Lot Nr. 206


Lucio Fontana *


Lucio Fontana * - Zeitgenössische Kunst I

(Rosario di Santa Fe, Argentinien 1899–1968 Comabbio)
Concetto spaziale, 1966, signiert; auf der Rückseite signiert und betitelt, Öl und Bleistift auf Leinwand, Gold, 81 x 65 cm, gerahmt

Das Werk ist bei der Fondazione Lucio Fontana, Mailand registriert

Provenienz:
Galleria Ferrari, Verona
Sammlung Vittorio Zennaro, Genua
Galleria La Bertesca, Genua
Sammlung Nicola Giuliani, Mailand
Auktion Sotheby’s Mailand, 26. Mai 2005, Los 303
Tornabuoni Arte, Florenz
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Venedig, Artempo. Where Times Becomes Art, Palazzo Fortuny, Juni-Oktober 2007, Ausst.-Kat. S. 74, Nr. 33 mit Abb.
Paris, Lucio Fontana, Tornabuoni Art, Oktober-November 2009
London, Tornabuoni Art, Oktober-Dezember 2015, S. 143, mit Abb.

Literatur:
E. Crispolti (Hrsg.), L. Fontana, Catalogue raisonné des peintures, sculptures et environnements spatiaux. La Conaissance, Bruxelles, 1974, Bd. II, S. 146-147, mit Abb.
E. Crispolti (Hrsg.), Fontana, Catalogo generale, Electa, Mailand 1986, Bd. II, S. 504, Nr. 66 B 12 mit Abb.
E. Crispolti (Hrsg.), Lucio Fontana, Catalogo ragionato di sculture, dipinti, ambientazioni, Skira, Mailand 2006, Bd. II, S. 692-693, Nr. 66 B 12 mit Abb.

Notiz:
Auf der Vorderseite ist das Werk zweimal mit Bleistift signiert, einmal unten und einmal oben. Auf der Rückseite befindet sich der Richtungspfeil in entgegengesetzter Richtung zu der im Werkverzeichnis wiedergegebenen Abbildung.

„Das phänomenale Gold, die Farbe des Materials, ein Tropfen reflektierenden Lichts, stellt eine Verbindung zu einer höheren geistigen Ebene her. Jedes Werk, das eine goldene Farbe hat, strahlt eine magische und transzendente Aura aus (...)“
R. Siligato, Simbolismo e Scienza nella luce di Fontana, Mailand, 1998

Lucio Fontana arbeitete in einer Zeit enormer Herausforderungen und ideologischer Widersprüche, aber auch entscheidender technischer Entdeckungen und Innovationen. Der Zweite Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen, und der Kalte Krieg mit seiner nuklearen Bedrohung zeichnete sich ab. Vor dem Hintergrund einer Welt, die in Schutt und Asche lag und wieder aufgebaut werden musste, und dem Glauben an Fortschritt und Technologie entwickelte Fontana den Spatialismus als künstlerisches Konzept.
Sein Ansatz konzentrierte sich von Anfang an darauf, den Raum neu zu konzipieren. Seine Werke zielten darauf ab, die künstlerische Sprache zu erneuern und zu beleben, indem sie an die Errungenschaften der Wissenschaft und den allgemeinen Fortschritt der Menschheit angepasst wurden. Die Kunst sollte nicht mehr durch die Begrenzungen der Leinwand und der Materie eingeschränkt sein, sie sollte Grenzen überschreiten und sich dem Unbekannten öffnen.
Im Jahre 1949 schuf Fontana seine ersten Raumkonzepte, die Concetti Spaziali. Die Werke zeichnen sich durch das Vorhandensein von kleinen Löchern, Hohlräumen, manchmal auch Schlitzen und größeren Rissen aus, die er mit seinem berühmten punzón in das Material einbringt. Das Aufschlitzen und Durchstechen durchbricht radikal die Ebene der traditionellen Malerei in einer scheinbar ikonoklastischen Geste, während es in Wirklichkeit das Ergebnis eines langen, bewussten Prozesses ist, der das Element des Zufalls effektiv ausschließt. Der Akt, den man als spirituell und reflektierend bezeichnen könnte, hat daher keine Ähnlichkeit mit dem Modus Operandi zeitgenössischer Bewegungen wie dem Abstrakten Expressionismus oder bestimmten Strömungen des Informel; er hat nichts von deren Vehemenz. Und doch gelingt es ihm, die Kunstform von einer jahrhundertealten Tradition zu befreien, die die Leinwand in einem strengen Regime zweidimensionaler Flächigkeit hielt. Fontanas Durchbrechung der Oberfläche führt zu einer dynamischen Interaktion zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter, aber vor allem zwischen dem Kunstwerk und seiner Umgebung.
Es handelt sich hier um Werke, die in der Reifezeit des italienisch-argentinischen Malers entstanden sind, vor allem aber in den Jahren des „Weltraumwettlaufs“ zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Das hier gezeigte Concetto Spaziale entstand fünf Jahre nach den ersten Weltraumabenteuern des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin und nur drei Jahre vor der Mondlandung, also zu einem wirklich einzigartigen Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit. Das Werk zeigt die Begeisterung des Künstlers für diesen neuen Weg nach vorn – für den Durchbruch in die Unendlichkeit des Weltraums.
Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt in der von Fontana gewählten Farbgebung: Dukatengold. In vielen Kulturen wird diese Farbe seit langem mit Heiligkeit, Unbestechlichkeit und Unsterblichkeit assoziiert; sie ist ein Synonym für göttliches Licht und Transzendenz. Einerseits präsentiert sich die Leinwand dem Betrachter als weltliches Altarbild, andererseits scheinen die rhythmisch angeordneten Löcher einem fast mathematischen Muster zu folgen, das sich harmonisch zur Mitte hin ausdehnt und weitet. Es ist, als ob Fontanas Concetto Spaziale uns in eine neue, jenseitige Dimension – und darüber hinaus in die unerforschte Zukunft – einladen würde.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it

24.05.2023 - 18:00

Schätzwert:
EUR 600.000,- bis EUR 900.000,-

Lucio Fontana *


(Rosario di Santa Fe, Argentinien 1899–1968 Comabbio)
Concetto spaziale, 1966, signiert; auf der Rückseite signiert und betitelt, Öl und Bleistift auf Leinwand, Gold, 81 x 65 cm, gerahmt

Das Werk ist bei der Fondazione Lucio Fontana, Mailand registriert

Provenienz:
Galleria Ferrari, Verona
Sammlung Vittorio Zennaro, Genua
Galleria La Bertesca, Genua
Sammlung Nicola Giuliani, Mailand
Auktion Sotheby’s Mailand, 26. Mai 2005, Los 303
Tornabuoni Arte, Florenz
Europäische Privatsammlung

Ausgestellt:
Venedig, Artempo. Where Times Becomes Art, Palazzo Fortuny, Juni-Oktober 2007, Ausst.-Kat. S. 74, Nr. 33 mit Abb.
Paris, Lucio Fontana, Tornabuoni Art, Oktober-November 2009
London, Tornabuoni Art, Oktober-Dezember 2015, S. 143, mit Abb.

Literatur:
E. Crispolti (Hrsg.), L. Fontana, Catalogue raisonné des peintures, sculptures et environnements spatiaux. La Conaissance, Bruxelles, 1974, Bd. II, S. 146-147, mit Abb.
E. Crispolti (Hrsg.), Fontana, Catalogo generale, Electa, Mailand 1986, Bd. II, S. 504, Nr. 66 B 12 mit Abb.
E. Crispolti (Hrsg.), Lucio Fontana, Catalogo ragionato di sculture, dipinti, ambientazioni, Skira, Mailand 2006, Bd. II, S. 692-693, Nr. 66 B 12 mit Abb.

Notiz:
Auf der Vorderseite ist das Werk zweimal mit Bleistift signiert, einmal unten und einmal oben. Auf der Rückseite befindet sich der Richtungspfeil in entgegengesetzter Richtung zu der im Werkverzeichnis wiedergegebenen Abbildung.

„Das phänomenale Gold, die Farbe des Materials, ein Tropfen reflektierenden Lichts, stellt eine Verbindung zu einer höheren geistigen Ebene her. Jedes Werk, das eine goldene Farbe hat, strahlt eine magische und transzendente Aura aus (...)“
R. Siligato, Simbolismo e Scienza nella luce di Fontana, Mailand, 1998

Lucio Fontana arbeitete in einer Zeit enormer Herausforderungen und ideologischer Widersprüche, aber auch entscheidender technischer Entdeckungen und Innovationen. Der Zweite Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen, und der Kalte Krieg mit seiner nuklearen Bedrohung zeichnete sich ab. Vor dem Hintergrund einer Welt, die in Schutt und Asche lag und wieder aufgebaut werden musste, und dem Glauben an Fortschritt und Technologie entwickelte Fontana den Spatialismus als künstlerisches Konzept.
Sein Ansatz konzentrierte sich von Anfang an darauf, den Raum neu zu konzipieren. Seine Werke zielten darauf ab, die künstlerische Sprache zu erneuern und zu beleben, indem sie an die Errungenschaften der Wissenschaft und den allgemeinen Fortschritt der Menschheit angepasst wurden. Die Kunst sollte nicht mehr durch die Begrenzungen der Leinwand und der Materie eingeschränkt sein, sie sollte Grenzen überschreiten und sich dem Unbekannten öffnen.
Im Jahre 1949 schuf Fontana seine ersten Raumkonzepte, die Concetti Spaziali. Die Werke zeichnen sich durch das Vorhandensein von kleinen Löchern, Hohlräumen, manchmal auch Schlitzen und größeren Rissen aus, die er mit seinem berühmten punzón in das Material einbringt. Das Aufschlitzen und Durchstechen durchbricht radikal die Ebene der traditionellen Malerei in einer scheinbar ikonoklastischen Geste, während es in Wirklichkeit das Ergebnis eines langen, bewussten Prozesses ist, der das Element des Zufalls effektiv ausschließt. Der Akt, den man als spirituell und reflektierend bezeichnen könnte, hat daher keine Ähnlichkeit mit dem Modus Operandi zeitgenössischer Bewegungen wie dem Abstrakten Expressionismus oder bestimmten Strömungen des Informel; er hat nichts von deren Vehemenz. Und doch gelingt es ihm, die Kunstform von einer jahrhundertealten Tradition zu befreien, die die Leinwand in einem strengen Regime zweidimensionaler Flächigkeit hielt. Fontanas Durchbrechung der Oberfläche führt zu einer dynamischen Interaktion zwischen dem Kunstwerk und dem Betrachter, aber vor allem zwischen dem Kunstwerk und seiner Umgebung.
Es handelt sich hier um Werke, die in der Reifezeit des italienisch-argentinischen Malers entstanden sind, vor allem aber in den Jahren des „Weltraumwettlaufs“ zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Das hier gezeigte Concetto Spaziale entstand fünf Jahre nach den ersten Weltraumabenteuern des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin und nur drei Jahre vor der Mondlandung, also zu einem wirklich einzigartigen Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit. Das Werk zeigt die Begeisterung des Künstlers für diesen neuen Weg nach vorn – für den Durchbruch in die Unendlichkeit des Weltraums.
Ein weiterer wichtiger Aspekt liegt in der von Fontana gewählten Farbgebung: Dukatengold. In vielen Kulturen wird diese Farbe seit langem mit Heiligkeit, Unbestechlichkeit und Unsterblichkeit assoziiert; sie ist ein Synonym für göttliches Licht und Transzendenz. Einerseits präsentiert sich die Leinwand dem Betrachter als weltliches Altarbild, andererseits scheinen die rhythmisch angeordneten Löcher einem fast mathematischen Muster zu folgen, das sich harmonisch zur Mitte hin ausdehnt und weitet. Es ist, als ob Fontanas Concetto Spaziale uns in eine neue, jenseitige Dimension – und darüber hinaus in die unerforschte Zukunft – einladen würde.

Experte: Alessandro Rizzi Alessandro Rizzi
+39-02-303 52 41

alessandro.rizzi@dorotheum.it


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Zeitgenössische Kunst I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.05.2023 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.05. - 24.05.2023