Lot Nr. 133


Thomas Patch


(Exeter 1725–1782 Florenz)
Der Arno mit Blick auf den Ponte Santa Trinitá in Florenz,
Öl auf Leinwand, 95,2 x 129,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Adelsbesitz, Florenz und Neapel, 19. Jahrhundert;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Wir danken Hugh Belsey, der die Zuschreibung bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Thomas Patch begab sich in Begleitung von Richard Dalton, dem späteren Bibliothekar von Georg III. von Großbritannien, von Exeter nach Italien „auf Wanderschaft“ und kam 1747 in Rom an. Dort ließ er sich bei dem französischen Künstler Claude-Joseph Vernet zum Maler ausbilden. Sein frühestes Schaffen steht dem dekorativen Stil seines Lehrers nahe: Dargestellt sind dort felsige Hafenszenen, die gelegentlich von einem Leuchtturm oder einer antiken Ruine flankiert werden. Während seines Aufenthalts in Rom hielt er einige der bekanntesten antiken Stätten der Stadt und ihres Umlandes fest. 1755 gab man ihm 24 Stunden Zeit, um die Stadt zu verlassen, nachdem er von der Inquisition der Homosexualität beschuldigt worden war. Er floh nach Florenz, wo er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1782 niederließ.

Die Stadt Venedig hatte eine reiche und vielfältige Tradition topografischer Malerei aufzuweisen; Rom wurde in den Gemälden Paninis und den Druckgrafiken Piranesis dargestellt. Florenz war von Giuseppe Zocchi in Zeichnungen und gelegentlich auch in Gemälden festgehalten worden; seine 1744 veröffentlichte Serie von 24 gestochenen Ansichten der Stadt war so gefragt, dass sie zehn Jahre später neu aufgelegt wurde. Sie umfasste sechs Ansichten des Flusses Arno und mehrere Panoramen florentinischer Plätze und Feste. Die Stadtansichten erfreuten sich bei den Bildungsreisenden, die Florenz besuchten, großer Beliebtheit, und Thomas Patch, der über Wissensdurst und Intelligenz verfügte, erkannte eine Chance für sich als Vedutist. In einem Brief beschrieb er diese Tätigkeit als „Abrissmalerei“ und als die für ihn einfachste Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit seinen Darstellungen von Florenz und dem Handel mit Kunstwerken – sowohl aus der Antike als auch aus der Renaissance – finanzierte er sein wissenschaftliches Interesse an der Physiognomie und deren humoristischer Umsetzung als Karikatur, woraufhin er eine Reihe von Illustrationen von Zusammenkünften britischer Kavaliersreisender schuf. In den 1770er-Jahren begann er ein ehrgeiziges Projekt zur Erfassung der Werke florentinischer Künstler des Quattrocento wie Giotto und Masaccio, die er in detaillierten Radierungen, teils Weichgrundätzungen, kopierte und in einer Reihe von Foliobänden veröffentlichte.

Patchs Arbeiten als topografischer Künstler sind in den letzten Jahren immer populärer geworden. Seine Ansichten zeigen häufig dieselbe Szenerie. In diese hat er Figurengruppen eingefügt, die oft mit einem Hauch von Humorismus versehen waren, um für Kurzweil zu sorgen. Diese „Abrissmalerei“ zeigt zumeist den Ponte Santa Trinità flussaufwärts oder den Ponte alla Carraia flussabwärts von der Arnopromenade aus gesehen – Szenen, in denen sich Granden, Kutschen und Diener tummeln und Boote mit Fahnen am Bug, beladen mit gestikulierenden Passagieren, dahinfahren. Der Dom, der vom Standpunkt des vorliegenden Gemäldes aus nicht zu sehen ist, und der Turm des Palazzo del Gran Duca (heute Palazzo Vecchio) überragen die Gebäude am Ufer und garantieren Abwechslung und Wiedererkennungswert. Das vorliegende Gemälde zeigt allerdings eine ganz andere Ansicht.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich vermutlich um eine der frühesten von Patch gemalten Ansichten des Arno. Technisch gesehen ist die Umsetzung der Figuren weniger versiert als bei späteren Beispielen, und es besteht eine gewisse Verwandtschaft mit den Ansichten des Ponte Lucano, des Grabmals der Caecilia Metella und des Grabes der Horatii und Curatii (zwei dieser Werke befinden sich in der Sammlung der Lewis Walpole Library in Farmington, Connecticut), die scheinbar in eine Landschaft verpflanzt wurden, die an die Gegend von Fiesole am nördlichen Stadtrand von Florenz erinnert. Der Blick scheint vom Ponte Vecchio nach Westen (flussabwärts) zum Ponte Santa Trinita gerichtet, einer Brücke, die ursprünglich zwischen 1567 und 1570 von Bartolomeo Ammannati in Absprache mit Michelangelo errichtet wurde. Im Schatten auf der linken Seite des Bildes ist die Rückseite des Palazzo Frescobaldi zu sehen, der durch die Zusammenlegung mehrerer mittelalterlicher Gebäude im 17. Jahrhundert entstand. Im 13. Jahrhundert waren die Frescobaldi für die Finanzierung der ersten Brücke an dieser Stelle des Flusses verantwortlich. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich der Lungarno degli Acciaioli mit stuckverzierten terrakottafarbenen, cremeweißen und zartgrauen Gebäuden, akzentuiert von scharfkantigen Schatten. Auf der anderen Seite der Brücke steht der Palazzo Corsini, der häufig in Patchs Ansichten des Flusses mit Blick in die entgegengesetzte Richtung dargestellt ist. Belegt sind mindestens neun Gemälde, die flussaufwärts gerichtete Ansichten der Brücke wiedergeben. Das bekannteste ist vielleicht das Gemälde, das sich einst in Broughton House in North Yorkshire befand (Nr. 49 in der Ausstellung Masterpieces from Yorkshire Houses, York City Art Gallery, Januar – März 1994). Das Gemälde findet sich häufig als Pendant einer den Blick flussabwärts in Richtung Ponte alla Carraia richtenden Ansicht, die Zocchi nicht in seine Stichsammlung aufnahm (die Spencer Museum of Art, University of Kansas, Lawrence, verwahrt mit Kat.-Nr. 55.85 das ansprechendste Beispiel dieser Ansicht).

Es ist nicht bekannt, wie Patch seine topografischen Ansichten schuf. Fertigte er vielleicht mithilfe einer Camera obscura detaillierte topografische Zeichnungen an? Zwar könnte dies der Fall gewesen sein, doch scheint er einen Prototyp als Grundlage für seine Flussansichten verwendet zu haben. Für die vorliegende Ansicht scheint es unwahrscheinlich, dass Patch ein Boot benutzte, von dem aus er eine Skizze anfertigte. Wahrscheinlicher ist, dass er in der Mitte des Ponte Vecchio stand und festhielt, was er sah, während er flussabwärts blickte. Von seinen bekannten Ansichten des Arno ist dies das einzige Bild, das einen direkt am Fluss entlang führenden Blick zeigt. Alle anderen verweisen auf einen Standpunkt an einem der beiden Ufer. Womöglich wünschte der Auftraggeber diese besondere Ansicht, weil er vielleicht eine besondere Beziehung zu diesem Flussabschnitt hatte. Es scheint logisch anzunehmen, dass es für ihn bzw. Patch einen besonderen Grund gegeben haben muss, von Zocchis gestochener Ansicht des Ponte Santa Trinità vom Lungarno Guicciardini aus abzuweichen. Es handelt sich hier um eine sehr detaillierte Studie, die von der Bereitschaft zeugt, einen wichtigen Auftraggeber zufriedenzustellen – ein Schritt, zu dem er in seinen frühen Florentiner Jahren vielleicht leichter zu überreden war.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 91.000,-
Schätzwert:
EUR 70.000,- bis EUR 100.000,-

Thomas Patch


(Exeter 1725–1782 Florenz)
Der Arno mit Blick auf den Ponte Santa Trinitá in Florenz,
Öl auf Leinwand, 95,2 x 129,5 cm, gerahmt

Provenienz:
Adelsbesitz, Florenz und Neapel, 19. Jahrhundert;
Weitergabe im Erbgang an den jetzigen Besitzer

Wir danken Hugh Belsey, der die Zuschreibung bestätigt hat, für seine Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots.

Thomas Patch begab sich in Begleitung von Richard Dalton, dem späteren Bibliothekar von Georg III. von Großbritannien, von Exeter nach Italien „auf Wanderschaft“ und kam 1747 in Rom an. Dort ließ er sich bei dem französischen Künstler Claude-Joseph Vernet zum Maler ausbilden. Sein frühestes Schaffen steht dem dekorativen Stil seines Lehrers nahe: Dargestellt sind dort felsige Hafenszenen, die gelegentlich von einem Leuchtturm oder einer antiken Ruine flankiert werden. Während seines Aufenthalts in Rom hielt er einige der bekanntesten antiken Stätten der Stadt und ihres Umlandes fest. 1755 gab man ihm 24 Stunden Zeit, um die Stadt zu verlassen, nachdem er von der Inquisition der Homosexualität beschuldigt worden war. Er floh nach Florenz, wo er sich bis zu seinem Tod im Jahr 1782 niederließ.

Die Stadt Venedig hatte eine reiche und vielfältige Tradition topografischer Malerei aufzuweisen; Rom wurde in den Gemälden Paninis und den Druckgrafiken Piranesis dargestellt. Florenz war von Giuseppe Zocchi in Zeichnungen und gelegentlich auch in Gemälden festgehalten worden; seine 1744 veröffentlichte Serie von 24 gestochenen Ansichten der Stadt war so gefragt, dass sie zehn Jahre später neu aufgelegt wurde. Sie umfasste sechs Ansichten des Flusses Arno und mehrere Panoramen florentinischer Plätze und Feste. Die Stadtansichten erfreuten sich bei den Bildungsreisenden, die Florenz besuchten, großer Beliebtheit, und Thomas Patch, der über Wissensdurst und Intelligenz verfügte, erkannte eine Chance für sich als Vedutist. In einem Brief beschrieb er diese Tätigkeit als „Abrissmalerei“ und als die für ihn einfachste Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mit seinen Darstellungen von Florenz und dem Handel mit Kunstwerken – sowohl aus der Antike als auch aus der Renaissance – finanzierte er sein wissenschaftliches Interesse an der Physiognomie und deren humoristischer Umsetzung als Karikatur, woraufhin er eine Reihe von Illustrationen von Zusammenkünften britischer Kavaliersreisender schuf. In den 1770er-Jahren begann er ein ehrgeiziges Projekt zur Erfassung der Werke florentinischer Künstler des Quattrocento wie Giotto und Masaccio, die er in detaillierten Radierungen, teils Weichgrundätzungen, kopierte und in einer Reihe von Foliobänden veröffentlichte.

Patchs Arbeiten als topografischer Künstler sind in den letzten Jahren immer populärer geworden. Seine Ansichten zeigen häufig dieselbe Szenerie. In diese hat er Figurengruppen eingefügt, die oft mit einem Hauch von Humorismus versehen waren, um für Kurzweil zu sorgen. Diese „Abrissmalerei“ zeigt zumeist den Ponte Santa Trinità flussaufwärts oder den Ponte alla Carraia flussabwärts von der Arnopromenade aus gesehen – Szenen, in denen sich Granden, Kutschen und Diener tummeln und Boote mit Fahnen am Bug, beladen mit gestikulierenden Passagieren, dahinfahren. Der Dom, der vom Standpunkt des vorliegenden Gemäldes aus nicht zu sehen ist, und der Turm des Palazzo del Gran Duca (heute Palazzo Vecchio) überragen die Gebäude am Ufer und garantieren Abwechslung und Wiedererkennungswert. Das vorliegende Gemälde zeigt allerdings eine ganz andere Ansicht.

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich vermutlich um eine der frühesten von Patch gemalten Ansichten des Arno. Technisch gesehen ist die Umsetzung der Figuren weniger versiert als bei späteren Beispielen, und es besteht eine gewisse Verwandtschaft mit den Ansichten des Ponte Lucano, des Grabmals der Caecilia Metella und des Grabes der Horatii und Curatii (zwei dieser Werke befinden sich in der Sammlung der Lewis Walpole Library in Farmington, Connecticut), die scheinbar in eine Landschaft verpflanzt wurden, die an die Gegend von Fiesole am nördlichen Stadtrand von Florenz erinnert. Der Blick scheint vom Ponte Vecchio nach Westen (flussabwärts) zum Ponte Santa Trinita gerichtet, einer Brücke, die ursprünglich zwischen 1567 und 1570 von Bartolomeo Ammannati in Absprache mit Michelangelo errichtet wurde. Im Schatten auf der linken Seite des Bildes ist die Rückseite des Palazzo Frescobaldi zu sehen, der durch die Zusammenlegung mehrerer mittelalterlicher Gebäude im 17. Jahrhundert entstand. Im 13. Jahrhundert waren die Frescobaldi für die Finanzierung der ersten Brücke an dieser Stelle des Flusses verantwortlich. Am gegenüberliegenden Ufer befindet sich der Lungarno degli Acciaioli mit stuckverzierten terrakottafarbenen, cremeweißen und zartgrauen Gebäuden, akzentuiert von scharfkantigen Schatten. Auf der anderen Seite der Brücke steht der Palazzo Corsini, der häufig in Patchs Ansichten des Flusses mit Blick in die entgegengesetzte Richtung dargestellt ist. Belegt sind mindestens neun Gemälde, die flussaufwärts gerichtete Ansichten der Brücke wiedergeben. Das bekannteste ist vielleicht das Gemälde, das sich einst in Broughton House in North Yorkshire befand (Nr. 49 in der Ausstellung Masterpieces from Yorkshire Houses, York City Art Gallery, Januar – März 1994). Das Gemälde findet sich häufig als Pendant einer den Blick flussabwärts in Richtung Ponte alla Carraia richtenden Ansicht, die Zocchi nicht in seine Stichsammlung aufnahm (die Spencer Museum of Art, University of Kansas, Lawrence, verwahrt mit Kat.-Nr. 55.85 das ansprechendste Beispiel dieser Ansicht).

Es ist nicht bekannt, wie Patch seine topografischen Ansichten schuf. Fertigte er vielleicht mithilfe einer Camera obscura detaillierte topografische Zeichnungen an? Zwar könnte dies der Fall gewesen sein, doch scheint er einen Prototyp als Grundlage für seine Flussansichten verwendet zu haben. Für die vorliegende Ansicht scheint es unwahrscheinlich, dass Patch ein Boot benutzte, von dem aus er eine Skizze anfertigte. Wahrscheinlicher ist, dass er in der Mitte des Ponte Vecchio stand und festhielt, was er sah, während er flussabwärts blickte. Von seinen bekannten Ansichten des Arno ist dies das einzige Bild, das einen direkt am Fluss entlang führenden Blick zeigt. Alle anderen verweisen auf einen Standpunkt an einem der beiden Ufer. Womöglich wünschte der Auftraggeber diese besondere Ansicht, weil er vielleicht eine besondere Beziehung zu diesem Flussabschnitt hatte. Es scheint logisch anzunehmen, dass es für ihn bzw. Patch einen besonderen Grund gegeben haben muss, von Zocchis gestochener Ansicht des Ponte Santa Trinità vom Lungarno Guicciardini aus abzuweichen. Es handelt sich hier um eine sehr detaillierte Studie, die von der Bereitschaft zeugt, einen wichtigen Auftraggeber zufriedenzustellen – ein Schritt, zu dem er in seinen frühen Florentiner Jahren vielleicht leichter zu überreden war.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.