Lot Nr. 78


Römische Schule, um 1625


Die heilige Agatha,
Öl auf Leinwand, 99 x 84 cm, gerahmt

Die ekstatische Figur der heiligen Agatha mit ihren zum Himmel gerichteten Augen, die ohne jede Dramatik oder Erregung die Spuren ihres Martyriums zur Schau stellt, ist von Guido Renis Darstellungen weiblicher Heiliger inspiriert. Das Gemälde scheint Renis berühmtem Vorbild der Lukrezia besonders nahe zu stehen, das 1624 im Inventarverzeichnis der Sammlung Patrizi in Rom verzeichnet wurde und derzeit nicht auffindbar, aber durch zwei spätere Fassungen bekannt ist (siehe S. Pepper, Guido Reni. L‘opera completa, Novara 1988, Nr. 134, S. 277 und Appendix 1, Nr. 22, S. 333). Auch andere Werke Renis aus den 1620er-Jahren sind mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar, etwa die Gemälde der Kleopatra und der Lukrezia in Sanssouci, Potsdam, und die Porcia in der Sammlung Durazzo-Pallavicini in Genua (Pepper 1988, Nr. 87, 89).

Die Farbwahl der vorliegenden Komposition und die Art und Weise, wie die Stoffe und Faltenwürfe gestaltet sind, erinnern jedoch an den Pariser Künstler Simon Vouet, der 1613 in die päpstliche Hauptstadt kam, um erst nach vielen Jahren, 1627, nach Frankreich zurückzukehren. Unsere Heilige Agatha ist vergleichbar mit den monumentalen Figuren des großen Gemäldes Die Geburt der Jungfrau, das Vouet um 1620 für die römische Kirche San Francesco a Ripa malte (Simon Vouet. Les années italiennes, 1613/1627, Ausstellungskatalog, Paris 2008, Kat.-Nr. 18, S. 119).

Vouets Stil seiner italienischen Periode wurde, gemildert durch die Interpretation von Bartolomeo Manfredi und Orazio Borgianni, von den Werken Caravaggios beeinflusst, aber auch von den großen emilianischen in Rom tätigen Meistern, insbesondere von Guido Reni und Guercino. Der Maler schenkte auch den in der Stadt tätigen niederländischen Künstlern wie Gerrit van Honthorst Aufmerksamkeit.

Der französische Künstler war auch eng mit Artemisia Gentileschi verbunden, die er 1620 in Rom kennenlernte. In den folgenden Jahren verkehrten die beiden Künstler im Kreis von Cassiano Dal Pozzo; ihre Freundschaft belegt das von Vouet 1623 gemalte Porträt Artemisias, das sich heute in der Fondazione Pisa befindet (siehe F. Solinas, Simon Vouet e il ritratto di Artemisia, Rom 2019).

In dieser römischen Periode gelangten Vouet und Artemisia in ihren Gemälden zu ähnlichen stilistischen Resultaten. Ihre Werke sind durch einen starken Naturalismus, eine Vorliebe für dramatische Lichteffekte und farbenfrohe, aufwendige Kostüme gekennzeichnet, wie beispielsweise Artemisias Gemälde der Lukrezia aus der Sammlung Etro und Vouets derselben Protagonistin gewidmetes Werk, das sich heute in der Nationalgalerie in Prag befindet (Inv.-Nr. O 14162; für einen Vergleich der beiden Werke siehe Orazio und Artemisia Gentileschi, hg. von K. Christiansen und J. W. Mann, Ausstellungskatalog, Kat.-Nr. 67, S. 361-364). Das vorliegende Leinwandbild weist stilistische Ähnlichkeiten auf, sodass es in denselben Kontext eingeordnet werden kann.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 33.800,-
Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 30.000,-

Römische Schule, um 1625


Die heilige Agatha,
Öl auf Leinwand, 99 x 84 cm, gerahmt

Die ekstatische Figur der heiligen Agatha mit ihren zum Himmel gerichteten Augen, die ohne jede Dramatik oder Erregung die Spuren ihres Martyriums zur Schau stellt, ist von Guido Renis Darstellungen weiblicher Heiliger inspiriert. Das Gemälde scheint Renis berühmtem Vorbild der Lukrezia besonders nahe zu stehen, das 1624 im Inventarverzeichnis der Sammlung Patrizi in Rom verzeichnet wurde und derzeit nicht auffindbar, aber durch zwei spätere Fassungen bekannt ist (siehe S. Pepper, Guido Reni. L‘opera completa, Novara 1988, Nr. 134, S. 277 und Appendix 1, Nr. 22, S. 333). Auch andere Werke Renis aus den 1620er-Jahren sind mit dem vorliegenden Gemälde vergleichbar, etwa die Gemälde der Kleopatra und der Lukrezia in Sanssouci, Potsdam, und die Porcia in der Sammlung Durazzo-Pallavicini in Genua (Pepper 1988, Nr. 87, 89).

Die Farbwahl der vorliegenden Komposition und die Art und Weise, wie die Stoffe und Faltenwürfe gestaltet sind, erinnern jedoch an den Pariser Künstler Simon Vouet, der 1613 in die päpstliche Hauptstadt kam, um erst nach vielen Jahren, 1627, nach Frankreich zurückzukehren. Unsere Heilige Agatha ist vergleichbar mit den monumentalen Figuren des großen Gemäldes Die Geburt der Jungfrau, das Vouet um 1620 für die römische Kirche San Francesco a Ripa malte (Simon Vouet. Les années italiennes, 1613/1627, Ausstellungskatalog, Paris 2008, Kat.-Nr. 18, S. 119).

Vouets Stil seiner italienischen Periode wurde, gemildert durch die Interpretation von Bartolomeo Manfredi und Orazio Borgianni, von den Werken Caravaggios beeinflusst, aber auch von den großen emilianischen in Rom tätigen Meistern, insbesondere von Guido Reni und Guercino. Der Maler schenkte auch den in der Stadt tätigen niederländischen Künstlern wie Gerrit van Honthorst Aufmerksamkeit.

Der französische Künstler war auch eng mit Artemisia Gentileschi verbunden, die er 1620 in Rom kennenlernte. In den folgenden Jahren verkehrten die beiden Künstler im Kreis von Cassiano Dal Pozzo; ihre Freundschaft belegt das von Vouet 1623 gemalte Porträt Artemisias, das sich heute in der Fondazione Pisa befindet (siehe F. Solinas, Simon Vouet e il ritratto di Artemisia, Rom 2019).

In dieser römischen Periode gelangten Vouet und Artemisia in ihren Gemälden zu ähnlichen stilistischen Resultaten. Ihre Werke sind durch einen starken Naturalismus, eine Vorliebe für dramatische Lichteffekte und farbenfrohe, aufwendige Kostüme gekennzeichnet, wie beispielsweise Artemisias Gemälde der Lukrezia aus der Sammlung Etro und Vouets derselben Protagonistin gewidmetes Werk, das sich heute in der Nationalgalerie in Prag befindet (Inv.-Nr. O 14162; für einen Vergleich der beiden Werke siehe Orazio und Artemisia Gentileschi, hg. von K. Christiansen und J. W. Mann, Ausstellungskatalog, Kat.-Nr. 67, S. 361-364). Das vorliegende Leinwandbild weist stilistische Ähnlichkeiten auf, sodass es in denselben Kontext eingeordnet werden kann.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
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Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

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