Lot Nr. 106


Giacomo Francesco Cipper, gen. il Todeschini


Giacomo Francesco Cipper, gen. il Todeschini - Alte Meister I

(Feldkirch 1664–1736 Mailand)
Strickendes Mädchen und Frau beim Füttern eines Kindes,
Öl auf Leinwand, 88,5 x 118,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Mailand

Wir danken Maria Silvia Proni, die die Zuschreibung bestätigt hat, für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Auf Giacomo Francesco Cippers Gemälden nimmt das Thema Essen einen besonderen Stellenwert ein: Seine Darstellungen von Alltagsszenen zeigen oft Figuren, die um einen bescheidenen Tisch sitzen, der mit verschiedenen Arten von gewöhnlichen, bescheidenen Lebensmitteln, Brotlaiben in verschiedenen Formen und verschiedenen Käsesorten, gedeckt ist.

Auf dem rustikalen Holztisch der vorliegenden Komposition liegt ein runder Brotlaib, ähnlich wie auf vielen anderen Gemälden des Künstlers, wie etwa ‒ um eine Auswahl zu treffen ‒ im Fall von Gedeckter Tisch mit jungem Paar [Tavola imbandita con giovane coppia], Sammlung Gastaldi Rotelli, Mailand (siehe M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper, in: Il cibo nell’arte, hg. von D. Dotti, Ausstellungskatalog, Brescia 2015, S. 118, Nr. 11), Kartenspieler, Privatsammlung, Brescia (siehe F. Arisi, G. F. Cipper il „Todeschini“ e la pittura di genere, in: Arte lombarda, 49, 1978, S. 118, Abb. 11) sowie Alte Frau am Spinnrad und Kartenspieler in einer Mailänder Privatsammlung (siehe M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper, Soncino 1994, S. 50, Nr. 7), einem Gemälde, auf dem das gleiche Käsestück auftaucht. Einzigartig ist die große, dunkle Pfanne, die im Mittelpunkt der vorliegenden Komposition steht. Die Frau in der Mitte hat daraus gerade ihren Löffel beladen und schickt sich an, ihn dem Jungen hinzuhalten.

Die Anwesenheit des Jungen lässt verschiedene Lesarten des Bildes zu: Auf den ersten Blick mag das Gemälde wie eine gewöhnliche und vertraute Genreszene wirken, doch die offene Hand des Jungen könnte darauf hinweisen, dass es sich um einen Bettler handelt, der sich den beiden Frauen genähert hat. Cippers stets beharrliche Aufmerksamkeit für die alltägliche Bescheidenheit gewöhnlicher Menschen vermittelt das Mitgefühl des Augenblicks durch die Darstellung der Geste der älteren Frau, die schnell auf die Bitte des seine Hand ausstreckenden Kindes reagiert, indem sie den von ihr zubereiteten Eintopf teilt und ihre zärtliche Zuneigung zeigt, die durch ihren um die Schulter des hungrigen Jungen gelegten Arm zum Ausdruck kommt. Die junge Frau auf der linken Seite der Szene schaut aus dem Bild und setzt ein Spiel der Blicke zwischen Betrachter und Beobachteten im Bild in Gang, das eine Dynamik von Abhängigkeiten erzeugt, während sie im Bewusstsein, dass sie beobachtet wird, weiter an ihrer Strickerei arbeitet.

Anzumerken ist, dass in dieser Komposition und ihrem Pendant, Ein Schuster und eine Frau schneiden einem Kind das Haar, zwei Figuren, der Schuster und die strickende Frau, vorkommen, die ‒ wenn auch in Gestalt anderer Akteure ‒ in dem zur gleichen Zeit entstandenen Werk Der Schuster (auch Flickschuster und Strickerin [Ciabattino e donna che lavora a maglia]) vorkommen, das sich in einer Privatsammlung befindet (siehe L. Tognoli, G. F. Cipper, il „Todeschini“, Bergamo 1976, S. 44, Abb. 41). Die für die Genremalerei typische Wiederholung vertrauter Figuren und Szenen löst der Künstler hier durch sein dichtes malerisches Impasto und seine Farbwahl von unverwechselbaren Erdtönen ein, die mit Partien leuchtenden Zinnoberrots kontrastieren, wie sie etwa die Ärmel der jungen strickenden Frau kennzeichnen ‒ und das auf eine Weise, die zwar an Arbeiten Eberhard Keilaus erinnert, jedoch überarbeitet und dem neuesten lombardischen Geschmack für anekdotische Darstellungen angepasst ist.

Die chronologische Einordnung des vorliegenden Gemäldes ist dem Katalogeintrag zu Ein Schuster und eine einem Kind das Haar schneidende Frau zu entnehmen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

08.06.2021 - 16:00

Erzielter Preis: **
EUR 37.800,-
Schätzwert:
EUR 30.000,- bis EUR 40.000,-

Giacomo Francesco Cipper, gen. il Todeschini


(Feldkirch 1664–1736 Mailand)
Strickendes Mädchen und Frau beim Füttern eines Kindes,
Öl auf Leinwand, 88,5 x 118,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Privatsammlung, Mailand

Wir danken Maria Silvia Proni, die die Zuschreibung bestätigt hat, für die Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Auf Giacomo Francesco Cippers Gemälden nimmt das Thema Essen einen besonderen Stellenwert ein: Seine Darstellungen von Alltagsszenen zeigen oft Figuren, die um einen bescheidenen Tisch sitzen, der mit verschiedenen Arten von gewöhnlichen, bescheidenen Lebensmitteln, Brotlaiben in verschiedenen Formen und verschiedenen Käsesorten, gedeckt ist.

Auf dem rustikalen Holztisch der vorliegenden Komposition liegt ein runder Brotlaib, ähnlich wie auf vielen anderen Gemälden des Künstlers, wie etwa ‒ um eine Auswahl zu treffen ‒ im Fall von Gedeckter Tisch mit jungem Paar [Tavola imbandita con giovane coppia], Sammlung Gastaldi Rotelli, Mailand (siehe M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper, in: Il cibo nell’arte, hg. von D. Dotti, Ausstellungskatalog, Brescia 2015, S. 118, Nr. 11), Kartenspieler, Privatsammlung, Brescia (siehe F. Arisi, G. F. Cipper il „Todeschini“ e la pittura di genere, in: Arte lombarda, 49, 1978, S. 118, Abb. 11) sowie Alte Frau am Spinnrad und Kartenspieler in einer Mailänder Privatsammlung (siehe M. S. Proni, Giacomo Francesco Cipper, Soncino 1994, S. 50, Nr. 7), einem Gemälde, auf dem das gleiche Käsestück auftaucht. Einzigartig ist die große, dunkle Pfanne, die im Mittelpunkt der vorliegenden Komposition steht. Die Frau in der Mitte hat daraus gerade ihren Löffel beladen und schickt sich an, ihn dem Jungen hinzuhalten.

Die Anwesenheit des Jungen lässt verschiedene Lesarten des Bildes zu: Auf den ersten Blick mag das Gemälde wie eine gewöhnliche und vertraute Genreszene wirken, doch die offene Hand des Jungen könnte darauf hinweisen, dass es sich um einen Bettler handelt, der sich den beiden Frauen genähert hat. Cippers stets beharrliche Aufmerksamkeit für die alltägliche Bescheidenheit gewöhnlicher Menschen vermittelt das Mitgefühl des Augenblicks durch die Darstellung der Geste der älteren Frau, die schnell auf die Bitte des seine Hand ausstreckenden Kindes reagiert, indem sie den von ihr zubereiteten Eintopf teilt und ihre zärtliche Zuneigung zeigt, die durch ihren um die Schulter des hungrigen Jungen gelegten Arm zum Ausdruck kommt. Die junge Frau auf der linken Seite der Szene schaut aus dem Bild und setzt ein Spiel der Blicke zwischen Betrachter und Beobachteten im Bild in Gang, das eine Dynamik von Abhängigkeiten erzeugt, während sie im Bewusstsein, dass sie beobachtet wird, weiter an ihrer Strickerei arbeitet.

Anzumerken ist, dass in dieser Komposition und ihrem Pendant, Ein Schuster und eine Frau schneiden einem Kind das Haar, zwei Figuren, der Schuster und die strickende Frau, vorkommen, die ‒ wenn auch in Gestalt anderer Akteure ‒ in dem zur gleichen Zeit entstandenen Werk Der Schuster (auch Flickschuster und Strickerin [Ciabattino e donna che lavora a maglia]) vorkommen, das sich in einer Privatsammlung befindet (siehe L. Tognoli, G. F. Cipper, il „Todeschini“, Bergamo 1976, S. 44, Abb. 41). Die für die Genremalerei typische Wiederholung vertrauter Figuren und Szenen löst der Künstler hier durch sein dichtes malerisches Impasto und seine Farbwahl von unverwechselbaren Erdtönen ein, die mit Partien leuchtenden Zinnoberrots kontrastieren, wie sie etwa die Ärmel der jungen strickenden Frau kennzeichnen ‒ und das auf eine Weise, die zwar an Arbeiten Eberhard Keilaus erinnert, jedoch überarbeitet und dem neuesten lombardischen Geschmack für anekdotische Darstellungen angepasst ist.

Die chronologische Einordnung des vorliegenden Gemäldes ist dem Katalogeintrag zu Ein Schuster und eine einem Kind das Haar schneidende Frau zu entnehmen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister I
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 08.06.2021 - 16:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.