Lot Nr. 9


Werkstatt des Pietro di Cristoforo Vanucci, gen. Perugino


(Città della Pieve um 1446–1523 Fontignano)
Der heilige Hieronymus in seinem Studierzimmer,
Öl auf Holz auf Leinwand übertragen, 37 x 31,5 cm, ungerahmt

Provenienz:
Sammlung Carlo Carozzi, Lombardei, 1935;
europäische Privatsammlung

Literatur:
A. Venturi, Gruppo di cose inedite, in: L’Arte. Rivista trimestrale di storie dell’arte medievale e moderna, Nr. 41, 1938, S. 49, Abb. 4, S. 53 f. (als „appartenent[e] al periodo umbro di Raffaello“);
A. Venturi, Storia dell’arte italiana. XI. Architettura del Cinquecento, Bd. 1, Mailand 1938, S. 182–185, Abb. 157 (als Raffael);
E. Bianchi, Adolfo Venturi tra collezionismo e ricerca: un caso milanese, in: Arte Lombarda, Nr. 160, 2010, S. 97 f., 105–108, Abb. 1

Eine verwandte Komposition ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 26726 verzeichnet (als anonymer umbrischer Künstler, 15./16. Jahrhundert).

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Reflektografische Untersuchungen zeigen, dass das Werk ursprünglich auf Holz gemalt und später, womöglich im 20. Jahrhundert, auf Leinwand übertragen wurde. Der horizontale Verlauf der Holzfasern lässt sich aus dem auf den IR-Bildern zu erkennenden Rissverlauf ableiten. Dies macht es nicht unwahrscheinlich, dass die Szene Teil einer Predella war, vermutlich mit Begebenheiten aus dem Leben des heiligen Hieronymus. Zu den Pigmenten, die mittels Reflexionsspektroskopie und tragbarem Mikroskop nachgewiesen wurden, zählen Azurit in Verbindung mit Bleiweiß in den Blaubereichen (Himmel, Berge und ferne Landschaft, dunkler Buchdeckel und Mantel des Mannes links), zu denen auch die blassblaue Scheibe des Renaissancefensters zählt. Azurit wurde teilweise mit fein vermahlenem dunklem Rotlack vermischt und zum Teil lasierend aufgetragen, um den purpurnen Farbton der Kutte des Mönches im Hintergrund zu erzielen, der hier dem üblichen Grau dieser Art Gewand vorgezogen wurde. Der etwas andere Farbton des Gewandes des Hieronymus besteht ebenfalls aus einer Mischung von Azurit mit demselben Rotlack, doch unterscheidet sich deren Körnung: Ersterer wurde feiner, Letzterer gröber vermahlen. Ein hellerer Rotlack kam für den Mantel des Heiligen zum Einsatz.

Für die grünen Wiesen vor dem Fenster wurde ein Grün auf Kupferbasis (Malachit?) verwendet. Die graue Farbe der Architektur ist nicht bloß eine Mischung aus Weiß, Schwarz und Ocker, sondern enthält auch sehr feine blaugrüne Partikel, was das vom Künstler auf die Farbigkeit gelegte Augenmerk unterstreicht. Hauttöne wurden wie noch in der Tradition des 14. Jahrhunderts mittels einer ersten blassgrünen Schicht erzielt, die grüne Erde enthält und dann mit einer dünnen Schicht aus Bleiweiß und Zinnober überdeckt wurde: eine für Perugino und seine Werkstatt bis nach 1500 typische Malpraxis. Besonders interessant ist die Zeichnung, die dem Gemälde zugrunde liegt und die in unterschiedlichen IR-Wellenlängenbereichen zutage tritt: Im Bereich der Architektur des Raumes wurde sie mittels eingravierten Linien ausgeführt, wohingegen sie etwas freier den Stuhl des Heiligen umreißt, wo entlang mehrerer Linien feine Punktreihen zu erkennen sind (Spolvero). Die Zeichnung der Figuren, die mit einem dünnen Pinsel ausgeführt wurde, ist ziemlich frei, studiert die Falten der Kleidung und korrigiert sich in einigen Fällen selbst. Unterhalb einiger Schattenzonen des Umhangs des Hieronymus sind Andeutungen von Schraffuren zu erkennen, während eine schwarze Schraffur an der Oberfläche des Gemäldes die Schatten der Nische im Hintergrund bildet.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 20.000,- bis EUR 30.000,-

Werkstatt des Pietro di Cristoforo Vanucci, gen. Perugino


(Città della Pieve um 1446–1523 Fontignano)
Der heilige Hieronymus in seinem Studierzimmer,
Öl auf Holz auf Leinwand übertragen, 37 x 31,5 cm, ungerahmt

Provenienz:
Sammlung Carlo Carozzi, Lombardei, 1935;
europäische Privatsammlung

Literatur:
A. Venturi, Gruppo di cose inedite, in: L’Arte. Rivista trimestrale di storie dell’arte medievale e moderna, Nr. 41, 1938, S. 49, Abb. 4, S. 53 f. (als „appartenent[e] al periodo umbro di Raffaello“);
A. Venturi, Storia dell’arte italiana. XI. Architettura del Cinquecento, Bd. 1, Mailand 1938, S. 182–185, Abb. 157 (als Raffael);
E. Bianchi, Adolfo Venturi tra collezionismo e ricerca: un caso milanese, in: Arte Lombarda, Nr. 160, 2010, S. 97 f., 105–108, Abb. 1

Eine verwandte Komposition ist in der Fototeca Zeri unter Nr. 26726 verzeichnet (als anonymer umbrischer Künstler, 15./16. Jahrhundert).

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Reflektografische Untersuchungen zeigen, dass das Werk ursprünglich auf Holz gemalt und später, womöglich im 20. Jahrhundert, auf Leinwand übertragen wurde. Der horizontale Verlauf der Holzfasern lässt sich aus dem auf den IR-Bildern zu erkennenden Rissverlauf ableiten. Dies macht es nicht unwahrscheinlich, dass die Szene Teil einer Predella war, vermutlich mit Begebenheiten aus dem Leben des heiligen Hieronymus. Zu den Pigmenten, die mittels Reflexionsspektroskopie und tragbarem Mikroskop nachgewiesen wurden, zählen Azurit in Verbindung mit Bleiweiß in den Blaubereichen (Himmel, Berge und ferne Landschaft, dunkler Buchdeckel und Mantel des Mannes links), zu denen auch die blassblaue Scheibe des Renaissancefensters zählt. Azurit wurde teilweise mit fein vermahlenem dunklem Rotlack vermischt und zum Teil lasierend aufgetragen, um den purpurnen Farbton der Kutte des Mönches im Hintergrund zu erzielen, der hier dem üblichen Grau dieser Art Gewand vorgezogen wurde. Der etwas andere Farbton des Gewandes des Hieronymus besteht ebenfalls aus einer Mischung von Azurit mit demselben Rotlack, doch unterscheidet sich deren Körnung: Ersterer wurde feiner, Letzterer gröber vermahlen. Ein hellerer Rotlack kam für den Mantel des Heiligen zum Einsatz.

Für die grünen Wiesen vor dem Fenster wurde ein Grün auf Kupferbasis (Malachit?) verwendet. Die graue Farbe der Architektur ist nicht bloß eine Mischung aus Weiß, Schwarz und Ocker, sondern enthält auch sehr feine blaugrüne Partikel, was das vom Künstler auf die Farbigkeit gelegte Augenmerk unterstreicht. Hauttöne wurden wie noch in der Tradition des 14. Jahrhunderts mittels einer ersten blassgrünen Schicht erzielt, die grüne Erde enthält und dann mit einer dünnen Schicht aus Bleiweiß und Zinnober überdeckt wurde: eine für Perugino und seine Werkstatt bis nach 1500 typische Malpraxis. Besonders interessant ist die Zeichnung, die dem Gemälde zugrunde liegt und die in unterschiedlichen IR-Wellenlängenbereichen zutage tritt: Im Bereich der Architektur des Raumes wurde sie mittels eingravierten Linien ausgeführt, wohingegen sie etwas freier den Stuhl des Heiligen umreißt, wo entlang mehrerer Linien feine Punktreihen zu erkennen sind (Spolvero). Die Zeichnung der Figuren, die mit einem dünnen Pinsel ausgeführt wurde, ist ziemlich frei, studiert die Falten der Kleidung und korrigiert sich in einigen Fällen selbst. Unterhalb einiger Schattenzonen des Umhangs des Hieronymus sind Andeutungen von Schraffuren zu erkennen, während eine schwarze Schraffur an der Oberfläche des Gemäldes die Schatten der Nische im Hintergrund bildet.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024