Lot Nr. 1147


Böttger Pagode, Meissen um 1720


Böttgerporzellan, glasiert und teilvergoldet, hohl gearbeitete Figur eines glatzköpfigen sitzenden Mannes mit unterschlagenem linken Bein, die rechte Hand auf das aufgestellte Knie gelegt und das linke Bein unterschlagen, das robenartige Gewand entblößt die Schultern, die Brust und den Bauch, der Mund ist weit lachend geöffnet, Pupillen, Zähne und Haarbüschel hinter den Ohren und zwei Halsketten in Teilvergoldung, sowie Gewandsaum, stilisierte Blatt- und Sternornamente auf dem Gewand und Scheitel des Kopfes, Höhe 9 cm, ungemarkt, Vergoldung berieben, (GO)

Die Erstausformung dieser Figur in Böttgersteinzeug wird Ende des Jahres 1711 oder kurz danach datiert und wird dem Bildhauer und Permoserschüler Johann Joachim Kretschmar oder dem Hofbildhauer Johann Benjamin Thomae zugeschrieben. Rasch ab 1713 wurden sie in dem von Böttger neu entwickeltem weißen Hartporzellan ausgeführt. Diese kleinformatige Figuren waren sehr beliebt und nach Böttgers Tod 1719 finden sich noch „40 Stck. kleine Pagoden“ im Lager der Albrechtsburg. Auch wurden 1719 eine Vielzahl weiterer Pagoden im Warenlager für die Messe in Leipzig vermerkt und unterstreicht, dass auch Nachfrage am bürgerlichen Markt bestand. Der Erfolg dieser Figur hielt ungefähr zwei Jahrzehnte an, wie sich an den insgesamt mehr als 1.600 gefertigten Pagoden, die in den Arbeitsberichten zwischen 1722–1728 erwähnt werden, abzulesen ist.
Der Zweck dieser Figur ist zunächst scheinbar recht profan, da diese als Räuchergefäße genutzt wurden und werden im Inventar des Japanischen Palais klar mit der Bezeichnung „Zehn sitzende Pagoden, so zum Räucheren Dienen“ benannt.
Die Formgestaltung und der Nutzen sind jedoch exemplarisches Zeugnis des Einflusses der chinesischen und japanischen Importporzellane in Gebrauch und Stil. Asiatische Räuchergefäße, auch in der Form von Miniaturarchitekturen, wie eben des Gebäudetypus der Pagode, waren in Europa bekannt und wurden für diesen Zweck benützt. Dies erklärt den Begriff Pagode bzw. Räucherpagode für diesen Figurentypus.
Motive des Räucherns als typisch asiatisches Ritual oder zur religiösen Reinigung finden sich ebenfalls variiert in den Malereien der späteren Höroldt Werkstatt.
Diese Vorstellungswelten des fernen Asiens, die als vielfältige Inspirationen für die frühen Meissner Porzellane in Form und Dekor dienten, wurden in Europa in den bildenden Künsten und Literatur, als ein paradiesischer Ort beschrieben. So entwickelt sich das Bild Asiens, als ein exotischer Ort in dessen Alltag man sich hauptsächlich mit der Herstellung und dem Gebrauch, der durch Import bekannten Luxusprodukte, wie Seide, Tee, Porzellan und anderen Schönen Künsten, wie der Philosophie, beschäftigte.
Die karikaturesken und bewusst den europäischen Konventionen der Ästhetik widersprechenden Gestaltung dieser Porzellanfigur mit entblößter Brust, Glatze, weit geöffneten Mund und den detailliert herausgearbeiteten Zähnen, lehnt sich generell an das Vorbild eines chinesischen Heiligen, wie den Bodhisattva Budai oder den Glücksgott „Pu-tai-Ho-shang, an.

Provenienz:
Wiener Privatbesitz

Lit.:
Santagelo, Maria (Hsrg.): A Princley Pursuit. The Malcom Grutter Collection of Early Meissen Porcelain, San Francisco/ München 2018, S. 62–67.
Kat. Ausst.: The Arnhold Collection of Meissen Porcelain 1710–50, London 2008, S. 238–239.

Experte: M.A. Georg Ottomeyer M.A. Georg Ottomeyer
+43-1-515 60-538

georg.ottomeyer@dorotheum.at

25.04.2024 - 13:00

Erzielter Preis: **
EUR 10.400,-
Schätzwert:
EUR 8.000,- bis EUR 12.000,-

Böttger Pagode, Meissen um 1720


Böttgerporzellan, glasiert und teilvergoldet, hohl gearbeitete Figur eines glatzköpfigen sitzenden Mannes mit unterschlagenem linken Bein, die rechte Hand auf das aufgestellte Knie gelegt und das linke Bein unterschlagen, das robenartige Gewand entblößt die Schultern, die Brust und den Bauch, der Mund ist weit lachend geöffnet, Pupillen, Zähne und Haarbüschel hinter den Ohren und zwei Halsketten in Teilvergoldung, sowie Gewandsaum, stilisierte Blatt- und Sternornamente auf dem Gewand und Scheitel des Kopfes, Höhe 9 cm, ungemarkt, Vergoldung berieben, (GO)

Die Erstausformung dieser Figur in Böttgersteinzeug wird Ende des Jahres 1711 oder kurz danach datiert und wird dem Bildhauer und Permoserschüler Johann Joachim Kretschmar oder dem Hofbildhauer Johann Benjamin Thomae zugeschrieben. Rasch ab 1713 wurden sie in dem von Böttger neu entwickeltem weißen Hartporzellan ausgeführt. Diese kleinformatige Figuren waren sehr beliebt und nach Böttgers Tod 1719 finden sich noch „40 Stck. kleine Pagoden“ im Lager der Albrechtsburg. Auch wurden 1719 eine Vielzahl weiterer Pagoden im Warenlager für die Messe in Leipzig vermerkt und unterstreicht, dass auch Nachfrage am bürgerlichen Markt bestand. Der Erfolg dieser Figur hielt ungefähr zwei Jahrzehnte an, wie sich an den insgesamt mehr als 1.600 gefertigten Pagoden, die in den Arbeitsberichten zwischen 1722–1728 erwähnt werden, abzulesen ist.
Der Zweck dieser Figur ist zunächst scheinbar recht profan, da diese als Räuchergefäße genutzt wurden und werden im Inventar des Japanischen Palais klar mit der Bezeichnung „Zehn sitzende Pagoden, so zum Räucheren Dienen“ benannt.
Die Formgestaltung und der Nutzen sind jedoch exemplarisches Zeugnis des Einflusses der chinesischen und japanischen Importporzellane in Gebrauch und Stil. Asiatische Räuchergefäße, auch in der Form von Miniaturarchitekturen, wie eben des Gebäudetypus der Pagode, waren in Europa bekannt und wurden für diesen Zweck benützt. Dies erklärt den Begriff Pagode bzw. Räucherpagode für diesen Figurentypus.
Motive des Räucherns als typisch asiatisches Ritual oder zur religiösen Reinigung finden sich ebenfalls variiert in den Malereien der späteren Höroldt Werkstatt.
Diese Vorstellungswelten des fernen Asiens, die als vielfältige Inspirationen für die frühen Meissner Porzellane in Form und Dekor dienten, wurden in Europa in den bildenden Künsten und Literatur, als ein paradiesischer Ort beschrieben. So entwickelt sich das Bild Asiens, als ein exotischer Ort in dessen Alltag man sich hauptsächlich mit der Herstellung und dem Gebrauch, der durch Import bekannten Luxusprodukte, wie Seide, Tee, Porzellan und anderen Schönen Künsten, wie der Philosophie, beschäftigte.
Die karikaturesken und bewusst den europäischen Konventionen der Ästhetik widersprechenden Gestaltung dieser Porzellanfigur mit entblößter Brust, Glatze, weit geöffneten Mund und den detailliert herausgearbeiteten Zähnen, lehnt sich generell an das Vorbild eines chinesischen Heiligen, wie den Bodhisattva Budai oder den Glücksgott „Pu-tai-Ho-shang, an.

Provenienz:
Wiener Privatbesitz

Lit.:
Santagelo, Maria (Hsrg.): A Princley Pursuit. The Malcom Grutter Collection of Early Meissen Porcelain, San Francisco/ München 2018, S. 62–67.
Kat. Ausst.: The Arnhold Collection of Meissen Porcelain 1710–50, London 2008, S. 238–239.

Experte: M.A. Georg Ottomeyer M.A. Georg Ottomeyer
+43-1-515 60-538

georg.ottomeyer@dorotheum.at


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 09.00 - 18.00
kundendienst@dorotheum.at

+43 1 515 60 200
Auktion: Möbel, Antiquitäten, Glas & Porzellan
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 25.04.2024 - 13:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. -25.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer

Es können keine Kaufaufträge über Internet mehr abgegeben werden. Die Auktion befindet sich in Vorbereitung bzw. wurde bereits durchgeführt.