertigte „Winterlandschaft mit Eisläufern“ entstand inmitten der 120 Jahre währenden Kleinen Eiszeit, in der die Temperatur um zwei Grad sank – mit katastrophalen Folgen. Im reichen niederländischen Bürgertum war ein Bild dieses neuen Typus sehr gefragt. Und es hat keineswegs an Aktualität eingebüßt:  Das Leben, eine einzige Rutschpartie (€ 300.000 – 500.000).

Weltliche Freuden
Einen Bilderspruch muss man bei dem Gemälde zweier Narren, Niederländische Schule, enträtseln, Die Symbole über den grotesken Personen bedeuten: „Die Welt ernährt viele Narren“ (€ 120.000 – 180.000). Sehr weltlich wiederum geht es bei Jan Steen im Haushalt von Martha und Maria zu: Christus im Hause von Martha und Maria ist in eine perspektivisch spannende „alltägliche“ Szene eingebettet (€ 200.000 – 300.000).

Gemälde des 19. Jahrhunderts Auktion 9. November 2020

Elegante Gesellschaft
Vermutlich als Hochzeitsgeschenk diente das vom italienischen Großindustriellen Andrea Antonini beauftragte Porträt seiner Tochter Maria Lebreton, ein Highlight bei der Auktion von Gemälden des 19. Jahrhunderts am 9. November. Mit Eugen von Blaas wählte der mit einer Hanfspinnerei, der Canapificio Veneto Antonini & Ceresa bis 1920 zu Weltruhm gelangte Brautvater den Besten seiner Zunft. Venetiens Großbürgertum schätzte die elegante und erhabene Porträtmalerei des Künstlers. Das Bildnis, welches Frau Lebreton in voller Größe, von Hut bis Fuß in noblem Schwarz darstellt, wurde ein Jahr nach seiner Entstehung, 1909, bei der Biennale von Venedig ausgestellt. (€ 150.000 – 200.000).

Ein Tagebucheintrag der bei Landschaftsmaler Emil Jakob Schindler ausgebildeten Malerin Olga Wisinger-Florian bezeugt, dass es sich bei ihrem Gemälde „Im Bauerngarten“ um ein ganz besonderes Werk handelt. Als das Bild im Münchner Kunstverein 1898 erstmals ausgestellt wurde, stieß es auf großen Anklang und wurde von Prinzregent Luitpold von Bayern erworben (€ 250.000 – 350.000).

Landleben
Eine Reihe von österreichischen Gemälden entführt in die (Schein-)Idylle des Biedermeier. Einer politisch rauen Zeit, in der man sich ins Familienleben und das traute Heim zurückzog. Ferdinand Georg Waldmüller, der wohl bedeutendste Maler jener Epoche, hatte sich mit der Kunstakademie in Wien überworfen und war aufs Land gezogen, feierte in seinen meist vielfigurigen Genrebildern das Landleben. Wie etwa bei „Vorbereitung zum Winzerfest“, einem Gemälde, das durch seine raffinierte Perspektive überzeugt. Oder beim „Besuch der Großeltern“ (€ 120.000 - 180.000, € 80.000 - 140.000). Beide Bilder werden nun zugunsten der „sight loss charity“ der Vision Foundation, UK, versteigert.
Rosalia Amon, Waldmüllers beste Studentin, setzte wie ihr Lehrer gekonnt Akzente natürlichen Lichtes. Blumen, in dem Fall „Die welke Rosenknospe“, dienen der Künstlerin auch symbolisch für Bilderzählungen (€ 36.000 - 45.000).  Kinder waren beliebtes Thema im Biedermeier, so auch bei Johann Baptist Reiter. Er schildert eine „Dorfschule“ und auch „Geschwisterliebe“ (€ 10.000 – 14.000 € 7.000 – 10.000). Die heile Welt konterkariert etwa Johann Matthias Ranftl mit der Darstellung junger Reisigsammler (€ 18.000 – 25.000).

Klassische Moderne
Auktion 24. November 2020

Expressiv
Toplos der prominent bestückten Auktion Klassische Moderne am 24. November ist die expressionistische „Dame in Rot mit blauem Hintergrund“ von Chaim Soutine. Vor allem im Paris der 1920er Jahre gelangte seine Porträtkunst mit psychologischem Tiefblick zur Höchstform. Großen Raum nimmt auf diesem Bild auch der aufwühlende, mit dicken Pinselstrichen aufgetragene Hintergrund der in ruhigerem Malduktus Porträtierten ein. Der aus Russland stammende bedeutende Maler war Zeitgenosse von Chagall, Modigliani und Picasso. (€ 1,5 – 2,5 Mio).

Gott im Theater
Nichts weniger als der Altar des Dionysos ist auf dem Gemälde von Gustav Klimt zu sehen, ein Entwurf für seine im Wiener Burgtheater ausgeführte, über 12 Meter lange Arbeit für das Stiegenhaus. Dionysosfeiern der Antike gelten als Ursprung des Theaters. Im Zentrum des Bildes steht eine Büste des antiken Gottes, den zwei nackte Dienerinnen flankieren, Vorstufen der femme fatales von Klimts späterer Zeit. Ein Satyr ist als Männerakt wiedergegeben. Klimt war zum Zeitpunkt des Auftrages gerade erst 24 und wurde für seine Stiegenhausbilder von Kaiser Franz Joseph ausgezeichnet. Mit der anschließenden Ausstattung des Kunsthistorischen Museums besitzt Wien die wohl kostbarsten Innenräume des europäischen Historismus. Der Dionysos-Entwurf war einst in Besitz des Bankiers Eduard Palmer, u. a Finanzberater der Schauspielerin und Freundin des Kaisers, Katharina Schratt (€ 190.000 - 300.000).

Vorstellung und Erinnerung verschmilzt Marc Chagall in seinen traum-haften Rückblenden an seine russische Heimat, so auch in den in gedeckten Grautönen gehaltenen Le Paysans (Die Bauern), 1964 (€ 170.000 – 220.000).

Luftig mit Temperafarben gemalt ist Oskar Kokoschkas 2,4 x 2,3 Meter große Darstellung von „Amor und Psyche“. Wie wichtig dem Künstler das Bild war, zeigt sich in der Tatsache, dass ein Gobelin mit diesem Motiv über Kokoschkas Schreibtisch hing (€ 300.000 – 500.000).
Die Kitzbüheler Liebfrauenkirche und Pfarrkirche St. Andreas vor schneebedeckten Bergen zeigt ein naiv-abstrahiertes Bild des jungen Alfons Walde (€ 180.000 – 250.000).

Zeitgenössische Kunst
Teil I Auktion 25. November 2020
Teil II Auktion 26. November 2020

ZERO und Arte Povera
Ein frühes, außergewöhnliches Werk stammt von Günther Uecker, dem wohl bedeutendsten Protagonisten der Gruppe ZERO. Die mit Nägeln komplett umfangene Holzskulptur, eine Frauenbüste, nimmt eine besondere Rolle im Oeuvre des Künstlers ein, ist sie doch die Nummer 1 des von Dieter Honisch verfassten Werkverzeichnisses. Der 60 cm hohe „Kopf“ soll Ueckers Schwester Rotraud darstellen, Affinitäten zur afrikanischen Stammeskunst sind durchaus zu erkennen, aber nicht intendiert. Der Kopf entstand 1953, dem Jahr als Uecker die DDR verließ und zwei Jahre später seine Schwester nach Westdeutschland holte (€ 300.000 – 400.000).

Arbeiten von Lucio Fontana gehören immer zu den Höhepunkten der Dorotheum-Zeitgenossen-Auktionen. Diesmal überzeugen eine virtuose glasierte Keramikarbeit von 1954/56 sowie ein blaues „Concetto Spaziale, Attesa“ aus den Jahren 1967/68 (€ 200.000 – 300.000, € 400.000 – 600.000).

In die Arte Povera verweisen das unbetitelte, zweiteilige Riesenformat von Jannis Kounellis sowie zwei Gemälde von Alberto Burri.

Werke der Pop Art sind u. a. mit Roy Lichtensteins „Two Nudes“ oder einem Marilyn-Siebdruck von  Andy Warhol vertreten (€ 140.000 – 160.000, € 120.000 – 150.000). „In ascolto“, die fünf Meter lange, mit 24 goldenen Bilderrahmen und Collagen versehene Wandtafel des Konzeptkünstlers Giulio Paolini kann als direkte Referenz an sein Bühnenbild gelesen werden, das er für Richard Wagners Oper „Die Walküre“ für Neapel entwarf (€ 300.000 – 400.000).

Bedeutende Werke kommen unter anderem auch von Enrico Castellani, Piero Dorazio, Fausto Melotti, Gastone Novelli, Peter Halley, Christo, Julije Knifer, Hans Hartung oder Yayoi Kusama.

Österreichische Zeitgenossen
Dem magischen oder Phantastischen Realismus zuzuordnen ist ein außergewöhnliches Querformat des Rudolf Hausner. Anhand eines Gartengrundrisses, eines Pilzbaumes und eines überdimensionalen Schmetterlings konterkariert er Natur und Kultur, „Zwei Kontinente“. Das in seinen Bildern eingebaute Konterfei des Adam, seines Alter Ego, darf auch hier nicht fehlen (€ 80.000 – 140.000).

Vom ursprünglichen Motiv zeugt nur der Bildtitel: „Das überschmierte Weibchen“ nennt Über-Maler Arnulf Rainer seine Fingermalerei (€ 55.000 - 70.000).

Weitere Werke kommen von u. a. von Franz West, Maria Lassnig, Josef Mikl oder Rudolf Polanszky.

CLASSIC WEEK 5. - 10. NOVEMBER 2020
CONTEMPORARY WEEK, 24. - 30. NOVEMBER 2020
Möbel, Antiquitäten, Glas und Porzellan | Auktion 5. November 2020, 14 Uhr
Gemälde des 19. Jahrhunderts | Auktion 9. November 2020, 16 Uhr
Alte Meister | Auktion 10. November 2020, 16 Uhr
Klassische Moderne | Auktion 24. November 2020, 16 Uhr
Zeitgenössische Kunst Teil I | Auktion 25. November 2020, 16 Uhr
Zeitgenössische Kunst Teil II | Auktion 26. November 2020, 16 Uhr
Armband- und Taschenuhren | Auktion 27. November 2020, 13 Uhr
Juwelen | Auktion 30. November 2020, 16 Uhr
Auktionsort | Palais Dorotheum, Dorotheergasse 17, 1010 Wien


Bildmaterial:

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