Lot Nr. 19 -


Mitarbeiter* des Alessandro di Mariano Filipepi, gen. Sandro Botticelli


(Florenz 1444/45–1510)
Madonna mit Kind und Johannesknaben,
Öl auf Holz, 82 x 66,5 cm, gerahmt

*Mitarbeiter meint, dass das Werk in der unmittelbaren Einflusssphäre des Künstlers entstanden ist.

Provenienz:
Familie Albizzi, Florenz;
Weitergabe im Erbgang an Gherardo di Albizzo degli Albizzi, bis 1950;
Nicholas Acquavella, Kunsthandel, New York, 1950;
Bruno Pagliai und dessen Frau Merle Oberon (1911–1979), USA, 1950–1979;
Mr. und Mrs. Bravo Valdes Pagliai, Mexiko, 1979–1986;
Auktion, Christie’s, London, 22. April 1988, Lot 19 (als Umkreis des Botticelli);
Sammlung Steve (1944–2007) und Peggy Fossett (1944–2017), Chicago;
Kunsthandel, USA;
Privatsammlung;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Los Angeles County Museum of Art, als Leihgabe von 1966 bis 10. Juli 1975, Nr. L.2559.66.13 (als Sandro Botticelli, Madonna degli Albizzi)

Literatur:
A. Lusini, Un inedito di Sandro Botticelli. La „Madonna degli Abizzi“, in: Arti, Rassegna bimestrale di Pittura, Scultura e Architettura, November – Dezember 1950, S. 5–9 (als Sandro Botticelli);
H. Trimborn, 24 Great Paintings Go on Loan to Museum, in: Los Angeles Times, 22. September 1966, S. 2 (als Botticelli)

Das vorliegende Gemälde wurde 1950 von Aldo Lusini als Werk Sandro Botticellis publiziert und mit Werken aus der Reifezeit des Künstlers, die sich heute in den Uffizien in Florenz befinden, sowie mit den Fresken in der Loggia der Villa Tornabuoni in Florenz verglichen. Das Bild war als Werk Botticellis ausgestellt, als es sich als Leihgabe im Los Angeles County Museum of Art befand.

Diese Zuschreibung fand zwar in jüngster Zeit keine Bestätigung, dennoch sind in der vorliegenden Komposition der Madonna mit Kind und Johannesknaben stilistische Elemente erkennbar, die auf Botticelli zurückgehen: die zarten Gesichter der Protagonisten, die Faltenwürfe und die eleganten Körperhaltungen der Figuren.

Mauro Lucco hat nach Prüfung des vorliegenden Werks im Original erwogen, dass die Darstellung der Landschaft im Hintergrund von der Hand des Gherardo di Giovanni di Miniato, gen. Gherardo di Giovanni del Fora, stammen könnte. Die Komposition weist zudem stilistische Elemente auf, die von anderen Künstlern der florentinischen Renaissance wie Ghirlandaio, Verrocchio und Lorenzo di Credi inspiriert sind.

Gherardo di Giovanni del Fora wurde um 1445 in Florenz geboren und wahrscheinlich unter den an der Opera del Duomo in Florenz tätigen Künstlern ausgebildet, wo sein Vater als Bildhauer tätig war. In der kultivierten Umgebung des Medici-Hofes widmete sich der junge Künstler der Miniaturmalerei und der gekonnten Herstellung von Mosaiken und gewann die Anerkennung Lorenzo de’ Medicis. Er war zudem ein begabter Musiker und beherrschte die lateinische Sprache, die er im Kreis Angelo Polizianos und weiterer Florentiner Intellektueller jener Zeit erlernt hatte. Giorgio Vasari widmete ihm eine Biografie, in der er die Beziehung des Künstlers zu Ghirlandaio und sein Studium der Druckgrafik, insbesondere jener Albrecht Dürers, hervorhob, von dem vermutlich seine einzigartigen Landschaftsdarstellungen herrühren (siehe Giorgio Vasari, Le Vite de’ più eccellenti architetti, pittori, et scultori italiani, da Cimabue, insino a’ tempi nostri, Bd. I, Florenz 1550, S. 471 f., hg. von L. Bellosi und A. Rossi). Gherardo war ein äußerst vielseitiger Künstler, der vor allem als Miniaturmaler dokumentiert ist, aber auch Fresken und Tafelbilder schuf. Sein Korpus an Tafelbildern erweiterte sich beträchtlich, als er von der Forschung als sog. Meister des Triumphs der Keuschheit identifiziert wurde, der Schöpfer des namensgebenden Werks, das sich heute in der Galleria Sabauda in Turin befindet, sowie der Tafel mit dem Kampf zwischen Liebe und Keuschheit in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG1196) und dreier Gemälde aus der Sammlung Adorno in Genua (siehe E. Fahy, Some Followers of Domenico Ghirlandaio, New York/London 1976, S. 21–33, 113–125).

Das hier vorgestellte Werk aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts ist stilistisch vergleichbar mit Gherardo di Giovanni del Foras Madonna in Anbetung des Kindes mit einem Engel im Palazzo Barberini in Rom (Inv.-Nr. 1658) und einem Tondo desselben Sujets, der sich heute im Seattle Art Museum befindet (Inv.-Nr. 53.86).

Die vorliegende Madonna hat eine illustre Provenienz aus der Familie Albizzi aus Florenz aufzuweisen, wichtige Rivalen und spätere Verbündete der Medici, in deren Besitz sich das vorliegende Gemälde bis Mitte des 20. Jahrhunderts befand. Das Gemälde wurde nach seiner Ankunft in Amerika als Madonna degli Albizzi bekannt und war Teil der Sammlung des Industriellen Bruno Pagliai und seiner Frau, der berühmten Schauspielerin Merle Oberon.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das vorliegende Gemälde ist typisch für die bildnerische Herangehensweise, die die Werke Botticellis und mancher Künstler seiner Werkstatt kennzeichnet.

Die Tafel wurde mit einer Gessoschicht vorbereitet, auf die die Umrisse der Komposition gezeichnet wurden. Es handelt sich jedoch nicht um eine einfache Übertragung der maßstabsgetreuen Kartonvorlage, die bereits auf Papier vorhanden war: Die Komposition wurde durch leicht modifizierte Bewegungen einiger Figuren und die Neudefinition von Details verändert und ausgewogener gestaltet, bis sie ihre endgültige Form fand.

Die Infrarotreflektografie ermöglicht Aufschlüsse über die grafische Vorzeichnung sowohl der endgültigen Komposition als auch der ersten Fassung, die vor allem in den Figuren der beiden Kinder verändert wurde, wohingegen die Madonna im Wesentlichen der ursprünglichen Unterzeichnung folgt, sieht man von einigen Korrekturen an der linken Hand, deren Finger zunächst länger waren, ab. Auch der Schleier hinter ihrem Haupt scheint vormals länger gewesen zu sein. Die durch Licht- und Schattenkontraste wiedergegebene Landschaft hinter den beiden Fensteröffnungen ist unverändert geblieben, es wurde dort keine Vorzeichnung sichtbar.

In manchen Bereichen ist eine dünne Unterzeichnung zu sehen, auf die eine weitere breitere und fließendere Zeichnung, ausgeführt mit Pinsel und schwarzer Tusche, folgte. Diese umreißt eine Zwischenstufe der linken Hand der Madonna und die erste Darstellungsvariante der Kinder. Das Jesuskind und der Johannesknabe waren ursprünglich näher zusammengerückt, wobei der segnende Arm des Christusknaben das Gesicht des Letzteren fast berührte: Beide wurden weiter nach hinten in ihre jetzige Position gerückt, wobei ihre Umrisse mit demselben Medium sorgfältig neu gezeichnet wurden. Folglich befanden sich der Kopf des Kindes und seine rechte Hand einst weiter unten, sodass das zarte Kreuz, das sich ein paar Zentimeter weiter rechts befand, wiederum das Jesuskind beinahe streifte. Die rechte Hand der Madonna war nicht sichtbar, während zwei durchbrochene Linien auf der Höhe der Brust Jesu vermuten lassen, dass der Maler kurz den Gedanken hegte, diesen Bereich zum Teil zu überdecken. Auch im Bereich der Beine Jesu gab es einige Veränderungen; Buch und Geschlecht wurden sorgfältig etwas tiefer gezeichnet; der rechte Arm des Johannesknaben war hingegen zunächst ein wenig praller, als würde er zu einem kleineren Kind gehören, und wurde letztlich weiter nach hinten versetzt. Solche planenden und adaptierenden Maßnahmen finden sich auch in den eigenhändigen Werken Botticellis, wenn sie dort auch mit etwas anderen grafischen Mitteln ausgeführt sind. Mehrere in die vorbereitende Gessoschicht geritzte und mit Lineal und Metallstichel ausgeführte Linien, wie sie sich auch häufig in Botticellis Werken finden, sind im Bereich des Kreuzes und der Architektur erkennbar.

Hinsichtlich der Pigmente haben zahlreiche nichtinvasive Untersuchungen im Bereich des Himmels, der Landschaft und des Mantels der Madonna die Verwendung von natürlichem Ultramarinblau in Verbindung mit Bleiweiß ergeben. Die Farbe wurde in einer dünnen Schicht über einem blau-grünlichen Grund aufgetragen, was dem Maler das Erzielen eigenwilliger Farbabstufungen erlaubte. Unterhalb zahlreicher Passagen einschließlich der Blaubereiche ließ sich unter dem Mikroskop eine rosa-bräunliche Grundierung über dem weißen Malgrund feststellen. Azurit, Grünspan und sehr geringe Mengen Rotlack fanden bei der dunklen Vegetation im Hintergrund Verwendung, während Grünspan bei den grünen Aufschlägen des Mantels zum Einsatz kam. Das rote Kleid enthält hauptsächlich Zinnober, der mit Rotlack abschattiert wurde. Im Krakelee zeigt sich, dass eine erste Malschicht aus qualitativ hochwertigem Rotlack bestand, mit dem der Künstler das Kleid möglicherweise zuerst malen wollte. Zinnober und Bleiweiß bilden mit kleinen Mengen Ocker vermischt die Hauttöne. Bei den Lippen wurde mit wenigen Partikeln Lapislazuli ein leicht purpurner Ton erzielt.

Die Maltechnik befindet sich im Einklang mit der Arbeitsweise der Florentiner Malerei des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts, insbesondere mit jener Botticellis und mehrerer Mitglieder seiner Werkstatt.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com

24.04.2024 - 18:00

Erzielter Preis: **
EUR 663.875,-
Schätzwert:
EUR 200.000,- bis EUR 300.000,-

Mitarbeiter* des Alessandro di Mariano Filipepi, gen. Sandro Botticelli


(Florenz 1444/45–1510)
Madonna mit Kind und Johannesknaben,
Öl auf Holz, 82 x 66,5 cm, gerahmt

*Mitarbeiter meint, dass das Werk in der unmittelbaren Einflusssphäre des Künstlers entstanden ist.

Provenienz:
Familie Albizzi, Florenz;
Weitergabe im Erbgang an Gherardo di Albizzo degli Albizzi, bis 1950;
Nicholas Acquavella, Kunsthandel, New York, 1950;
Bruno Pagliai und dessen Frau Merle Oberon (1911–1979), USA, 1950–1979;
Mr. und Mrs. Bravo Valdes Pagliai, Mexiko, 1979–1986;
Auktion, Christie’s, London, 22. April 1988, Lot 19 (als Umkreis des Botticelli);
Sammlung Steve (1944–2007) und Peggy Fossett (1944–2017), Chicago;
Kunsthandel, USA;
Privatsammlung;
dort erworben durch den jetzigen Besitzer

Ausgestellt:
Los Angeles County Museum of Art, als Leihgabe von 1966 bis 10. Juli 1975, Nr. L.2559.66.13 (als Sandro Botticelli, Madonna degli Albizzi)

Literatur:
A. Lusini, Un inedito di Sandro Botticelli. La „Madonna degli Abizzi“, in: Arti, Rassegna bimestrale di Pittura, Scultura e Architettura, November – Dezember 1950, S. 5–9 (als Sandro Botticelli);
H. Trimborn, 24 Great Paintings Go on Loan to Museum, in: Los Angeles Times, 22. September 1966, S. 2 (als Botticelli)

Das vorliegende Gemälde wurde 1950 von Aldo Lusini als Werk Sandro Botticellis publiziert und mit Werken aus der Reifezeit des Künstlers, die sich heute in den Uffizien in Florenz befinden, sowie mit den Fresken in der Loggia der Villa Tornabuoni in Florenz verglichen. Das Bild war als Werk Botticellis ausgestellt, als es sich als Leihgabe im Los Angeles County Museum of Art befand.

Diese Zuschreibung fand zwar in jüngster Zeit keine Bestätigung, dennoch sind in der vorliegenden Komposition der Madonna mit Kind und Johannesknaben stilistische Elemente erkennbar, die auf Botticelli zurückgehen: die zarten Gesichter der Protagonisten, die Faltenwürfe und die eleganten Körperhaltungen der Figuren.

Mauro Lucco hat nach Prüfung des vorliegenden Werks im Original erwogen, dass die Darstellung der Landschaft im Hintergrund von der Hand des Gherardo di Giovanni di Miniato, gen. Gherardo di Giovanni del Fora, stammen könnte. Die Komposition weist zudem stilistische Elemente auf, die von anderen Künstlern der florentinischen Renaissance wie Ghirlandaio, Verrocchio und Lorenzo di Credi inspiriert sind.

Gherardo di Giovanni del Fora wurde um 1445 in Florenz geboren und wahrscheinlich unter den an der Opera del Duomo in Florenz tätigen Künstlern ausgebildet, wo sein Vater als Bildhauer tätig war. In der kultivierten Umgebung des Medici-Hofes widmete sich der junge Künstler der Miniaturmalerei und der gekonnten Herstellung von Mosaiken und gewann die Anerkennung Lorenzo de’ Medicis. Er war zudem ein begabter Musiker und beherrschte die lateinische Sprache, die er im Kreis Angelo Polizianos und weiterer Florentiner Intellektueller jener Zeit erlernt hatte. Giorgio Vasari widmete ihm eine Biografie, in der er die Beziehung des Künstlers zu Ghirlandaio und sein Studium der Druckgrafik, insbesondere jener Albrecht Dürers, hervorhob, von dem vermutlich seine einzigartigen Landschaftsdarstellungen herrühren (siehe Giorgio Vasari, Le Vite de’ più eccellenti architetti, pittori, et scultori italiani, da Cimabue, insino a’ tempi nostri, Bd. I, Florenz 1550, S. 471 f., hg. von L. Bellosi und A. Rossi). Gherardo war ein äußerst vielseitiger Künstler, der vor allem als Miniaturmaler dokumentiert ist, aber auch Fresken und Tafelbilder schuf. Sein Korpus an Tafelbildern erweiterte sich beträchtlich, als er von der Forschung als sog. Meister des Triumphs der Keuschheit identifiziert wurde, der Schöpfer des namensgebenden Werks, das sich heute in der Galleria Sabauda in Turin befindet, sowie der Tafel mit dem Kampf zwischen Liebe und Keuschheit in der National Gallery in London (Inv.-Nr. NG1196) und dreier Gemälde aus der Sammlung Adorno in Genua (siehe E. Fahy, Some Followers of Domenico Ghirlandaio, New York/London 1976, S. 21–33, 113–125).

Das hier vorgestellte Werk aus den letzten Jahren des 15. Jahrhunderts ist stilistisch vergleichbar mit Gherardo di Giovanni del Foras Madonna in Anbetung des Kindes mit einem Engel im Palazzo Barberini in Rom (Inv.-Nr. 1658) und einem Tondo desselben Sujets, der sich heute im Seattle Art Museum befindet (Inv.-Nr. 53.86).

Die vorliegende Madonna hat eine illustre Provenienz aus der Familie Albizzi aus Florenz aufzuweisen, wichtige Rivalen und spätere Verbündete der Medici, in deren Besitz sich das vorliegende Gemälde bis Mitte des 20. Jahrhunderts befand. Das Gemälde wurde nach seiner Ankunft in Amerika als Madonna degli Albizzi bekannt und war Teil der Sammlung des Industriellen Bruno Pagliai und seiner Frau, der berühmten Schauspielerin Merle Oberon.

Technische Untersuchung durch Gianluca Poldi:

Das vorliegende Gemälde ist typisch für die bildnerische Herangehensweise, die die Werke Botticellis und mancher Künstler seiner Werkstatt kennzeichnet.

Die Tafel wurde mit einer Gessoschicht vorbereitet, auf die die Umrisse der Komposition gezeichnet wurden. Es handelt sich jedoch nicht um eine einfache Übertragung der maßstabsgetreuen Kartonvorlage, die bereits auf Papier vorhanden war: Die Komposition wurde durch leicht modifizierte Bewegungen einiger Figuren und die Neudefinition von Details verändert und ausgewogener gestaltet, bis sie ihre endgültige Form fand.

Die Infrarotreflektografie ermöglicht Aufschlüsse über die grafische Vorzeichnung sowohl der endgültigen Komposition als auch der ersten Fassung, die vor allem in den Figuren der beiden Kinder verändert wurde, wohingegen die Madonna im Wesentlichen der ursprünglichen Unterzeichnung folgt, sieht man von einigen Korrekturen an der linken Hand, deren Finger zunächst länger waren, ab. Auch der Schleier hinter ihrem Haupt scheint vormals länger gewesen zu sein. Die durch Licht- und Schattenkontraste wiedergegebene Landschaft hinter den beiden Fensteröffnungen ist unverändert geblieben, es wurde dort keine Vorzeichnung sichtbar.

In manchen Bereichen ist eine dünne Unterzeichnung zu sehen, auf die eine weitere breitere und fließendere Zeichnung, ausgeführt mit Pinsel und schwarzer Tusche, folgte. Diese umreißt eine Zwischenstufe der linken Hand der Madonna und die erste Darstellungsvariante der Kinder. Das Jesuskind und der Johannesknabe waren ursprünglich näher zusammengerückt, wobei der segnende Arm des Christusknaben das Gesicht des Letzteren fast berührte: Beide wurden weiter nach hinten in ihre jetzige Position gerückt, wobei ihre Umrisse mit demselben Medium sorgfältig neu gezeichnet wurden. Folglich befanden sich der Kopf des Kindes und seine rechte Hand einst weiter unten, sodass das zarte Kreuz, das sich ein paar Zentimeter weiter rechts befand, wiederum das Jesuskind beinahe streifte. Die rechte Hand der Madonna war nicht sichtbar, während zwei durchbrochene Linien auf der Höhe der Brust Jesu vermuten lassen, dass der Maler kurz den Gedanken hegte, diesen Bereich zum Teil zu überdecken. Auch im Bereich der Beine Jesu gab es einige Veränderungen; Buch und Geschlecht wurden sorgfältig etwas tiefer gezeichnet; der rechte Arm des Johannesknaben war hingegen zunächst ein wenig praller, als würde er zu einem kleineren Kind gehören, und wurde letztlich weiter nach hinten versetzt. Solche planenden und adaptierenden Maßnahmen finden sich auch in den eigenhändigen Werken Botticellis, wenn sie dort auch mit etwas anderen grafischen Mitteln ausgeführt sind. Mehrere in die vorbereitende Gessoschicht geritzte und mit Lineal und Metallstichel ausgeführte Linien, wie sie sich auch häufig in Botticellis Werken finden, sind im Bereich des Kreuzes und der Architektur erkennbar.

Hinsichtlich der Pigmente haben zahlreiche nichtinvasive Untersuchungen im Bereich des Himmels, der Landschaft und des Mantels der Madonna die Verwendung von natürlichem Ultramarinblau in Verbindung mit Bleiweiß ergeben. Die Farbe wurde in einer dünnen Schicht über einem blau-grünlichen Grund aufgetragen, was dem Maler das Erzielen eigenwilliger Farbabstufungen erlaubte. Unterhalb zahlreicher Passagen einschließlich der Blaubereiche ließ sich unter dem Mikroskop eine rosa-bräunliche Grundierung über dem weißen Malgrund feststellen. Azurit, Grünspan und sehr geringe Mengen Rotlack fanden bei der dunklen Vegetation im Hintergrund Verwendung, während Grünspan bei den grünen Aufschlägen des Mantels zum Einsatz kam. Das rote Kleid enthält hauptsächlich Zinnober, der mit Rotlack abschattiert wurde. Im Krakelee zeigt sich, dass eine erste Malschicht aus qualitativ hochwertigem Rotlack bestand, mit dem der Künstler das Kleid möglicherweise zuerst malen wollte. Zinnober und Bleiweiß bilden mit kleinen Mengen Ocker vermischt die Hauttöne. Bei den Lippen wurde mit wenigen Partikeln Lapislazuli ein leicht purpurner Ton erzielt.

Die Maltechnik befindet sich im Einklang mit der Arbeitsweise der Florentiner Malerei des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts, insbesondere mit jener Botticellis und mehrerer Mitglieder seiner Werkstatt.

Experte: Mark MacDonnell Mark MacDonnell
+43 1 515 60 403

oldmasters@dorotheum.com


Käufer Hotline Mo.-Fr.: 10.00 - 17.00
old.masters@dorotheum.at

+43 1 515 60 403
Auktion: Alte Meister
Auktionstyp: Saalauktion mit Live Bidding
Datum: 24.04.2024 - 18:00
Auktionsort: Wien | Palais Dorotheum
Besichtigung: 13.04. - 24.04.2024


** Kaufpreis inkl. Käufergebühr und Mehrwertsteuer(für Lieferland Österreich)

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