Lot Nr. 6 -


Marco d’Oggiono


(Oggiono um 1467–1524 Mailand)
Dornenkrönung,
Öl auf Holz, 45 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung Trivulzio, Mailand, Mitte 19. Jahrhundert;
Privatsammlung, bis 2011;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
vermutlich C. Cantù, Mailand e il suo territorio, Bd. II, Mailand 1844, S. 280 (als „un Salvatore mezza figura di Marco d’Oggiono“);
C. Geddo, Un inedito „Volto di Cristo“ di Marco d’Oggiono, Publikation in Vorbereitung

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots. Sie datiert das Werk in die Reifezeit des Künstlers um 1500–1505.

Bei der vorliegenden Tafel handelt es sich um eine Hinzufügung zum Schaffen von Marco d’Oggiono, einem der wichtigsten Nachfolger Leonardos in Mailand Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu seinen Lebzeiten wurde er für sein Talent und seinen Fleiß gepriesen und galt als einer der versiertesten Vertreter des Stils Leonardos. Zu seinen Förderern gehörte Giuliano della Rovere, der spätere Papst Julius II., der bei ihm in den Jahren 1500–1502 eine Reihe von Werken für Nostra Signora di Castello in Savona in Auftrag gab, darunter auch eine Fassung von Leonardos Felsgrottenmadonna, die sich heute im Castello Sforzesco in Mailand befindet.

Die vorliegende Komposition stellt Christus frontal vor dunklem Hintergrund dar; die Dornenkrone bohrt sich ihm in die Stirn. Das Gesicht ist durch ein starkes Helldunkel modelliert und von Schmerz gezeichnet. Mit den symmetrischen Zügen, dem dunklen Haar und dem Bart entspricht Christus dem Bildnis des Schweißtuchs der Veronika, jener Darstellung Jesu Christi, die nach der Kodifizierung der flämischen Malerei im 15. Jahrhundert als authentisches Porträt angesehen wurde, wofür etwa Beispiele von Jan van Eyck, Rogier van der Weyden und später Hans Memling und Dirk Bouts stehen.

Tatsächlich könnte sich die Darstellung Jesu mit geneigtem Kopf und Blick nach rechts auf einen verlorenen Prototyp von Dirk Bouts beziehen, der durch zahlreiche Versionen seiner Mitarbeiter bekannt ist, etwa durch ein Ecce-Homo-Darstellung in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG712). Eine weitere Version wird in der Pinacoteca di Varallo Sesia (als anonymer Maler des 15. Jahrhunderts) aufbewahrt und befand sich ursprünglich in der Mailänder Kirche Sacri Monti. Es ist naheliegend, dass Marco d’Oggiono dieses Werk kannte.

Das vorliegende Gemälde nimmt zudem Bezug auf ein Fresko von Ambrogio da Fossano, gen. Bergognone, in der Certosa di Pavia. Darüber hinaus kann die Physiognomie Christi im vorliegenden Werk mit einem weiteren Werk Marco d’Oggionos, dem jungen Salvator Mundi in der Galleria Borghese in Rom (Inv.-Nr. 435), verglichen werden, was vor allem in der Wiedergabe des Inkarnats sowie im Faltenwurf der roten Tunika deutlich wird.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Werk ist auf einer aus einem Stück bestehenden Tafel, vermutlich Pappelholz, gemalt. Sie ist subtangential geschnitten, weist eine Stärke von 1,7 bis 2 Zentimeter auf und ist gut erhalten. Der Maler erweist sich als befähigt, ein Gemälde von leonardesker Vollendung in dünnen Schichten Ölfarbe auf weißem Grund zu malen. Dabei stützt er sich auf eine Palette essenzieller Pigmente und eine vermutlich höchst akkurate Vorzeichnung. Tatsächlich verraten die IR-Bilder keinerlei Veränderung. Die Unterzeichnung ist in der Reflektografie fast völlig unsichtbar, wie es auch bei anderen Werken Marco d’Oggionos der Fall ist, vielleicht, weil sie extrem dünn ist und mit einem silbernen Metallstift oder Rötel – in Leonardos Mailänder Werkstatt damals weit verbreitet – oder auch einem anderen Material ausgeführt wurde, das trotz des breiten Spektrums der zum Einsatz kommenden IR-Strahlung nur schwer zu identifizieren ist. Sehr dünne grafische Spuren sind entlang des gelben Kragens des Gewandes zu sehen, während eine lange Parallelschraffur (bereits aus der Malphase?) im Bereich des Schattens zu lesen ist, den das Gewand auf die Brust wirft, umgesetzt in sorgfältigem Helldunkel, das im Wesentlichen mit schwarzem Pigment ausgeführt wurde.

Die vorbereitende Modellierung des Haars, für das im zuerst gemalten schwarzen Hintergrund ein Bereich ausgespart wurde, erfolgte mit großer Genauigkeit. Dabei reicht ein Teil des Haars in der Form mehrerer Lockensträhnen über den Hintergrund hinaus. Einige Locken, die in den Bereich des Inkarnats hineinreichen, wurden mit dunklen Pinselstrichen vermutlich in Schwarz ausgeführt, und ein mit einem nicht allzu dünnen Pinsel gemalter Kontur umreißt entlang der linken Seite der Figur Hals, Schultern sowie zum Teil das Gesicht. Die einzige kleine Ungenauigkeit betrifft die Iris, die in der Endphase leicht korrigiert wurde, um sie perfekt mittig zu platzieren.

Die synthetische Präzision zeichnet sich auch in der Wahl der Pigmente ab, indem der Maler für die Dornenkrone fein vermahlenes Schwarz und Bleiweiß den üblichen grünen Pigmenten vorzog, was letztlich ein dunkles, metallisches Graublau ergab. Die mikroskopische und spektrometrische Untersuchung hat gezeigt, dass das Inkarnat mit einer Mischung aus Bleiweiß, fein vermahlenem Zinnober, gelbem Ockern, wenigen Partikeln Rotlack und etwas Schwarz zur Dämpfung des Farbtons umgesetzt wurde. Gelborangefarbener Ocker, etwas Zinnober und vermutlich Mennige wurden für die gelblich-braune Einfassung des Gewandes verwendet. Rotlack kam über dem leuchtenden Rot des Zinnobers in den weichen Schatten des Gewandes zum Einsatz, verstärkt durch etwas Schwarz, wie es bei Leonardos Schülern üblich war. Bemerkenswert ist die Darstellung der Blutstropfen: ein Hauch von Zinnober für die hellen, Rotlack (höchstwahrscheinlich Krapplack) für die dunklen Stellen; der Schatten oberhalb der Haut wurde braun lasiert, um den Effekt von Dreidimensionalität zu erzielen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 226.000,-
Schätzwert:
EUR 50.000,- bis EUR 70.000,-

Marco d’Oggiono


(Oggiono um 1467–1524 Mailand)
Dornenkrönung,
Öl auf Holz, 45 x 34,5 cm, gerahmt

Provenienz:
vermutlich Sammlung Trivulzio, Mailand, Mitte 19. Jahrhundert;
Privatsammlung, bis 2011;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Literatur:
vermutlich C. Cantù, Mailand e il suo territorio, Bd. II, Mailand 1844, S. 280 (als „un Salvatore mezza figura di Marco d’Oggiono“);
C. Geddo, Un inedito „Volto di Cristo“ di Marco d’Oggiono, Publikation in Vorbereitung

Wir danken Cristina Geddo, die die Zuschreibung des vorliegenden Gemäldes nach dessen Prüfung im Original bestätigt hat, für ihre Hilfe bei der Katalogisierung dieses Lots. Sie datiert das Werk in die Reifezeit des Künstlers um 1500–1505.

Bei der vorliegenden Tafel handelt es sich um eine Hinzufügung zum Schaffen von Marco d’Oggiono, einem der wichtigsten Nachfolger Leonardos in Mailand Anfang des 16. Jahrhunderts. Zu seinen Lebzeiten wurde er für sein Talent und seinen Fleiß gepriesen und galt als einer der versiertesten Vertreter des Stils Leonardos. Zu seinen Förderern gehörte Giuliano della Rovere, der spätere Papst Julius II., der bei ihm in den Jahren 1500–1502 eine Reihe von Werken für Nostra Signora di Castello in Savona in Auftrag gab, darunter auch eine Fassung von Leonardos Felsgrottenmadonna, die sich heute im Castello Sforzesco in Mailand befindet.

Die vorliegende Komposition stellt Christus frontal vor dunklem Hintergrund dar; die Dornenkrone bohrt sich ihm in die Stirn. Das Gesicht ist durch ein starkes Helldunkel modelliert und von Schmerz gezeichnet. Mit den symmetrischen Zügen, dem dunklen Haar und dem Bart entspricht Christus dem Bildnis des Schweißtuchs der Veronika, jener Darstellung Jesu Christi, die nach der Kodifizierung der flämischen Malerei im 15. Jahrhundert als authentisches Porträt angesehen wurde, wofür etwa Beispiele von Jan van Eyck, Rogier van der Weyden und später Hans Memling und Dirk Bouts stehen.

Tatsächlich könnte sich die Darstellung Jesu mit geneigtem Kopf und Blick nach rechts auf einen verlorenen Prototyp von Dirk Bouts beziehen, der durch zahlreiche Versionen seiner Mitarbeiter bekannt ist, etwa durch ein Ecce-Homo-Darstellung in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG712). Eine weitere Version wird in der Pinacoteca di Varallo Sesia (als anonymer Maler des 15. Jahrhunderts) aufbewahrt und befand sich ursprünglich in der Mailänder Kirche Sacri Monti. Es ist naheliegend, dass Marco d’Oggiono dieses Werk kannte.

Das vorliegende Gemälde nimmt zudem Bezug auf ein Fresko von Ambrogio da Fossano, gen. Bergognone, in der Certosa di Pavia. Darüber hinaus kann die Physiognomie Christi im vorliegenden Werk mit einem weiteren Werk Marco d’Oggionos, dem jungen Salvator Mundi in der Galleria Borghese in Rom (Inv.-Nr. 435), verglichen werden, was vor allem in der Wiedergabe des Inkarnats sowie im Faltenwurf der roten Tunika deutlich wird.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das Werk ist auf einer aus einem Stück bestehenden Tafel, vermutlich Pappelholz, gemalt. Sie ist subtangential geschnitten, weist eine Stärke von 1,7 bis 2 Zentimeter auf und ist gut erhalten. Der Maler erweist sich als befähigt, ein Gemälde von leonardesker Vollendung in dünnen Schichten Ölfarbe auf weißem Grund zu malen. Dabei stützt er sich auf eine Palette essenzieller Pigmente und eine vermutlich höchst akkurate Vorzeichnung. Tatsächlich verraten die IR-Bilder keinerlei Veränderung. Die Unterzeichnung ist in der Reflektografie fast völlig unsichtbar, wie es auch bei anderen Werken Marco d’Oggionos der Fall ist, vielleicht, weil sie extrem dünn ist und mit einem silbernen Metallstift oder Rötel – in Leonardos Mailänder Werkstatt damals weit verbreitet – oder auch einem anderen Material ausgeführt wurde, das trotz des breiten Spektrums der zum Einsatz kommenden IR-Strahlung nur schwer zu identifizieren ist. Sehr dünne grafische Spuren sind entlang des gelben Kragens des Gewandes zu sehen, während eine lange Parallelschraffur (bereits aus der Malphase?) im Bereich des Schattens zu lesen ist, den das Gewand auf die Brust wirft, umgesetzt in sorgfältigem Helldunkel, das im Wesentlichen mit schwarzem Pigment ausgeführt wurde.

Die vorbereitende Modellierung des Haars, für das im zuerst gemalten schwarzen Hintergrund ein Bereich ausgespart wurde, erfolgte mit großer Genauigkeit. Dabei reicht ein Teil des Haars in der Form mehrerer Lockensträhnen über den Hintergrund hinaus. Einige Locken, die in den Bereich des Inkarnats hineinreichen, wurden mit dunklen Pinselstrichen vermutlich in Schwarz ausgeführt, und ein mit einem nicht allzu dünnen Pinsel gemalter Kontur umreißt entlang der linken Seite der Figur Hals, Schultern sowie zum Teil das Gesicht. Die einzige kleine Ungenauigkeit betrifft die Iris, die in der Endphase leicht korrigiert wurde, um sie perfekt mittig zu platzieren.

Die synthetische Präzision zeichnet sich auch in der Wahl der Pigmente ab, indem der Maler für die Dornenkrone fein vermahlenes Schwarz und Bleiweiß den üblichen grünen Pigmenten vorzog, was letztlich ein dunkles, metallisches Graublau ergab. Die mikroskopische und spektrometrische Untersuchung hat gezeigt, dass das Inkarnat mit einer Mischung aus Bleiweiß, fein vermahlenem Zinnober, gelbem Ockern, wenigen Partikeln Rotlack und etwas Schwarz zur Dämpfung des Farbtons umgesetzt wurde. Gelborangefarbener Ocker, etwas Zinnober und vermutlich Mennige wurden für die gelblich-braune Einfassung des Gewandes verwendet. Rotlack kam über dem leuchtenden Rot des Zinnobers in den weichen Schatten des Gewandes zum Einsatz, verstärkt durch etwas Schwarz, wie es bei Leonardos Schülern üblich war. Bemerkenswert ist die Darstellung der Blutstropfen: ein Hauch von Zinnober für die hellen, Rotlack (höchstwahrscheinlich Krapplack) für die dunklen Stellen; der Schatten oberhalb der Haut wurde braun lasiert, um den Effekt von Dreidimensionalität zu erzielen.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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