Lot Nr. 258


Peter Paul Rubens Werkstatt


Peter Paul Rubens Werkstatt - Alte Meister II

(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Die Bekehrung des heiligen Paulus,
Öl auf Leinwand, 89 x 113 cm, gerahmt

Provenienz:
(vermutlich) Privatsammlung, Belgien, seit 5. Januar 1944 (als Jacob Jordaens);
Auktion, Marnix, Antwerpen, 2. Dezember 1964 (als Jacob Jordaens);
Privatsammlung, Belgien, seit 1986

Ausgestellt:
Antwerpen, Rubenshuis, 20. März 2012 – 20. März 2017 (Leihgabe, Inv.-Nr. RH.LBI.2012.005, als Peter Paul Rubens und Werkstatt)

Das vorliegende Werk ist in der Datenbank des RKD unter Nr. 240131 registriert (als Werkstatt des Peter Paul Rubens).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine Fassung von Peter Paul Rubens’ Bekehrung des heiligen Paulus. Die eigenhändige Komposition wurde erstmals 1964 von Justus Müller Hofstede aufgrund einer Erwähnung im Inventarverzeichnis von 1640 des Bürgermeisters von Antwerpen Nicolaes Rockox identifiziert und von ihm um 1602 datiert. Dieses Bild befindet sich heute in der Sammlung des Fürsten von und zu Liechtenstein (72 x 103 cm, Inv.-Nr. GE40). Die Kopie eines Gutachtens vom 27. März 1986, in dem Müller Hofstede das vorliegende Gemälde Rubens zuschreibt, liegt diesem Lot bei, doch halten zeitgenössische Wissenschaftler es als Arbeit von Rubens’ Werkstatt.

Während Hofstede die Komposition in die Zeit von Rubens’ Italienaufenthalt datiert, wo ihn Michelangelos Fresko desselben Bildthemas im Vatikan beeinflusst haben soll, schlägt David Jaffé eine frühere Datierung des Bildes der Sammlung Liechtenstein in die späten 1590er-Jahre vor (siehe D. Jaffé, in: Rubens and the Birth of the Baroque, Mailand 2016, S. 64). Rubens wurde 1598 Meister der Antwerpener Lukasgilde. Er scheint in der Stadt bis zu seinem Aufbruch nach Italien im Jahr 1600 eine Werkstatt geführt zu haben, doch die Identität seiner damaligen Mitarbeiter ist nicht überliefert. Der Malgrund Eiche des liechtensteinischen Bildes weist ebenfalls auf eine Ausführung im Norden hin.

Mit seiner bewegten Figurenanordnung, dramatischen atmosphärischen Wirkung und Neuinterpretation unterschiedlicher Bildquellen ist das vorliegende Werk eine typisch überschwängliche Antwort des jungen Rubens auf die italienische Kunst, die noch in situ auf ihn wartete. Der frühreife junge Meister scheint hier aus Cornelis Corts Kupferstich desselben Bildthemas von 1576 (Metropolitan Museum, New York, Inv.-Nr. 56.601.349) nach einem Entwurf von Giulio Clovio geschöpft zu haben, aber auch, wie Jaffé annimmt, aus einem Kupferstich mit der Bekehrung des Paulus von 1579 der Peregrinationis Divi Pauli Typus Corographicus aus Abraham Ortellius’ Theatrum Orbis Terrarum.

Bemerkenswert an dem vorliegenden Gemälde sind der ausgeprägt muskulöse Rücken und die Beine des halbnackten Soldaten, der sich neben den Schenkeln des gestürzten Pferdes im Vordergrund über Saulus beugt, während dahinter eine Vielzahl ineinander verschlungener Figuren zu sehen sind. Sie gehören zu den frühesten Hinweisen auf Rubens’ Bestreben, Gefühl durch den menschlichen Körper in Verbindung mit Reitermotiven auszudrücken. Die drei hinter dem gefallenen Saulus aufragenden Kamelköpfe und die darüber von Christus ausgehende überwältigende Himmelsglut sind ebenfalls frühe Ausdrucksmittel, mit denen Rubens die emotionale Spannung hochzuschrauben suchte. Diese Effekte zeigen sich weiterentwickelt in Rubens’ späterer Bearbeitung desselben Bildthemas, ebenfalls auf Holz gemalt (95,2 x 120,7 cm) und mit einer Datierung um 1610–1612 in der Courtauld Gallery, London (Inv.-Nr. P.1978.PG.357) sowie dem um 1620 entstandenen und heute verlorenen Gemälde, das sich einst im Kaiser Friedrich Museum in Berlin befand.

Die vorliegende Tafel zeigt jenen Moment, in dem Saulus, ein griechisch gebildeter Jude, römischer Bürger und Verfolger der frühen Christen, auf der Straße nach Damaskus von seinem scheuenden Pferd abgeworfen wird. Geblendet vom Licht des Himmels und angesprochen durch die Stimme Gottes, wurde Saulus zum Christen, nahm den Namen Paulus an und trug maßgeblich zur Christianisierung von Nichtjuden bei.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

09.06.2021 - 16:21

Schätzwert:
EUR 25.000,- bis EUR 35.000,-

Peter Paul Rubens Werkstatt


(Siegen 1577–1640 Antwerpen)
Die Bekehrung des heiligen Paulus,
Öl auf Leinwand, 89 x 113 cm, gerahmt

Provenienz:
(vermutlich) Privatsammlung, Belgien, seit 5. Januar 1944 (als Jacob Jordaens);
Auktion, Marnix, Antwerpen, 2. Dezember 1964 (als Jacob Jordaens);
Privatsammlung, Belgien, seit 1986

Ausgestellt:
Antwerpen, Rubenshuis, 20. März 2012 – 20. März 2017 (Leihgabe, Inv.-Nr. RH.LBI.2012.005, als Peter Paul Rubens und Werkstatt)

Das vorliegende Werk ist in der Datenbank des RKD unter Nr. 240131 registriert (als Werkstatt des Peter Paul Rubens).

Bei dem vorliegenden Gemälde handelt es sich um eine Fassung von Peter Paul Rubens’ Bekehrung des heiligen Paulus. Die eigenhändige Komposition wurde erstmals 1964 von Justus Müller Hofstede aufgrund einer Erwähnung im Inventarverzeichnis von 1640 des Bürgermeisters von Antwerpen Nicolaes Rockox identifiziert und von ihm um 1602 datiert. Dieses Bild befindet sich heute in der Sammlung des Fürsten von und zu Liechtenstein (72 x 103 cm, Inv.-Nr. GE40). Die Kopie eines Gutachtens vom 27. März 1986, in dem Müller Hofstede das vorliegende Gemälde Rubens zuschreibt, liegt diesem Lot bei, doch halten zeitgenössische Wissenschaftler es als Arbeit von Rubens’ Werkstatt.

Während Hofstede die Komposition in die Zeit von Rubens’ Italienaufenthalt datiert, wo ihn Michelangelos Fresko desselben Bildthemas im Vatikan beeinflusst haben soll, schlägt David Jaffé eine frühere Datierung des Bildes der Sammlung Liechtenstein in die späten 1590er-Jahre vor (siehe D. Jaffé, in: Rubens and the Birth of the Baroque, Mailand 2016, S. 64). Rubens wurde 1598 Meister der Antwerpener Lukasgilde. Er scheint in der Stadt bis zu seinem Aufbruch nach Italien im Jahr 1600 eine Werkstatt geführt zu haben, doch die Identität seiner damaligen Mitarbeiter ist nicht überliefert. Der Malgrund Eiche des liechtensteinischen Bildes weist ebenfalls auf eine Ausführung im Norden hin.

Mit seiner bewegten Figurenanordnung, dramatischen atmosphärischen Wirkung und Neuinterpretation unterschiedlicher Bildquellen ist das vorliegende Werk eine typisch überschwängliche Antwort des jungen Rubens auf die italienische Kunst, die noch in situ auf ihn wartete. Der frühreife junge Meister scheint hier aus Cornelis Corts Kupferstich desselben Bildthemas von 1576 (Metropolitan Museum, New York, Inv.-Nr. 56.601.349) nach einem Entwurf von Giulio Clovio geschöpft zu haben, aber auch, wie Jaffé annimmt, aus einem Kupferstich mit der Bekehrung des Paulus von 1579 der Peregrinationis Divi Pauli Typus Corographicus aus Abraham Ortellius’ Theatrum Orbis Terrarum.

Bemerkenswert an dem vorliegenden Gemälde sind der ausgeprägt muskulöse Rücken und die Beine des halbnackten Soldaten, der sich neben den Schenkeln des gestürzten Pferdes im Vordergrund über Saulus beugt, während dahinter eine Vielzahl ineinander verschlungener Figuren zu sehen sind. Sie gehören zu den frühesten Hinweisen auf Rubens’ Bestreben, Gefühl durch den menschlichen Körper in Verbindung mit Reitermotiven auszudrücken. Die drei hinter dem gefallenen Saulus aufragenden Kamelköpfe und die darüber von Christus ausgehende überwältigende Himmelsglut sind ebenfalls frühe Ausdrucksmittel, mit denen Rubens die emotionale Spannung hochzuschrauben suchte. Diese Effekte zeigen sich weiterentwickelt in Rubens’ späterer Bearbeitung desselben Bildthemas, ebenfalls auf Holz gemalt (95,2 x 120,7 cm) und mit einer Datierung um 1610–1612 in der Courtauld Gallery, London (Inv.-Nr. P.1978.PG.357) sowie dem um 1620 entstandenen und heute verlorenen Gemälde, das sich einst im Kaiser Friedrich Museum in Berlin befand.

Die vorliegende Tafel zeigt jenen Moment, in dem Saulus, ein griechisch gebildeter Jude, römischer Bürger und Verfolger der frühen Christen, auf der Straße nach Damaskus von seinem scheuenden Pferd abgeworfen wird. Geblendet vom Licht des Himmels und angesprochen durch die Stimme Gottes, wurde Saulus zum Christen, nahm den Namen Paulus an und trug maßgeblich zur Christianisierung von Nichtjuden bei.

Experte: Damian Brenninkmeyer Damian Brenninkmeyer
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

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Auktion: Alte Meister II
Auktionstyp: Online Auction
Datum: 09.06.2021 - 16:21
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 29.05. - 08.06.2021