Lot Nr. 30


Ambrosius Benson


Ambrosius Benson - Alte Meister I

(Brügge tätig um 1517 – vor 1550)
Bildnis eines vornehmen Herrn, vermutlich François de Cenasme, datiert: 1546,
Öl auf Holz, 54 x 45 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Cenami/Cename, Brügge, Lucca, Venedig, ab dem 16. Jahrhundert;
Sammlung Graf Cenami, Lucca, Weitergabe im Erbgang bis zum Ende des 19. Jahrhunderts;
Sammlung Trotti, Paris, 1911;
Sammlung Marcel Nicolle, Paris, 1920;
Sammlung Heilbuth, Dänemark;
deren Auktion, Lepke, Berlin, 10. Dezember, 1925, Lot 115;
Sammlung Victor Spark, New York, 1925–1952 (mit Gutachten von M. J. Friedländer, 21. Mai, 1952);
Kunsthandel Arthur Ackermann & Son, London/New York;
Kunsthandel Wildenstein & Co, New York, 1960;
Auktion, Sotheby’s, New York, 4. Juni, 1987, Lot 22;
Auktion, Sotheby’s New York, 7. April 1988, Lot 75;
Privatsammlung, Belgien, Roeselaere;
Privatsammlung, Luxemburg, seit 2011

Ausgestellt:
Kopenhagen, Museum der schönen Künste, The Heilbuth Collection, 1920, Nr. 50;
Brüssel, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Le Siècle de Bruegel, la Peinture en Belgique au XVIe siècle, 1963, Nr. 11

Literatur:
M. J. Friedländer, Ambrosius Benson als Bildnismaler, in: Jahrbuch Königliche-Preußische Kunstsammlung, XXXI, 1910, S. 139–148;
K. Madsen, Catalogue of the Heilbuth Collection, 1920;
K. Madsen, Annuaire du Musée de Copenhague, 1920;
A. Gold, Die Sammlung Heilbuth, in: Der Cicerone, 1921, S. 89–93, Abb. S. 93;
G. Marlier, Ambrosius Benson et la peinture à Bruges au temps de Charles-Quint, Damme 1957, S. 258f. und S. 321, Nr. 147, Taf. LXXVI;
M. J. Martens, Ambrosius Benson, in: Brugge en de Renaissance, Van Memling tot Pourbus, Brügge 1998, S. 143

Als von Georges Marlier als „Präsenz und Würde“ verströmendes Porträt publiziert und in jüngerer Zeit von Dominique Marechal als „datiertes Porträt“ besprochen, „das der reiferen Schaffenszeit [von Ambrosius Benson] zugeschrieben werden kann“, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um ein schönes Beispiel für die seltenen Porträts des italo-flämischen Meisters. Jan De Maere glaubt, dass das vorliegende Werk unter der Mitarbeit des Sohnes des Meisters, Willem Benson (1524–1574), ausgeführt wurde. Wir danken Jan de Maere für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das Bild verblieb ab seiner Entstehungszeit bis ins späte 19. Jahrhundert in der Sammlung der Familie Cenami (galliziert als Cesname) und stellt vermutlich ein Familienmitglied dar. Jan de Maere vermutet, dass es François de Cenasme (um 1515–1558) zeigt, einen Offizier, der unter dem namhaften Befehlshaber Admiral Coligny (1519–1572) im Kampf zwischen dem französischen König Heinrich II. und dem habsburgischen Kaiser Karl V. um die Vormacht in Flandern und Italien diente. Er war das einzige Familienmitglied dieses Namens, das sich nach den Schlachten bei Boullogne und Dünkirchen 1544/45 in Flandern aufhielt, nachdem ein Friedensvertrag zwischen Karl V. und dem französischen König Heinrich II. geschlossen worden war. Die Kleidung des Dargestellten erinnert im Stil an seinen Lehnsherrn Heinrich II.; die kostbaren Ziegenlederhandschuhe sind ein Symbol seiner Treue, während die beiden mit Gemmen besetzten Ringe auf die Quelle des Reichtums der Familie Cenami hinweisen. Aus Lucca stammend, gründeten die Cenami ein wichtiges Handelshaus in Venedig mit Außenstellen in Paris und Brügge. Sie importierten Juwelen, Seidenstoffe und Diamanten aus der Levante und traten auch als Bankiers in Erscheinung. Eine Großtante des vermutlich hier Dargestellten, Giovanna Cename (gest. 1454) heiratete in Brügge den Repräsentanten der Medici und wurde im Arnolfini-Porträt Jan van Eycks in der Londoner National Gallery verewigt. Die Sammlung der Familie wurde in Lucca zusammengeführt, als die Familie Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Geschäfte nach Lucca und Venedig verlegte. Sie verblieb dort bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Ambrosius Benson kam aus Norditalien und zog 1515 nach Brügge, wo er in die Werkstatt Gerard Davids eintrat. Bekannt ist, dass Benson, der seinen Meister an Erfindungsgabe und Meisterschaft übertraf, ein Gerichtsverfahren gegen David gewann, in dem er eine Schachtel mit seinen eigenen Zeichnungen zugesprochen bekam, die David für seine Verwendungszwecke einbehalten hatte. 1519 zum Meister der Brügger Lukasgilde ernannt, brachte er es in dem Kunst- und Handelszentrum zu großem Erfolg und wurde zweimal mit der Ausstattung des Rathauses beauftragt. Mit seinem moderaten Chiaroscuro und seinen von großer Leichtigkeit zeugenden Aktdarstellungen, die beide von seiner Ausbildung in Italien herrührten, hob sich Benson von seinen flämischen Zeitgenossen ab. De Maere vergleicht das vorliegende Werk mit dem mit 1544 datierten Porträt eines Mannes in der Nasjonalgalleriet in Oslo sowie mit einem um 1530 entstandenen Männerporträt in der National Gallery of Canada, Ottawa (Inv.-Nr. 16.987), dessen Hände und Fingernägel jenen des hier Dargestellten ähneln. Der mittlerweile verstorbene Benson-Kenner Georges Marlier beschrieb „lange, dünne Finger in einem archaischen Stil“ als Markenzeichen von Willems Malweise. Willem war ein begabter Schüler seines Vaters und in den künstlerischen Kreisen Brügges vielbeachtet. 1570 wurde er wegen seines ausschweifenden und liederlichen Lebenswandels aus der Stadt verbannt („uitlandts ende ghebannen“).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

08.06.2021 - 16:00

Schätzwert:
EUR 80.000,- bis EUR 120.000,-

Ambrosius Benson


(Brügge tätig um 1517 – vor 1550)
Bildnis eines vornehmen Herrn, vermutlich François de Cenasme, datiert: 1546,
Öl auf Holz, 54 x 45 cm, gerahmt

Provenienz:
Sammlung Cenami/Cename, Brügge, Lucca, Venedig, ab dem 16. Jahrhundert;
Sammlung Graf Cenami, Lucca, Weitergabe im Erbgang bis zum Ende des 19. Jahrhunderts;
Sammlung Trotti, Paris, 1911;
Sammlung Marcel Nicolle, Paris, 1920;
Sammlung Heilbuth, Dänemark;
deren Auktion, Lepke, Berlin, 10. Dezember, 1925, Lot 115;
Sammlung Victor Spark, New York, 1925–1952 (mit Gutachten von M. J. Friedländer, 21. Mai, 1952);
Kunsthandel Arthur Ackermann & Son, London/New York;
Kunsthandel Wildenstein & Co, New York, 1960;
Auktion, Sotheby’s, New York, 4. Juni, 1987, Lot 22;
Auktion, Sotheby’s New York, 7. April 1988, Lot 75;
Privatsammlung, Belgien, Roeselaere;
Privatsammlung, Luxemburg, seit 2011

Ausgestellt:
Kopenhagen, Museum der schönen Künste, The Heilbuth Collection, 1920, Nr. 50;
Brüssel, Musées royaux des Beaux-Arts de Belgique, Le Siècle de Bruegel, la Peinture en Belgique au XVIe siècle, 1963, Nr. 11

Literatur:
M. J. Friedländer, Ambrosius Benson als Bildnismaler, in: Jahrbuch Königliche-Preußische Kunstsammlung, XXXI, 1910, S. 139–148;
K. Madsen, Catalogue of the Heilbuth Collection, 1920;
K. Madsen, Annuaire du Musée de Copenhague, 1920;
A. Gold, Die Sammlung Heilbuth, in: Der Cicerone, 1921, S. 89–93, Abb. S. 93;
G. Marlier, Ambrosius Benson et la peinture à Bruges au temps de Charles-Quint, Damme 1957, S. 258f. und S. 321, Nr. 147, Taf. LXXVI;
M. J. Martens, Ambrosius Benson, in: Brugge en de Renaissance, Van Memling tot Pourbus, Brügge 1998, S. 143

Als von Georges Marlier als „Präsenz und Würde“ verströmendes Porträt publiziert und in jüngerer Zeit von Dominique Marechal als „datiertes Porträt“ besprochen, „das der reiferen Schaffenszeit [von Ambrosius Benson] zugeschrieben werden kann“, handelt es sich bei dem vorliegenden Werk um ein schönes Beispiel für die seltenen Porträts des italo-flämischen Meisters. Jan De Maere glaubt, dass das vorliegende Werk unter der Mitarbeit des Sohnes des Meisters, Willem Benson (1524–1574), ausgeführt wurde. Wir danken Jan de Maere für seine Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Lots.

Das Bild verblieb ab seiner Entstehungszeit bis ins späte 19. Jahrhundert in der Sammlung der Familie Cenami (galliziert als Cesname) und stellt vermutlich ein Familienmitglied dar. Jan de Maere vermutet, dass es François de Cenasme (um 1515–1558) zeigt, einen Offizier, der unter dem namhaften Befehlshaber Admiral Coligny (1519–1572) im Kampf zwischen dem französischen König Heinrich II. und dem habsburgischen Kaiser Karl V. um die Vormacht in Flandern und Italien diente. Er war das einzige Familienmitglied dieses Namens, das sich nach den Schlachten bei Boullogne und Dünkirchen 1544/45 in Flandern aufhielt, nachdem ein Friedensvertrag zwischen Karl V. und dem französischen König Heinrich II. geschlossen worden war. Die Kleidung des Dargestellten erinnert im Stil an seinen Lehnsherrn Heinrich II.; die kostbaren Ziegenlederhandschuhe sind ein Symbol seiner Treue, während die beiden mit Gemmen besetzten Ringe auf die Quelle des Reichtums der Familie Cenami hinweisen. Aus Lucca stammend, gründeten die Cenami ein wichtiges Handelshaus in Venedig mit Außenstellen in Paris und Brügge. Sie importierten Juwelen, Seidenstoffe und Diamanten aus der Levante und traten auch als Bankiers in Erscheinung. Eine Großtante des vermutlich hier Dargestellten, Giovanna Cename (gest. 1454) heiratete in Brügge den Repräsentanten der Medici und wurde im Arnolfini-Porträt Jan van Eycks in der Londoner National Gallery verewigt. Die Sammlung der Familie wurde in Lucca zusammengeführt, als die Familie Anfang des 17. Jahrhunderts ihre Geschäfte nach Lucca und Venedig verlegte. Sie verblieb dort bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.

Ambrosius Benson kam aus Norditalien und zog 1515 nach Brügge, wo er in die Werkstatt Gerard Davids eintrat. Bekannt ist, dass Benson, der seinen Meister an Erfindungsgabe und Meisterschaft übertraf, ein Gerichtsverfahren gegen David gewann, in dem er eine Schachtel mit seinen eigenen Zeichnungen zugesprochen bekam, die David für seine Verwendungszwecke einbehalten hatte. 1519 zum Meister der Brügger Lukasgilde ernannt, brachte er es in dem Kunst- und Handelszentrum zu großem Erfolg und wurde zweimal mit der Ausstattung des Rathauses beauftragt. Mit seinem moderaten Chiaroscuro und seinen von großer Leichtigkeit zeugenden Aktdarstellungen, die beide von seiner Ausbildung in Italien herrührten, hob sich Benson von seinen flämischen Zeitgenossen ab. De Maere vergleicht das vorliegende Werk mit dem mit 1544 datierten Porträt eines Mannes in der Nasjonalgalleriet in Oslo sowie mit einem um 1530 entstandenen Männerporträt in der National Gallery of Canada, Ottawa (Inv.-Nr. 16.987), dessen Hände und Fingernägel jenen des hier Dargestellten ähneln. Der mittlerweile verstorbene Benson-Kenner Georges Marlier beschrieb „lange, dünne Finger in einem archaischen Stil“ als Markenzeichen von Willems Malweise. Willem war ein begabter Schüler seines Vaters und in den künstlerischen Kreisen Brügges vielbeachtet. 1570 wurde er wegen seines ausschweifenden und liederlichen Lebenswandels aus der Stadt verbannt („uitlandts ende ghebannen“).

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 08.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021