Lot Nr. 135 -


Franz Joseph Winter


(Augsburg 1690 – nach 1768 München)
Ganzfiguriges Porträt von Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern (1727–1777) im Brustharnisch mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies und dem Band des Hausritterordens vom heiligen Georg , im Hintergrund der Kurhut; und
Ganzfiguriges Porträt der Maria Anna Sophie von Sachsen (1728–1797) mit dem Russischen Orden der heiligen Katharina,
Öl auf Leinwand, je 225 x 139 cm, gerahmt, Pendants (2)

Wir danken Helmut Börsch-Supan, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat. Zudem danken wir Georg Lechner für die Bestätigung der Zuschreibung.

Franz Joseph Winters Karriere am Münchner Hof umspannte die Regierungszeit mehrerer Herrschergenerationen aus dem Hause Wittelsbach. Er wurde mit dem Malen der Porträts von Maximilian II. Emanuel (1662–1726), Karl VII. Albrecht (1697–1745) und Maximilian III. Joseph (1727–1777) betraut. Bedauerlicherweise sind biografische Angaben zu Winter erstaunlich spärlich. Während er oft als bis 1757 tätig beschrieben wird, nahm er tatsächlich am Reichstag des Hofes teil und wurde noch 1768 urkundlich erwähnt (siehe C. Hutter, Zwischen Rokoko und Klassizismus: Die Tafelbilder des kurfürstlichen Hofmalers Christian Wink (1738–1797), München 2012, S. 18; und Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von H. Vollmer, Bd. XXXVI, Leipzig 1999, S. 85).

Winter ging bei Kaspar Sing in die Lehre und war in Augsburg tätig, bevor er als Hofmaler an den kurfürstlichen Hof in München berufen wurde. Er malte Altarbilder, unter anderem für die bedeutenden Klosterkirchen von Andechs und Ettal (siehe F. J. Lipowsky, Baierisches Künstlerlexikon, München 1810, Bd. II, S. 171), war aber während seiner gesamten Laufbahn hauptsächlich als Porträtist tätig. Wichtige frühe Aufträge waren offenbar mehrere Porträts von Kurfürst Max Emanuel und seiner Frau, Therese Kunigunde Karoline von Polen. Zwei großformatige Bildnisse des Kurfürstenpaares schmückten einst die Wände von Schloss Nymphenburg in München, gingen aber im Krieg verloren; auf diesem Gemäldepaar beruhende Fassungen werden in Schloss Nordkirchen aufbewahrt (Franz Joseph Winter, Max Emanuel von Bayern und Theresia Kunigunde von Bayern, 1725, Jupitersaal, Schloss Nordkirchen). Winters Porträts der Brüder und ihres Hofstaats in Jagdkleidung scheinen zur Spezialität des Künstlers geworden zu sein, denn er führte dieses Genre auch in der nächsten Generation fort. Ein ganzfiguriges Porträt, das die Grafen Preysing und Seinsheim an der Seite von Kurfürst Karl VII. Albrecht zeigt (Schloss Moos, damals im Besitz der Familie Preysing; siehe M. Miersch, Das Bild des Electeur Soleil. Herrscherikonographie des Rokoko am Beispiel des Kölner Kurfürsten und Deutschordenshochmeisters Clemens August (1700–1761), Marburg 2007, S. 18, Abb. 11), ist ein frühes Beispiel. Eine ganzfigurige Darstellung des Kurfürsten ohne die beiden Grafen befindet sich im Audienzzimmer des Gelben Appartements auf Schloss Augustusburg in Brühl (siehe Miersch 2007, S. 19, Abb. 8). Später porträtierte Franz Joseph Winter Mitglieder der Familie von Clemens August und deren Hofstaat, darunter einige Dargestellte in der blau-silbernen Uniform der Falkenjagd für den Salon im Erdgeschoss von Schloss Falkenlust in Brühl.

Winter war in München ein überaus bedeutender Porträtmaler, der nur von George Desmarées (1697–1776) übertroffen wurde, der im Gegensatz zu Winter Gegenstand neuerer wissenschaftlicher Forschungen ist, auch wenn sein Werkverzeichnis noch unveröffentlicht geblieben ist. Winter scheint weniger ein Erneuerer gewesen zu sein, er konzentrierte sich auf die Perfektionierung etablierter Porträttypen, von denen er Variationen anfertigte. Dies zeigt sich in seinem Oeuvre bereits bei den Porträts von Max Emanuel, die offenbar auf Vorlagen von Joseph Vivien (1657–1734) zurückgehen. Das vorliegende Paar gehört zweifellos zu den vollendetsten Werken Winters, die jemals auf den Markt gekommen sind. Beide Porträts sind zwar in gewissem Maß von Vorbildern Desmarées inspiriert (siehe zum Beispiel das Bildnis Maximilians III. Joseph, verkauft in diesen Räumen am 13. April 2011 als Lot 405), weisen jedoch ein hohes Maß an Raffinement auf. Vor allem die Stoffe und Stickereien, die gestärkten Spitzen, der weiche Samt, die schimmernden Rüstungen, die Diamanten und Steine, das Hermelinfell und die Seiden sind bemerkenswert gut gemalt und wunderschön erhalten. Ein offizielles Staatsporträt Winters von Maximilian III. Joseph ist bisher nicht auf dem Markt erschienen. Es ist jedoch ein Stich von Jeremias Gottlob Rugendas (1710–1772) nach einem offenbar verlorenen Porträt von der Hand Winters bekannt, von dem sich ein Abzug im Rijksmuseum in Amsterdam befindet (Inv.-Nr. RP-P-1911-5045). Diese Druckgrafik zeigt genau dieselbe charakteristische Physiognomie Maximilians III. Joseph, die auch auf dem vorliegenden Gemälde zu sehen ist. Die bestickte und mit Quasten besetzte Draperie, die den oberen Rand des Porträts von Maria Anna Sophie schmückt, scheint als prominentes Element des Stiches von dort übernommen.

Maximilian III. Joseph war bei seinen bayrischen Untertanen sehr beliebt. Er war ein fortschrittlicher, aufgeklärter Herrscher, der viel für die Entwicklung seines Landes tat. Er förderte die Landwirtschaft, die Industrie und den Abbau der Bodenschätze des Landes. Im Jahr 1747 wurde die Nymphenburger Porzellanmanufaktur gegründet, 1756 wurde der Codex Maximilianeus bavaricus civilis, ein wichtiges Zivilgesetzbuch, verfasst. Im Jahr 1759 gründete er die erste akademische Einrichtung Münchens, die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Maximilian verkaufte einen Teil der Kronjuwelen, um die Getreideimporte zur Linderung des Hungerleidens während der schweren Hungersnot von 1770 zu finanzieren. Er war der Letzte des jüngeren Zweigs der Dynastie der Wittelsbacher, die Bayern seit dem frühen 14. Jahrhundert regiert hatte. Maximilians Tod führte zu einem Erbfolgestreit und dem kurzen Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79). Sein Nachfolger wurde sein Cousin, Kurfürst Karl Theodor, aus dem pfälzischen Zweig der Dynastie. Maximilians Witwe Maria Anna Sophie von Sachsen verhandelte mit Max’ unwilligen Erben und intervenierte gemeinsam mit Friedrich II. von Preußen und dem mutmaßlichen Nachfolger des neuen Kurfürsten, Karl II. August, Herzog von Pfalz-Zweibrücken, um die Unabhängigkeit Bayerns zu sichern. Dies gilt als ihr größter politischer Erfolg.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 56.500,-
Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Franz Joseph Winter


(Augsburg 1690 – nach 1768 München)
Ganzfiguriges Porträt von Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern (1727–1777) im Brustharnisch mit der Collane des Ordens vom Goldenen Vlies und dem Band des Hausritterordens vom heiligen Georg , im Hintergrund der Kurhut; und
Ganzfiguriges Porträt der Maria Anna Sophie von Sachsen (1728–1797) mit dem Russischen Orden der heiligen Katharina,
Öl auf Leinwand, je 225 x 139 cm, gerahmt, Pendants (2)

Wir danken Helmut Börsch-Supan, der die Zuschreibung vorgeschlagen hat. Zudem danken wir Georg Lechner für die Bestätigung der Zuschreibung.

Franz Joseph Winters Karriere am Münchner Hof umspannte die Regierungszeit mehrerer Herrschergenerationen aus dem Hause Wittelsbach. Er wurde mit dem Malen der Porträts von Maximilian II. Emanuel (1662–1726), Karl VII. Albrecht (1697–1745) und Maximilian III. Joseph (1727–1777) betraut. Bedauerlicherweise sind biografische Angaben zu Winter erstaunlich spärlich. Während er oft als bis 1757 tätig beschrieben wird, nahm er tatsächlich am Reichstag des Hofes teil und wurde noch 1768 urkundlich erwähnt (siehe C. Hutter, Zwischen Rokoko und Klassizismus: Die Tafelbilder des kurfürstlichen Hofmalers Christian Wink (1738–1797), München 2012, S. 18; und Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von H. Vollmer, Bd. XXXVI, Leipzig 1999, S. 85).

Winter ging bei Kaspar Sing in die Lehre und war in Augsburg tätig, bevor er als Hofmaler an den kurfürstlichen Hof in München berufen wurde. Er malte Altarbilder, unter anderem für die bedeutenden Klosterkirchen von Andechs und Ettal (siehe F. J. Lipowsky, Baierisches Künstlerlexikon, München 1810, Bd. II, S. 171), war aber während seiner gesamten Laufbahn hauptsächlich als Porträtist tätig. Wichtige frühe Aufträge waren offenbar mehrere Porträts von Kurfürst Max Emanuel und seiner Frau, Therese Kunigunde Karoline von Polen. Zwei großformatige Bildnisse des Kurfürstenpaares schmückten einst die Wände von Schloss Nymphenburg in München, gingen aber im Krieg verloren; auf diesem Gemäldepaar beruhende Fassungen werden in Schloss Nordkirchen aufbewahrt (Franz Joseph Winter, Max Emanuel von Bayern und Theresia Kunigunde von Bayern, 1725, Jupitersaal, Schloss Nordkirchen). Winters Porträts der Brüder und ihres Hofstaats in Jagdkleidung scheinen zur Spezialität des Künstlers geworden zu sein, denn er führte dieses Genre auch in der nächsten Generation fort. Ein ganzfiguriges Porträt, das die Grafen Preysing und Seinsheim an der Seite von Kurfürst Karl VII. Albrecht zeigt (Schloss Moos, damals im Besitz der Familie Preysing; siehe M. Miersch, Das Bild des Electeur Soleil. Herrscherikonographie des Rokoko am Beispiel des Kölner Kurfürsten und Deutschordenshochmeisters Clemens August (1700–1761), Marburg 2007, S. 18, Abb. 11), ist ein frühes Beispiel. Eine ganzfigurige Darstellung des Kurfürsten ohne die beiden Grafen befindet sich im Audienzzimmer des Gelben Appartements auf Schloss Augustusburg in Brühl (siehe Miersch 2007, S. 19, Abb. 8). Später porträtierte Franz Joseph Winter Mitglieder der Familie von Clemens August und deren Hofstaat, darunter einige Dargestellte in der blau-silbernen Uniform der Falkenjagd für den Salon im Erdgeschoss von Schloss Falkenlust in Brühl.

Winter war in München ein überaus bedeutender Porträtmaler, der nur von George Desmarées (1697–1776) übertroffen wurde, der im Gegensatz zu Winter Gegenstand neuerer wissenschaftlicher Forschungen ist, auch wenn sein Werkverzeichnis noch unveröffentlicht geblieben ist. Winter scheint weniger ein Erneuerer gewesen zu sein, er konzentrierte sich auf die Perfektionierung etablierter Porträttypen, von denen er Variationen anfertigte. Dies zeigt sich in seinem Oeuvre bereits bei den Porträts von Max Emanuel, die offenbar auf Vorlagen von Joseph Vivien (1657–1734) zurückgehen. Das vorliegende Paar gehört zweifellos zu den vollendetsten Werken Winters, die jemals auf den Markt gekommen sind. Beide Porträts sind zwar in gewissem Maß von Vorbildern Desmarées inspiriert (siehe zum Beispiel das Bildnis Maximilians III. Joseph, verkauft in diesen Räumen am 13. April 2011 als Lot 405), weisen jedoch ein hohes Maß an Raffinement auf. Vor allem die Stoffe und Stickereien, die gestärkten Spitzen, der weiche Samt, die schimmernden Rüstungen, die Diamanten und Steine, das Hermelinfell und die Seiden sind bemerkenswert gut gemalt und wunderschön erhalten. Ein offizielles Staatsporträt Winters von Maximilian III. Joseph ist bisher nicht auf dem Markt erschienen. Es ist jedoch ein Stich von Jeremias Gottlob Rugendas (1710–1772) nach einem offenbar verlorenen Porträt von der Hand Winters bekannt, von dem sich ein Abzug im Rijksmuseum in Amsterdam befindet (Inv.-Nr. RP-P-1911-5045). Diese Druckgrafik zeigt genau dieselbe charakteristische Physiognomie Maximilians III. Joseph, die auch auf dem vorliegenden Gemälde zu sehen ist. Die bestickte und mit Quasten besetzte Draperie, die den oberen Rand des Porträts von Maria Anna Sophie schmückt, scheint als prominentes Element des Stiches von dort übernommen.

Maximilian III. Joseph war bei seinen bayrischen Untertanen sehr beliebt. Er war ein fortschrittlicher, aufgeklärter Herrscher, der viel für die Entwicklung seines Landes tat. Er förderte die Landwirtschaft, die Industrie und den Abbau der Bodenschätze des Landes. Im Jahr 1747 wurde die Nymphenburger Porzellanmanufaktur gegründet, 1756 wurde der Codex Maximilianeus bavaricus civilis, ein wichtiges Zivilgesetzbuch, verfasst. Im Jahr 1759 gründete er die erste akademische Einrichtung Münchens, die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Maximilian verkaufte einen Teil der Kronjuwelen, um die Getreideimporte zur Linderung des Hungerleidens während der schweren Hungersnot von 1770 zu finanzieren. Er war der Letzte des jüngeren Zweigs der Dynastie der Wittelsbacher, die Bayern seit dem frühen 14. Jahrhundert regiert hatte. Maximilians Tod führte zu einem Erbfolgestreit und dem kurzen Bayerischen Erbfolgekrieg (1778/79). Sein Nachfolger wurde sein Cousin, Kurfürst Karl Theodor, aus dem pfälzischen Zweig der Dynastie. Maximilians Witwe Maria Anna Sophie von Sachsen verhandelte mit Max’ unwilligen Erben und intervenierte gemeinsam mit Friedrich II. von Preußen und dem mutmaßlichen Nachfolger des neuen Kurfürsten, Karl II. August, Herzog von Pfalz-Zweibrücken, um die Unabhängigkeit Bayerns zu sichern. Dies gilt als ihr größter politischer Erfolg.

Experte: Dr. Alexander Strasoldo Dr. Alexander Strasoldo
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.