Lot Nr. 25


Auguste Rodin


(Paris 1840–1917 Meudon)
Minotaure, agrandissement, version d’après le marbre, Bronze mit brauner und grüner Patina, signiert und nummeriert A. Rodin 2/8, mit dem Gießerstempel Georges Rudier /Fondeur Paris, 56,4 x 60 x 65 cm. Um 1883-1885 gefasst, entstand diese Version durch Überformung des Marmors von 1903, diese Bronzeversion wurde ca. 1985-1986 gegossen.

Dieses Werk wird in den in Vorbereitung befindlichen „Catalogue Critique de l'Oeuvre Sculpté d'Auguste Rodin“, herausgegeben vom Comité Rodin bei Galerie Brame & Lorenceau unter der Leitung von Jérôme Le Blay, mit der Archivnummer 1997–13 2B aufgenommen.

Provenienz:
Claude Cueto (1930–2019), Paris
Christie’s New York, 9. November 2006, Los 325
Privatsammlung, Kroatien

Ausgestellt:
Andros, Basile und Elisa Goulandris Stiftung Auguste Rodin-Camille Claudel, Juli – September 1996, S. 157, Nr. 19, Abb. Tf. 20

Literatur:
G. Grappe, Catalogue du Musée Rodin, Paris, 1927, S. 79, Nr. 207 (Marmorversion abgebildet, Nr. 206)
I. Jianou und C. Goldscheider, Rodin, Paris, 1967, S. 100
J. L. Tancock, The Sculpture of Auguste Rodin, Philadelphia, 1976, S. 270 – 273 (Terrakottaversion abgebildet S. 271, Marmorversion abgebildet S. 273).
J. de Caso und P. B. Sanders, Rodin’s Sculpture: A Critical Study of the Spreckels Collection, California Legion Honor, San Francisco, 1977, S. 105 – 108
C. Lampert, Rodin, Sculpture and Drawings, London, 1986, S. 88, 215 – 216 (abgebildet, Taf. 156).
A. E. Elsen, Rodin’s Art: The Rodin Collection of Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts at Stanford University, New York, 2003, S. 510 – 512 (ein anderer Abguss abgebildet, S. 510 – 511).

Auguste Rodin, einer der berühmtesten Bildhauer, entwickelte einen radikal neuen Ansatz in seiner Kunst. Er schuf strukturierte und naturalistische Formen, die sich von den idealisierten und mythologischen Skulpturen der Vergangenheit abheben.

In dem vorliegenden Werk hat Rodin nicht nur den Mythos des Minotaurus in seiner Skulptur veranschaulicht, sondern auch die Möglichkeit zur Spekulation darüber geboten, was vor und nach der dargestellten Situation geschehen sein könnte. Die Figur zeigt keine gewaltsame Verführung und die Nymphe hat keinen erschrockenen Blick oder einen ängstlichen Ausdruck. Der Minotaurus sitzt auf einem Felsen und starrt mit offenem Mund auf die Haare der Nymphe. Seine linke Hand hält ihren Ellbogen, während er mit seiner rechten Hand ihren ausgestreckten rechten Oberschenkel umfasst, wo er auf die linke Hand der Nymphe trifft. Obwohl die Nymphe ihre Schulter anhebt und sich mit dem ganzen Körper gegen ihre linke Seite lehnt, scheint sie keine Lust zu haben, ihren gehörnten Verführer zurückzuweisen. Ihr rechtes Bein ist über das seine geschlungen, aber mit dem Fuß, der auf den Boden drückt, scheint sie sich seiner Umarmung zu entziehen. Doch ihre rechte Hand liegt einfach auf ihrem eigenen Oberschenkel und ihr Gesichtsausdruck zeigt eher ein Stirnrunzeln als Angst. Minotaurus ist ein hocherotisches und sexuell aufgeladenes Werk. (Elsen 2003: 510)

Bei der Gestaltung des Minotaurus, der zwischen 1883 und 1885 entstand, ließ sich Rodin von mehreren Quellen inspirieren, wie insbesondere von Ovids „Metamorphosen“, die er sehr schätzte. Als wichtige Referenzen gelten hier Buch II, in dem Zeus sich in einen weißen Stier mit goldenen Hörnern verwandelt, um Europa zu entführen, sowie Buch VIII, in dem der König von Kreta, Minos, seinem stierköpfigen Sohn, der in einem Labyrinth gefangen ist, sieben junge Männer und sieben junge Frauen übergibt. Mehrere Historiker bringen den Minotaurus auch mit Stéphane Mallarmés Gedicht „L'aprés-midi d'un faune“ (1875) in Verbindung, da Rodin Mallarmé 1893 einen Gipsabdruck des Minotaurus schenkte.

Im Mai 1903 schuf Rodin eine Marmorskulptur des Minotaurus, die ursprünglich eine Höhe von 33 Zentimetern haben sollte, für den deutschen Kunstsammler Karl-Ernst Osthaus. Wie üblich bewahrte Rodin mehrere Gipsabgüsse der Marmorskulptur auf, von denen sich zwei heute im Rodin-Museum befinden und von denen einer dem Journalisten und Kunstkritiker Maurice Guillemot (1859–1931) geschenkt wurde. Unter den zahlreichen Briefen, die seit 1884 zwischen Guillemot und Rodin ausgetauscht wurden und die in den Archiven des Rodin-Museums aufbewahrt werden, wird in einem Brief vom August 1905 ein Minotaurus erwähnt, dessen Material nicht näher bezeichnet wird. Von diesem Gipsabguss, der sich in der ehemaligen Sammlung von Maurice Guillemot befand, wurde nach 1985 in der Gießerei Georges Rudier eine Bronzeausgabe mit der Nummer 2/8 angefertigt. (Comité Rodin)

Der Minotaurus gehört zu den häufig ausgestellten Skulpturen Rodins: Die erste dokumentierte Ausstellung fand 1896 in München statt, danach wurde er in Wien (1898), Den Haag (1899), Paris (1900, 1910, 1917), Potsdam (1903), Düsseldorf (1904) und Barcelona (1907) gezeigt. Die Skulptur wurde unter verschiedenen Titeln wie „Faun und Frau“, „Satyr und Nymphe“ oder „Jupiter Taurus“ ausgestellt. (Elsen 2003: 510; Tancock 1976: 270)

Rodin selbst bevorzugte den Titel „Der Minotaurus“, der sich auf die Mythologie bezieht. Nach der Hochzeit von Minos und Pasiphaë und ihrer Vereinigung mit einem Stier wird der Minotaurus geboren. Jedes Jahr müssen ihm die Athener sieben Mädchen und sieben junge Männer opfern, bis er schließlich von Theseus besiegt wird. Die Komposition von Rodin mit dem Titel „Der Minotaurus“ zeigt den Minotaurus mit einem seiner Opfer. (Tancock 1976: 270)

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
+43-1-515 60-386

patricia.palffy@dorotheum.at

22.05.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Auguste Rodin


(Paris 1840–1917 Meudon)
Minotaure, agrandissement, version d’après le marbre, Bronze mit brauner und grüner Patina, signiert und nummeriert A. Rodin 2/8, mit dem Gießerstempel Georges Rudier /Fondeur Paris, 56,4 x 60 x 65 cm. Um 1883-1885 gefasst, entstand diese Version durch Überformung des Marmors von 1903, diese Bronzeversion wurde ca. 1985-1986 gegossen.

Dieses Werk wird in den in Vorbereitung befindlichen „Catalogue Critique de l'Oeuvre Sculpté d'Auguste Rodin“, herausgegeben vom Comité Rodin bei Galerie Brame & Lorenceau unter der Leitung von Jérôme Le Blay, mit der Archivnummer 1997–13 2B aufgenommen.

Provenienz:
Claude Cueto (1930–2019), Paris
Christie’s New York, 9. November 2006, Los 325
Privatsammlung, Kroatien

Ausgestellt:
Andros, Basile und Elisa Goulandris Stiftung Auguste Rodin-Camille Claudel, Juli – September 1996, S. 157, Nr. 19, Abb. Tf. 20

Literatur:
G. Grappe, Catalogue du Musée Rodin, Paris, 1927, S. 79, Nr. 207 (Marmorversion abgebildet, Nr. 206)
I. Jianou und C. Goldscheider, Rodin, Paris, 1967, S. 100
J. L. Tancock, The Sculpture of Auguste Rodin, Philadelphia, 1976, S. 270 – 273 (Terrakottaversion abgebildet S. 271, Marmorversion abgebildet S. 273).
J. de Caso und P. B. Sanders, Rodin’s Sculpture: A Critical Study of the Spreckels Collection, California Legion Honor, San Francisco, 1977, S. 105 – 108
C. Lampert, Rodin, Sculpture and Drawings, London, 1986, S. 88, 215 – 216 (abgebildet, Taf. 156).
A. E. Elsen, Rodin’s Art: The Rodin Collection of Iris & B. Gerald Cantor Center for Visual Arts at Stanford University, New York, 2003, S. 510 – 512 (ein anderer Abguss abgebildet, S. 510 – 511).

Auguste Rodin, einer der berühmtesten Bildhauer, entwickelte einen radikal neuen Ansatz in seiner Kunst. Er schuf strukturierte und naturalistische Formen, die sich von den idealisierten und mythologischen Skulpturen der Vergangenheit abheben.

In dem vorliegenden Werk hat Rodin nicht nur den Mythos des Minotaurus in seiner Skulptur veranschaulicht, sondern auch die Möglichkeit zur Spekulation darüber geboten, was vor und nach der dargestellten Situation geschehen sein könnte. Die Figur zeigt keine gewaltsame Verführung und die Nymphe hat keinen erschrockenen Blick oder einen ängstlichen Ausdruck. Der Minotaurus sitzt auf einem Felsen und starrt mit offenem Mund auf die Haare der Nymphe. Seine linke Hand hält ihren Ellbogen, während er mit seiner rechten Hand ihren ausgestreckten rechten Oberschenkel umfasst, wo er auf die linke Hand der Nymphe trifft. Obwohl die Nymphe ihre Schulter anhebt und sich mit dem ganzen Körper gegen ihre linke Seite lehnt, scheint sie keine Lust zu haben, ihren gehörnten Verführer zurückzuweisen. Ihr rechtes Bein ist über das seine geschlungen, aber mit dem Fuß, der auf den Boden drückt, scheint sie sich seiner Umarmung zu entziehen. Doch ihre rechte Hand liegt einfach auf ihrem eigenen Oberschenkel und ihr Gesichtsausdruck zeigt eher ein Stirnrunzeln als Angst. Minotaurus ist ein hocherotisches und sexuell aufgeladenes Werk. (Elsen 2003: 510)

Bei der Gestaltung des Minotaurus, der zwischen 1883 und 1885 entstand, ließ sich Rodin von mehreren Quellen inspirieren, wie insbesondere von Ovids „Metamorphosen“, die er sehr schätzte. Als wichtige Referenzen gelten hier Buch II, in dem Zeus sich in einen weißen Stier mit goldenen Hörnern verwandelt, um Europa zu entführen, sowie Buch VIII, in dem der König von Kreta, Minos, seinem stierköpfigen Sohn, der in einem Labyrinth gefangen ist, sieben junge Männer und sieben junge Frauen übergibt. Mehrere Historiker bringen den Minotaurus auch mit Stéphane Mallarmés Gedicht „L'aprés-midi d'un faune“ (1875) in Verbindung, da Rodin Mallarmé 1893 einen Gipsabdruck des Minotaurus schenkte.

Im Mai 1903 schuf Rodin eine Marmorskulptur des Minotaurus, die ursprünglich eine Höhe von 33 Zentimetern haben sollte, für den deutschen Kunstsammler Karl-Ernst Osthaus. Wie üblich bewahrte Rodin mehrere Gipsabgüsse der Marmorskulptur auf, von denen sich zwei heute im Rodin-Museum befinden und von denen einer dem Journalisten und Kunstkritiker Maurice Guillemot (1859–1931) geschenkt wurde. Unter den zahlreichen Briefen, die seit 1884 zwischen Guillemot und Rodin ausgetauscht wurden und die in den Archiven des Rodin-Museums aufbewahrt werden, wird in einem Brief vom August 1905 ein Minotaurus erwähnt, dessen Material nicht näher bezeichnet wird. Von diesem Gipsabguss, der sich in der ehemaligen Sammlung von Maurice Guillemot befand, wurde nach 1985 in der Gießerei Georges Rudier eine Bronzeausgabe mit der Nummer 2/8 angefertigt. (Comité Rodin)

Der Minotaurus gehört zu den häufig ausgestellten Skulpturen Rodins: Die erste dokumentierte Ausstellung fand 1896 in München statt, danach wurde er in Wien (1898), Den Haag (1899), Paris (1900, 1910, 1917), Potsdam (1903), Düsseldorf (1904) und Barcelona (1907) gezeigt. Die Skulptur wurde unter verschiedenen Titeln wie „Faun und Frau“, „Satyr und Nymphe“ oder „Jupiter Taurus“ ausgestellt. (Elsen 2003: 510; Tancock 1976: 270)

Rodin selbst bevorzugte den Titel „Der Minotaurus“, der sich auf die Mythologie bezieht. Nach der Hochzeit von Minos und Pasiphaë und ihrer Vereinigung mit einem Stier wird der Minotaurus geboren. Jedes Jahr müssen ihm die Athener sieben Mädchen und sieben junge Männer opfern, bis er schließlich von Theseus besiegt wird. Die Komposition von Rodin mit dem Titel „Der Minotaurus“ zeigt den Minotaurus mit einem seiner Opfer. (Tancock 1976: 270)

Expertin: Mag. Patricia Pálffy Mag. Patricia Pálffy
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Auktion: Moderne
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 22.05.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 11.05. - 22.05.2024