Lot Nr. 38 -


Spanische Hofwerkstatt, um 1625–1630


Ganzfiguriges Porträt Philipps IV. von Spanien (1605–1665) mit dem Orden vom Goldenen Vlies,
Öl auf Leinwand, 189 x 105,5 cm, gerahmt

Wir danken Gloria Martínez Leiva, die die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Auf diesem eindrucksvollen Porträt ist König Philipp IV. von Spanien in seinen frühen Zwanzigern in schwarzer Kleidung im Dreiviertelprofil vor einem nicht näher bestimmten nüchternen, rötlich braunen Hintergrund dargestellt. In einer Pose, die er bei offiziellen Anlässen am Hof einnahm, hält er in der linken Hand das Heft seines Schwertes, in der Rechten ein gefaltetes Blatt Papier. Allein der Orden vom Goldenen Vlies schmückt seine Kleidung. Zur Linken des Königs steht ein hoher Tisch mit einem roten, goldverzierten Tuch, auf dem sein großer schwarzer Hut liegt. Die Kleidung des Königs ist viel schlichter als bei früheren königlichen Porträts üblich, es fehlen Juwelen und jeglicher anderer Schmuck; sie wird von einer „valona“, einem wallonischen Kragen, gekrönt, der 1623 die dekorativere „lechuguilla“, eine Halskrause, ablöste. Diese förmlichen Bildnisse dienten als Staatsporträts, die in ganz Europa und in Nord-, Mittel- und Südamerika zirkulierten. Unser Bild weicht in seiner düsteren Schlichtheit, die dem frommen Monarchen entsprach, von der Opulenz früherer spanischer Hofporträts ab. Philipp IV. trachtete danach, sich vom Image der Günstlingswirtschaft, der Willkür und der Verschwendung zu distanzieren, mit dem sein Vorgänger und Vater, König Philipp III. (reg. 1578–1621), in Zusammenhang gebracht wurde. Der König steht als prächtig, wenn auch dunkel gewandete, imposante Gestalt im Vordergrund des Gemäldes, was seinen Stolz und Ehrfurcht gebietenden Charakter erahnen lässt.

Die Besteigung des spanischen Throns durch Philipp IV. im Jahr 1621 markierte eine große Veränderung in der Außen- und Innenpolitik. Der wichtigste Berater des Königs, der Herzog von Olivares, überzeugte den König von der Notwendigkeit, die Monarchie zu erneuern und das während der Herrschaft des Vaters verloren gegangene Prestige zurückzugewinnen. Wirtschaftliche und politische Maßnahmen wurden ergriffen, um die königliche Autorität zu stärken. Während die Regierungszeit Philipps in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht den Beginn des Niedergangs des Habsburgerreiches markierte, erlebte die Kunst eine Blütezeit, die als „Siglo de oro“, als Goldenes Zeitalter, bezeichnet wurde.

Das vorliegende Gemälde variiert Velázquez’ berühmtes Porträt des Königs im Madrider Prado (Öl auf Leinwand, 198 x 101,5 cm, Inv.-Nr. P001182) und gehört zu der Serie, die Velázquez und die königliche Werkstatt nach der Berufung des Künstlers an den Hof im Jahr 1623 malten. Nachdem Velázquez die erste Fassung dieses Porträttyps für den König ausgeführt hatte, die sich heute im Prado befindet, bezahlte der Hofbeamte Don García Pérez de Araciel den Künstler am 4. Dezember 1624 für eine eigenhändige Replik. Diese Replik befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York (Öl auf Leinwand, 200 x 102,9 cm, Inv.-Nr. 14.40.639). Bemerkenswert ist, dass das Prado-Bild, so wie wir es heute sehen, eine vollständige Überarbeitung durch Velázquez darstellt. Eine Röntgenuntersuchung hat gezeigt, dass er einige Jahre nach der Fertigstellung wichtige Änderungen an dem 1623 gemalten Originalporträt vorgenommen hat. Die Version im Metropolitan Museum dokumentiert die erste Phase dieses Porträttypus, bevor diese Änderungen vorgenommen wurden, während das vorliegende Gemälde Velázquez’ zweite Phase in der Entwicklung des offiziellen Porträttypus dokumentiert. Eine dem vorliegenden Gemälde sehr ähnliche Version befindet sich im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston (Öl auf Leinwand, 201,2 x 109,5 cm, Inv.-Nr. P26e18). Das vorliegende, in der königlichen Werkstatt ausgeführte Gemälde besticht durch die modern anmutende Schlichtheit des Entwurfs, bei dem Velázquez’ Ansatz „einer Beseitigung der letzten Überreste königlichen Zubehörs gemäß der Vorstellung, dass es keinen wirksameren Ausdruck von Majestät gibt als die königliche Person selbst“, zum Ausdruck kommt (siehe G. Finaldi, Philip IV in Brown and Silver, in: Velázquez, hg. von D. Davies, Ausstellungskatalog, London, 2006, S. 172).

Die Maler der königlichen Werkstatt hatten Zugang zur Originalkomposition und pausten offenbar, wie Gloria Martínez festgestellt hat, die Konturen der ersten Version nach. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Umrisse der Gesichter mehrerer Versionen der Komposition einschließlich der vorliegenden miteinander vergleicht. Sie unterscheiden sich bloß um kaum einen Zentimeter. Stilistisch bildet die Darstellung des Gesichts des Königs den Höhepunkt eines Prozesses physiognomischer Vereinfachung, der bei Velázquez schon früher eingesetzt hatte. Das Ergebnis ist ein fast teilnahmsloser Ausdruck, der dem Ideal königlicher Würde entspricht.

Velázquez war gerade zum Hofkünstler ernannt worden, als das vorliegende Gemälde entstand. Es hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Werkstattpraxis etabliert, zumal die Komposition zu seinen ersten Aufträgen gehörte. Erst nach seiner Rückkehr aus Italien richtete er seine Werkstatt im Alcázar von Madrid in einem Raum der Galeria del Cierzo ein, was durch die Anwesenheit seiner ersten Gehilfen belegt wird, von denen einer, Juan Bautista Martínez del Mazo, sein Schwiegersohn werden sollte. Um 1625, als das vorliegende Gemälde offenbar in Auftrag gegeben wurde, hatte sich vermutlich bereits eine Arbeitsroutine der Künstler im königlichen Atelier des Alcázar eingebürgert. Auf Grundlage eines vom Meister entwickelten und gemalten Prototyps fertigten sie Varianten des königlichen Bildes an, die im Inland und vor allem im Ausland als diplomatische Geschenke verschickt wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Velázquez selbst diese königlichen Porträts, die für ausländische Höfe bestimmt waren, in der Endphase ihrer Ausführung beaufsichtigt und überarbeitet hat, was im Falle des vorliegenden Gemäldes naheliegend wäre.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Schätzwert:
EUR 40.000,- bis EUR 60.000,-

Spanische Hofwerkstatt, um 1625–1630


Ganzfiguriges Porträt Philipps IV. von Spanien (1605–1665) mit dem Orden vom Goldenen Vlies,
Öl auf Leinwand, 189 x 105,5 cm, gerahmt

Wir danken Gloria Martínez Leiva, die die Zuschreibung vorgeschlagen hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung des vorliegenden Gemäldes.

Auf diesem eindrucksvollen Porträt ist König Philipp IV. von Spanien in seinen frühen Zwanzigern in schwarzer Kleidung im Dreiviertelprofil vor einem nicht näher bestimmten nüchternen, rötlich braunen Hintergrund dargestellt. In einer Pose, die er bei offiziellen Anlässen am Hof einnahm, hält er in der linken Hand das Heft seines Schwertes, in der Rechten ein gefaltetes Blatt Papier. Allein der Orden vom Goldenen Vlies schmückt seine Kleidung. Zur Linken des Königs steht ein hoher Tisch mit einem roten, goldverzierten Tuch, auf dem sein großer schwarzer Hut liegt. Die Kleidung des Königs ist viel schlichter als bei früheren königlichen Porträts üblich, es fehlen Juwelen und jeglicher anderer Schmuck; sie wird von einer „valona“, einem wallonischen Kragen, gekrönt, der 1623 die dekorativere „lechuguilla“, eine Halskrause, ablöste. Diese förmlichen Bildnisse dienten als Staatsporträts, die in ganz Europa und in Nord-, Mittel- und Südamerika zirkulierten. Unser Bild weicht in seiner düsteren Schlichtheit, die dem frommen Monarchen entsprach, von der Opulenz früherer spanischer Hofporträts ab. Philipp IV. trachtete danach, sich vom Image der Günstlingswirtschaft, der Willkür und der Verschwendung zu distanzieren, mit dem sein Vorgänger und Vater, König Philipp III. (reg. 1578–1621), in Zusammenhang gebracht wurde. Der König steht als prächtig, wenn auch dunkel gewandete, imposante Gestalt im Vordergrund des Gemäldes, was seinen Stolz und Ehrfurcht gebietenden Charakter erahnen lässt.

Die Besteigung des spanischen Throns durch Philipp IV. im Jahr 1621 markierte eine große Veränderung in der Außen- und Innenpolitik. Der wichtigste Berater des Königs, der Herzog von Olivares, überzeugte den König von der Notwendigkeit, die Monarchie zu erneuern und das während der Herrschaft des Vaters verloren gegangene Prestige zurückzugewinnen. Wirtschaftliche und politische Maßnahmen wurden ergriffen, um die königliche Autorität zu stärken. Während die Regierungszeit Philipps in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht den Beginn des Niedergangs des Habsburgerreiches markierte, erlebte die Kunst eine Blütezeit, die als „Siglo de oro“, als Goldenes Zeitalter, bezeichnet wurde.

Das vorliegende Gemälde variiert Velázquez’ berühmtes Porträt des Königs im Madrider Prado (Öl auf Leinwand, 198 x 101,5 cm, Inv.-Nr. P001182) und gehört zu der Serie, die Velázquez und die königliche Werkstatt nach der Berufung des Künstlers an den Hof im Jahr 1623 malten. Nachdem Velázquez die erste Fassung dieses Porträttyps für den König ausgeführt hatte, die sich heute im Prado befindet, bezahlte der Hofbeamte Don García Pérez de Araciel den Künstler am 4. Dezember 1624 für eine eigenhändige Replik. Diese Replik befindet sich heute im Metropolitan Museum of Art in New York (Öl auf Leinwand, 200 x 102,9 cm, Inv.-Nr. 14.40.639). Bemerkenswert ist, dass das Prado-Bild, so wie wir es heute sehen, eine vollständige Überarbeitung durch Velázquez darstellt. Eine Röntgenuntersuchung hat gezeigt, dass er einige Jahre nach der Fertigstellung wichtige Änderungen an dem 1623 gemalten Originalporträt vorgenommen hat. Die Version im Metropolitan Museum dokumentiert die erste Phase dieses Porträttypus, bevor diese Änderungen vorgenommen wurden, während das vorliegende Gemälde Velázquez’ zweite Phase in der Entwicklung des offiziellen Porträttypus dokumentiert. Eine dem vorliegenden Gemälde sehr ähnliche Version befindet sich im Isabella Stewart Gardner Museum in Boston (Öl auf Leinwand, 201,2 x 109,5 cm, Inv.-Nr. P26e18). Das vorliegende, in der königlichen Werkstatt ausgeführte Gemälde besticht durch die modern anmutende Schlichtheit des Entwurfs, bei dem Velázquez’ Ansatz „einer Beseitigung der letzten Überreste königlichen Zubehörs gemäß der Vorstellung, dass es keinen wirksameren Ausdruck von Majestät gibt als die königliche Person selbst“, zum Ausdruck kommt (siehe G. Finaldi, Philip IV in Brown and Silver, in: Velázquez, hg. von D. Davies, Ausstellungskatalog, London, 2006, S. 172).

Die Maler der königlichen Werkstatt hatten Zugang zur Originalkomposition und pausten offenbar, wie Gloria Martínez festgestellt hat, die Konturen der ersten Version nach. Dies wird besonders deutlich, wenn man die Umrisse der Gesichter mehrerer Versionen der Komposition einschließlich der vorliegenden miteinander vergleicht. Sie unterscheiden sich bloß um kaum einen Zentimeter. Stilistisch bildet die Darstellung des Gesichts des Königs den Höhepunkt eines Prozesses physiognomischer Vereinfachung, der bei Velázquez schon früher eingesetzt hatte. Das Ergebnis ist ein fast teilnahmsloser Ausdruck, der dem Ideal königlicher Würde entspricht.

Velázquez war gerade zum Hofkünstler ernannt worden, als das vorliegende Gemälde entstand. Es hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch keine eigene Werkstattpraxis etabliert, zumal die Komposition zu seinen ersten Aufträgen gehörte. Erst nach seiner Rückkehr aus Italien richtete er seine Werkstatt im Alcázar von Madrid in einem Raum der Galeria del Cierzo ein, was durch die Anwesenheit seiner ersten Gehilfen belegt wird, von denen einer, Juan Bautista Martínez del Mazo, sein Schwiegersohn werden sollte. Um 1625, als das vorliegende Gemälde offenbar in Auftrag gegeben wurde, hatte sich vermutlich bereits eine Arbeitsroutine der Künstler im königlichen Atelier des Alcázar eingebürgert. Auf Grundlage eines vom Meister entwickelten und gemalten Prototyps fertigten sie Varianten des königlichen Bildes an, die im Inland und vor allem im Ausland als diplomatische Geschenke verschickt wurden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Velázquez selbst diese königlichen Porträts, die für ausländische Höfe bestimmt waren, in der Endphase ihrer Ausführung beaufsichtigt und überarbeitet hat, was im Falle des vorliegenden Gemäldes naheliegend wäre.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024