Lot Nr. 203


Gerhard Richter *


(Dresden 1932 geb.)
Porträt Günther Uecker, 1968, auf der Rückseite signiert und datiert Richter 68, Graphit und Öl auf grundierter Leinwand, 50 x 38 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung Düsseldorf
Auktion Ketterer, München, 5. Dezember 2006, Los 324A
Privatsammlung Griechenland
Sies + Höke, Düsseldorf (Etikett)
Privatsammlung, Deutschland

Ausgestellt:
Sies + Höke, Düsseldorf, Gerhard Richter. Drawings/Zeichnungen 1963 - 2020, 28. Januar - 26. Februar 2022

Literatur:
Dieter Schwarz, Gerhard Richter, Drawings 1964-1999, Catalogue Raisonné, Düsseldorf 2000, Nr. 68/13, S. 197
Stefan Gronert, Hubertus Butin, Gerhard Richter, Portraits, Ostfildern-Ruit 2006, S. 95
Sies + Höke (Hrsg.), Gerhard Richter. Drawings/Zeichnungen 1963–2020, Düsseldorf 2022, S. 10 und 142, S. 49 mit Farbabb.

Vom 5. Bis 15. April 1968 stellt Gerhard Richter gemeinsam mit seinem Ateliernachbarn Günther Uecker in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden aus. Das Projekt heißt „14 x 14“, ihre Aktion „Leben im Museum“. Richter und er verlegen ihre Ateliers in die offenen Räumlichkeiten der Kunsthalle und inszenieren im bürgerlichen Ambiente nobler Villen einer Reihe spielerischer bis anarchischer Aktionen.

Günther Uecker behält den ganzen Tag seinen gestreiften Schlafanzug an, erstürmt symbolisch das Ausstellungsinstitut mit einem überdimensionalen Nagel aus Metall als Rammbock, oder schleift diesen tagelang durch die Straßen, während sich Richter an eine Häuserfront kauert und den vorbeieilenden Passanten billige Reproduktionen seiner neuen Bilder anbietet. In einer anderen Aktion setzen die beiden vor den neuen Alpenbildern Richters zum gemeinsamen „Alpenflug“ an. Gerhard Richter und Günther Uecker hatten ein freundschaftliches Verhältnis. „Wir hatten unsere Ateliers Tür an Tür, und da er [Günther Uecker] viel Besuch bekam, musste ich mich schon manchmal einschließen, damit die Leute nicht auch mal so eben bei mir reinschauten.“
1968 ist eben das Jahr in dem das Werk Portrait Günther Uecker entsteht, gemalt mit Graphit und Öl auf grundierter Leinwand. Obwohl Porträts einen wichtigen Bestandteil von Richters malerischem Werk darstellen, sind sie in seinen Zeichnungen außerordentlich selten vertreten, womit dieses Werk eine beachtenswerte Ausnahme darstellt. Die zugrundeliegende geometrische Quadrierung kann ein Hinweis darauf sein, dass Richter hier nach einer Fotovorlage arbeitete. Im Gegensatz zur Malerei, die etwas Handwerkliches, Geregeltes hatte, im Gegensatz zum offiziellen Status eines Bildes, in dem die Stadien des Arbeitsprozesses ihren Abschluss fanden, steht die Zeichnung bei Richter für etwas, was sich nicht in einen kontrollierten Ablauf einbinden lässt. In der improvisierten Art der Formulierung stellt diese Gattung den Gegenpol zur Malerei dar. Verschiedentlich hob Richter hervor, dass er Zeichnungen nicht planen könne, dass sie einfach geschähen und dass sie nur zu bestimmten Momenten möglich seien. Dass Richter das Werk rückseitig signiert hat, beweist, dass es den abschließenden Status der Vollendung eines Gemäldes besitzt.

Den Kopf in seitlicher Ansicht links vom Betrachter abkehrend im verlorenen Profil dargestellt, weist die Figur auf das 20 Jahre später entstandene Bild Bettys voraus, Richters Tochter und eines seiner bekanntesten Werke. Wie bei Betty ist auch in unserem Porträt eine Individualisierung kaum gegeben, personalisierende Gesichtsmerkmale sind nicht zu sehen, der Hintergrund ist undifferenziert. Auf gleiche Weise stellt sich die Frage, ob diese, als Rückenfigur angelegt, die Funktion romantischer Bildsymbolik erfüllen, die als Projektion oder gar als Stellvertreter des Betrachters im Bild den Blick in die Ferne lenken. Doch weicht allein die Quadrierung von diesem romantischen Modell ab, wie auch die mit grauer Ölfarbe pastos aufgetragene Fläche am linken Hinterkopf, die die Zeichnung auf eine neue Ebene differenzierter Oberflächenstruktur hebt. Eher führt Richter hier die vermeintlichen Gegensätze von Abstraktion und Realismus vor Augen.

„Als eines der frühesten Künstlerporträts ist das Gemälde Uecker aus dem Jahr 1964 zu nennen, den Richter vier Jahre später auch in einer Zeichnung portraitiert hat, in der Günther Uecker allerdings motivisch in einer merkwürdig abgewandten und insofern auf die Ansicht Bettys vorausweisenden Figur auf einem quadrierten Blatt erscheint.“


Stefan Gronert

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
+49 211 2107747

petra.schaepers@dorotheum.de

23.05.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 260.000,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Gerhard Richter *


(Dresden 1932 geb.)
Porträt Günther Uecker, 1968, auf der Rückseite signiert und datiert Richter 68, Graphit und Öl auf grundierter Leinwand, 50 x 38 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung Düsseldorf
Auktion Ketterer, München, 5. Dezember 2006, Los 324A
Privatsammlung Griechenland
Sies + Höke, Düsseldorf (Etikett)
Privatsammlung, Deutschland

Ausgestellt:
Sies + Höke, Düsseldorf, Gerhard Richter. Drawings/Zeichnungen 1963 - 2020, 28. Januar - 26. Februar 2022

Literatur:
Dieter Schwarz, Gerhard Richter, Drawings 1964-1999, Catalogue Raisonné, Düsseldorf 2000, Nr. 68/13, S. 197
Stefan Gronert, Hubertus Butin, Gerhard Richter, Portraits, Ostfildern-Ruit 2006, S. 95
Sies + Höke (Hrsg.), Gerhard Richter. Drawings/Zeichnungen 1963–2020, Düsseldorf 2022, S. 10 und 142, S. 49 mit Farbabb.

Vom 5. Bis 15. April 1968 stellt Gerhard Richter gemeinsam mit seinem Ateliernachbarn Günther Uecker in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden aus. Das Projekt heißt „14 x 14“, ihre Aktion „Leben im Museum“. Richter und er verlegen ihre Ateliers in die offenen Räumlichkeiten der Kunsthalle und inszenieren im bürgerlichen Ambiente nobler Villen einer Reihe spielerischer bis anarchischer Aktionen.

Günther Uecker behält den ganzen Tag seinen gestreiften Schlafanzug an, erstürmt symbolisch das Ausstellungsinstitut mit einem überdimensionalen Nagel aus Metall als Rammbock, oder schleift diesen tagelang durch die Straßen, während sich Richter an eine Häuserfront kauert und den vorbeieilenden Passanten billige Reproduktionen seiner neuen Bilder anbietet. In einer anderen Aktion setzen die beiden vor den neuen Alpenbildern Richters zum gemeinsamen „Alpenflug“ an. Gerhard Richter und Günther Uecker hatten ein freundschaftliches Verhältnis. „Wir hatten unsere Ateliers Tür an Tür, und da er [Günther Uecker] viel Besuch bekam, musste ich mich schon manchmal einschließen, damit die Leute nicht auch mal so eben bei mir reinschauten.“
1968 ist eben das Jahr in dem das Werk Portrait Günther Uecker entsteht, gemalt mit Graphit und Öl auf grundierter Leinwand. Obwohl Porträts einen wichtigen Bestandteil von Richters malerischem Werk darstellen, sind sie in seinen Zeichnungen außerordentlich selten vertreten, womit dieses Werk eine beachtenswerte Ausnahme darstellt. Die zugrundeliegende geometrische Quadrierung kann ein Hinweis darauf sein, dass Richter hier nach einer Fotovorlage arbeitete. Im Gegensatz zur Malerei, die etwas Handwerkliches, Geregeltes hatte, im Gegensatz zum offiziellen Status eines Bildes, in dem die Stadien des Arbeitsprozesses ihren Abschluss fanden, steht die Zeichnung bei Richter für etwas, was sich nicht in einen kontrollierten Ablauf einbinden lässt. In der improvisierten Art der Formulierung stellt diese Gattung den Gegenpol zur Malerei dar. Verschiedentlich hob Richter hervor, dass er Zeichnungen nicht planen könne, dass sie einfach geschähen und dass sie nur zu bestimmten Momenten möglich seien. Dass Richter das Werk rückseitig signiert hat, beweist, dass es den abschließenden Status der Vollendung eines Gemäldes besitzt.

Den Kopf in seitlicher Ansicht links vom Betrachter abkehrend im verlorenen Profil dargestellt, weist die Figur auf das 20 Jahre später entstandene Bild Bettys voraus, Richters Tochter und eines seiner bekanntesten Werke. Wie bei Betty ist auch in unserem Porträt eine Individualisierung kaum gegeben, personalisierende Gesichtsmerkmale sind nicht zu sehen, der Hintergrund ist undifferenziert. Auf gleiche Weise stellt sich die Frage, ob diese, als Rückenfigur angelegt, die Funktion romantischer Bildsymbolik erfüllen, die als Projektion oder gar als Stellvertreter des Betrachters im Bild den Blick in die Ferne lenken. Doch weicht allein die Quadrierung von diesem romantischen Modell ab, wie auch die mit grauer Ölfarbe pastos aufgetragene Fläche am linken Hinterkopf, die die Zeichnung auf eine neue Ebene differenzierter Oberflächenstruktur hebt. Eher führt Richter hier die vermeintlichen Gegensätze von Abstraktion und Realismus vor Augen.

„Als eines der frühesten Künstlerporträts ist das Gemälde Uecker aus dem Jahr 1964 zu nennen, den Richter vier Jahre später auch in einer Zeichnung portraitiert hat, in der Günther Uecker allerdings motivisch in einer merkwürdig abgewandten und insofern auf die Ansicht Bettys vorausweisenden Figur auf einem quadrierten Blatt erscheint.“


Stefan Gronert

Expertin: Dr. Petra Maria Schäpers Dr. Petra Maria Schäpers
+49 211 2107747

petra.schaepers@dorotheum.de


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 23.05.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.05. - 23.05.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.